In einer Mitteilung vom Anfang des Jahres hat das chinesische Bildungsministerium gefordert, dass die Kalligraphie in Grund- und Mittelschulen zum Pflichtfach werden soll. In Großstädten, in denen es gute Voraussetzungen für diesen Schritt gibt, soll der Kalligraphie-Unterricht schon im Herbst beginnen. Die Nachricht hat in Bildungskreisen unmittelbar nach Bekanntwerden heftige Diskussionen ausgelöst.
Befürworter meinen, dass das Schreiben mit der Hand auch im Computerzeitalter wichtig für den Alltag ist. Chinesische Schriftzeichen sind Träger eines kulturellen Gedächtnisses und Zeugnis großen historischen Reichtums. Daher sollte die Ausformung der Handschrift in der modernen Gesellschaft ihren Stellenwert behalten.
Die Gegner argumentieren, dass man in einer Zeit, in der Computer eine so wichtige Rolle im Alltag spielen, keine Zeit mehr darauf verschwenden solle, bereits gestresste Kinder noch zusätzlich mit Schreibunterricht zu belasten. Der reguläre Kalligraphieunterricht in der Schule sei ein guter Vorschlag, der aber nicht unbedingt durchgesetzt werden sollte. Schüler sollten die freie Wahl haben, ob sie die Kalligraphie erlernen oder nicht.
Befürworter
Guo Zhiming (http://yw.zxxk.com): Kalligraphie in der Schule ist sehr wichtig. Schüler werden ihr ganzes Leben davon profitieren. Sie ist eine chinesische Tradition und wesentlicher Bestandteil der Kultur. Daher muss sie von Generation zu Generation weitergegeben werden.
In der jüngeren Vergangenheit haben Computer unsere Kommunikation verändert. Die meisten vernachlässigen ihre Handschrift zugunsten ihrer Fertigkeiten auf der Tastatur. Immer weniger Menschen praktizieren die Kalligraphie, in der heutigen Jugend zeigt sich eine regelrechte „Krise der Handschrift".
Die Handschrift verdient mehr Aufmerksamkeit, man sollte den Kalligraphie-Unterricht in der Grund- und Mittelschule fördern. Dadurch wird sich nicht nur die Schreibfähigkeiten verbessern, sondern Kinder lernen auch etwa über die Geschichte der Schriftzeichen, ihre einzigartige Struktur und die Schönheit der eigenen Sprache. Dem Kalligraphieunterricht einen Rechtsstatus zu geben, ist eine gute Methode zu Wiederbelebung dieser nützlichen Kunst. Die Frage, wie man eine solche Initiative unterstützen könnte, bleibt allerdings offen. Es ist notwendig, dass Lehrer an Hochschulen in Kalligraphie ausgebildet werden, um später einen qualifizierten Unterricht an Grund- und Mittelschulen geben zu können.
Jiang Jinshi (People's Daily): Die Situation der Kalligraphie ist schwierig. Der Übergang von einer traditionellen zu einer modernen Gesellschaft hat ihre historischen Grundfesten erschüttert. Da sich Chinas Bildungssystem schnell verwestlicht, gerät die Kalligraphie ins Hintertreffen.
Ohne eine soziale Antriebskraft wird die Einführung des Kaligraphieunterrichts problematisch werden.
Im chinesischen Bildungssystem wurden jahrelang Testergebnisse als wichtigste Referenz für das Hochschul-Recruitment benutzt, dabei wurde zwischen Haupt- und Nebenfächern unterschieden. Zu letzteren gehört auch die Kalligraphie. Für die Uni-Aufnahmeprüfungen spielt sie keine große Rolle. Daher wird sie schon in der Grundschule vernachlässigt und es lernen immer weniger Leute richtig schreiben. Auch wenn viele Eltern ihren Kindern einen Kalligraphieunterricht ermöglichen, fehlt der Anstoß für eine weiterreichende Entwicklung.
Ohne eine breite Basis für die Kalligraphie bleiben qualifizierte Lehrer Mangelware. Trotz der Pläne örtlicher Behörden zur Lehrerausbildung bieten nur wenige Universitäten professionelle Kalligraphie-Programme an. Ohne ausreichende kulturelle Ressourcen und ein gut entwickeltes Ausbildungssystem sind Kalligraphielehrer aber nicht qualifiziert für den Schulunterricht.
Die Kalligraphie ist eine äußerst praktische Kunstform und war ein wichtiger Teil der historischen Kultur Chinas, das macht ihre Erhaltung notwendig.
Schüler, die Interesse an der Kalligraphie haben, besuchen heutzutage meistens einen außerschulischen Unterricht. Falls Schulen eigene Unterrichtsprogramme anbieten, laden sie oft Lehrer aus Ausbildungsorganisationen ein, die dann „Hobbykurse" einrichten, in denen Schülern bestimmte Techniken innerhalb sehr kurzer Zeit beigebracht werden.
Mit der Unterstützung der Bildungsbehörden ist die Zeit reif, die Kalligraphie wiederzubeleben und weiterzuentwickeln. Mit Unterstützung der Politik und der Gesellschaft könnte der Kalligraphieunterricht unter Schülern schon bald wieder beliebter werden.
Gegner
Hu Weide (Guangming Daily): Auch wenn die Initiative positive Aspekte hat, bleiben doch Zweifel hinsichtlich ihrer Praxistauglichkeit. Ist es richtig, der Kalligraphie im Zeitalter der Digitalisierung besondere Aufmerksamkeit zu schenken? Falls ja, wie werden Schulen an qualifizierte Lehrer und entsprechende Gelder kommen? Und wird der Kalligraphie-Unterricht an absolut jeder Mittel- und Grundschule des Landes verpflichtend werden?
Um zu kommunizieren sind die meisten von uns heute abhängig von Computern. Schüler dazu zu zwingen, ihre Handschrift zu verbessern, ist Zeitverschwendung. Bildungsinhalte sollten im Fokus stehen und Kinder, die gut auf das digitale Zeitalter vorbereitet sind. Im Zeitalter der Globalisierung spielt die PC-Tastatur die entscheidende Rolle, nicht die Kalligraphie.
Schulen die Einrichtung von Kalligraphie-Kursen aufzuerlegen, ist Teil der kontroversen Theorie, dass Bildung so viele Bereiche wie möglich abdecken soll. Zeit ist an Schulen aber Mangelware und Schüler erwarten, nur das zu lernen, was für sie später wichtig ist. Der Kalligraphie-Unterricht muss daher wohl in andere Zeiten verlegt werden. |