Die Zahl der Cafés in China steigt ständig. Gehören die Teehäuser möglicherweise bald der Vergangenheit an?
Nachmittagstee: Gemütliches Beisammensein in einem Teehaus im Taiziwan-Park von Hangzhou, der Hauptstadt der Provinz Zhejiang
Das Geschäft brummt: Eine gut besuchte Maan-Coffee-Filiale im Zentrum Beijings.
Ein Teehaus im Westen Beijings: Zigarettenrauch und Männer mittleren Alters, die Mahjong spielen, füllen den Raum, während die Schalen von Sonnenblumenkernen vom Tisch auf den Boden kullern. Ein Mann tritt ein und stellt ein Tablett mit vier Tassen und einer Teekanne ab. Auf dem Sofa vertreibt sich derweil ein anderer Gast die Zeit mit Zeitungslektüre.
Eine solche Szene gehört zum Alltag der Stadt und ganz Chinas. Teetrinken und Teehäuser sind schon lange ein Synonym für chinesische Lebensart.
"Die Leute kommen hierhin, weil ihnen die Kultur des Teetrinkens gefällt", erzählt Lian Shichuan, der im Baxiange-Teehaus die Gäste begrüßt sowie Getränke und Snacks serviert. "Nur wenige wollen hier Geschäfte machen. Sie kommen wegen des Beisammenseins und um Mahjong zu spielen". Das Brettspiel wird zu viert gespielt und ist sehr beliebt in China.
Das Teehaus – oder Chaguan, einst unangefochtene und tief verwurzelte Nummer eins nationaler Kultur, könnte sich jedoch bald in einem Überlebenskampf wiederfinden. Ob in reichen Metropolen wie Shanghai und Shenzhen oder weniger wohlhabenden Städten – überall sprießen die Cafés aus dem Boden.
Was aber bedeutet das für die Teehäuser?
Der Reiz des Kaffees
Nach Untersuchungen von Mintel, einem englischen Marktforschungsunternehmen, stieg die Zahl der Cafés in China 2012 auf 31.783. 2007 gab es 15.898 Cafés, ihre Zahl hat sich also innerhalb weniger Jahre verdoppelt. Auf jede der 31 Provinzen auf dem chinesischen Festland und Kommunen kommen damit statistisch gesehen 1025 Cafés. Zwar sind die Teehäuser mit 50.984 deutlich in der Überzahl, aber ihre Zahl stieg in den vergangenen fünf Jahren lediglich um vier Prozent. Falls die Cafés tatsächlich eine Aufholjagd gestartet haben, tun sie das also mit einigem Erfolg.
"Kaffeehausketten tauchten in China erst Ende der 1990er Jahre auf. Seitdem haben sie sich sehr schnell vermehrt", erklärte Matthew Crabbe, Leiter der Asien-Pazifik-Recherchen bei Mintel in einer Pressemitteilung des Unternehmens. „Unterdessen bemühen sich die Teehäuser um eine eigene gut organisierte Kette nach dem Franchise-Prinzip und mit eigener Marke. Ihre Zielgruppe sind weiterhin vor allem Touristen oder weniger konsumfreudige Senioren, die nach einem traditionellen Ort der Entspannung suchen, wie er für jüngere Verbraucher immer weniger wichtig wird."
Ein Teil der Anziehungskraft, den Cafés auf junge Leute ausüben, erklärt sich aus ihrer Exklusivität. Sie sind ein Ort, an dem man Geld ausgibt und dabei auch gesehen wird. In den Teehäusern mit ihren Privaträumen ist das kaum möglich.
"Kaffee ist teuer, er ist ein Luxus", erklärt Xu Shuyuan, Englischdozentin in den Dreißigern, in einem Costa-Café in Beijing. "Die Leute sitzen gerne hier und genießen ihr Leben. Sie wissen, dass sie wohlhabend sind und sich die teuren Getränke leisten können." Und teuer sind sie wirklich. Ein ganz normaler Kaffee kostet zwischen 3 und 4 Dollar oder noch mehr, in den USA sind es meist nur 2 Dollar. Ausgefallenere Getränke können leicht das Doppelte kosten.
Eine der Ketten, die aus Chinas wachsender Begeisterung für Kaffee Profit schlagen wollen, ist Maan Coffee. Ursprünglich von einem in Beijing lebenden Koreaner gegründet, hat die Kette mittlerweile 13 Filialen in der Hauptstadt und mehr als 40 im ganzen Land.
In der zweistöckigen Riesenfiliale im Zentrum Beijings haben mehr als 300 Personen Platz. Die meisten Kunden sind jung und gut gekleidet, eine Mischung aus Studenten und Karriereleuten, die am Laptop über die nächste große Idee brainstormen sowie einigen Ausländern. Die Leute, die hierhin kommen, werden oft als „小资"(xiaozi)bezeichnet, was man ungefähr mit „Yuppies" übersetzen könnte.
"Bislang sind die meisten Kaffeetrinker junge Leute", sagt Jiao, der Manager des Cafés. "Für sie ist Kaffee Teil einer fremden Kultur, so wie das Lernen einer Fremdsprache wie Englisch."
Die Verbindung von Kaffee und westlicher Kultur ist ein Grund dafür, dass Zhou Cong, ein Angestellter der Stadtverwaltung, regelmäßig zu Maan geht.
Kaffee ist "wie Rotwein. Wir können eine Menge lernen: wie man ihn zubereitet und woher er stammt", sagt er, während er an diesem Nachmittag seinen Capuccino schlürft. „Das gleiche gilt für Kaffee... durch ihn können wir die ganze weite Welt kennen lernen."
Teatime, oder nicht?
Teehäuser richten sich oft an eine ältere Kundschaft, und es gibt keine Garantie dafür, dass sich auch die jüngere Café-Generation in Zukunft dorthin verirren wird.
"Das Fehlen bekannter Ketten und Marken bei den traditionellen Teehäusern bedeutet, dass es die Branche bislang nicht geschafft hat, sich der Herausforderung durch den wachsenden Erfolg der Kaffeehausketten zu stellen. Die wenigen existierenden Teehaus-Ketten konzentrieren sich auf eine sehr kleine, sehr wohlhabende und im allgemeinen eher ältere Kundengruppe", sagt Matthew Crabbe.
Diese Zuordnung zu einer älteren Zielgruppe könnte Chinas hippe Jugend jedoch abschrecken.
"Teehäuser und Cafés repräsentieren Tradition bzw. einen neuen Trend", sagt Pei Jia (31), der in der Marketingabteilung eines internationalen Unternehmens arbeitet und zwei bis drei Mal in der Woche Kaffee trinkt, aber auch täglich seinen Tee genießt. „Offensichtlich will die jüngere Generation nicht mit der älteren in einen Topf geworfen werden."
Peng Moxie (25), ist ein regelmäßiger Cafébesucher und bereitet sich auch zu Hause jeden Morgen seinen eigenen Kaffee zu. Er geht nicht in Teehäuser, "weil sie mir so ernst erscheinen. Ich finde, die Atmosphäre viel steifer als in einem Café."
Für Xu, die Englischdozentin, ist es der freundliche Empfang im Café, der sie immer wieder dorthin zurückkehren lässt.
"Ich finde, der Service im Café ist besser als im Teehaus... Allgemein gesagt, sind Cafés ein Teil der westlichen Kultur, der auch Auswirkungen auf die chinesische Kultur hat. Die Kellnerinnen sind gut ausgebildet, es herrscht eine warme Atmosphäre. Der Service in Teehäusern lässt – mit einigen Ausnahmen – zu wünschen übrig."
Während Getränke und Speisen in Cafés keineswegs billig sind, verblassen die Preise dennoch im Vergleich zu den Angeboten mancher Teehäuser mit ihren Zimmerpreisen auf Stundenbasis und dem vorgeschriebenen Mindestverzehr. Tees können bemerkenswert teuer sein, sogar für Chinas zahlungswillige städtische Mittelschicht. Bei Baxiange kostet eine Tasse des günstigsten grünen Tees 108 Yuan (13,50 Euro), schwarzer Tee sogar 280 Yuan (35 Euro).
Könnten Teehäuser wegen ihrer niedrigen Wachstumsrate und ihres unsicheren Geschäftsmodells bald der Vergangenheit angehören und ganz durch die aufkeimende Café-Szene ersetzt werden?
"Ich denke nicht, dass Cafés eine Bedrohung darstellen", sagt Song Maimai (31), Landschaftsplaner aus Beijing und regelmäßiger Kaffeetrinker. „Sie sind mehr oder weniger ein guter Anlass für die Teehäuser, um über eine geschäftliche Weiterentwicklung nachzudenken."
"Chinesen haben ihr Leben lang Tee getrunken und das werden sie auch weiter tun", sagt der Inhaber eines Wuyutai-Ladens, einer Kette, die verpackte Tees von günstig bis exklusiv verkauft.
Wer auch immer aus dem „Tee-Kaffee-Krieg" siegreich hervorgeht, könne man nur raten, meint Peng, aber einer Sache ist er sich sicher: "Teehäuser mögen durch Cafés vor neue Herausforderungen gestellt werden, aber die Teekultur wird auf jeden Fall weiterbestehen."
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