01-03-2013
Im Focus
Ein Frühling der Reformen steht bevor
von An Gang (Der Autor ist Kommentator der Beijing Review)

China bereitet sich auf den Führungswechsel und die Erfüllung seiner wichtigsten nationalen Ziele vor.

 

 

 

 

Feldstudien: Xi Jinping (Mitte), Generalsekretär des Zentralkomitees der KP Chinas, beim Besuch eines verarmten Dorfbewohners. Für die Kinder von Ma Maizhi aus Bulenggou im Autonomen Kreis Dongxiang (Provinz Gansu) brachte Xi Schulmaterialien mit.

 

 

Auf der bevorstehenden Ersten Plenarsitzung des 12. Nationalen Volkskongresses (NVK), Chinas oberstem Gesetzgeber, und der Ersten Sitzung des 12. Landeskomitees der PolitischeKonsultativkonferenz des Chinesischen Volkes (PKKCV), dem obersten Beratungsgremium des Landes, wird der Wechsel von Chinas alter zu Chinas neuer Führungsgeneration endgültig abschlossen.

Die Arbeit der neuen Parteiführung, mit Generalsekretär Xi Jingping an ihrer Spitze, wurde in den vergangenen Monaten als "Traumstart" beschrieben. Die chinesische Öffentlichkeit hat die neue Frische, mit der die neue Führungsspitze das Land regiert, klar erkannt, fühlt eine vielversprechende Zukunft für China und sieht sich in einem aufregenden und schönen „chinesischen Traum".

 

Neuer Beginn der Reformen 

Es ist nicht zu leugnen, dass die chinesische Gesellschaft eine Phase der Unruhe und Wankelmütigkeit durchlebt hat. Die Öffentlichkeit war unzufrieden, die Zahl der Beschwerden stieg, jeder handelte nach eigenem Willen und übte ziellos Kritik an der Regierung. All das wies daraufhin, dass die Kluft zwischen Arm und Reich schnell wuchs und die soziale Gerechtigkeit Schaden genommen hatte. Es handelt sich jedoch um einen unvermeidbaren Schritt in Chinas Entwicklung. Seine Ursachen sind die zahlreichen verschiedenen Reformengpässe, die neue „Mittlere-Einkommens-Falle" und die weltweite Konjunkturkrise.

Chinas politische Führer flüchten weder vor Problemen, noch verhindern sie, dass die Öffentlichkeit ihre Meinung äußert. Durch die offene Diskussion der Hauptstrategien und –theorien,  häufige Felduntersuchungen an der Basis sowie Meinungsumfragen demonstrieren sie ihre Entschlossenheit zu einer Reform von oben nach unten.

Das politische Vorgehen nach dem 18. Parteitag hat der Öffentlichkeit ein klares Gefühl für den Reformrhythmus auf höchster Ebene gegeben.

Während des Besuchs einer Ausstellung über Chinas Entwicklung seit 1840 erklärte Xi im letzten November: „Das große Wiederaufleben der chinesischen Nation in die Tat umzusetzen, ist der größte chinesische Traum der modernen Geschichte." Leeres Gerede sei schädlich für das Land, betonte er, während praktische Arbeit es gedeihen ließe. Xi unterstrich in seinen Anmerkungen, dass das Wohlergehen der Menschen und eine starke Nation die zwei wichtigsten Ziele der chinesischen Gesellschaft seien. Außerdem sprach er von der Wiederherstellung des sozialen Zusammenhalts in der Gesellschaft.  

In einem Kommentar der englischen Website Ftchinese.com hieß es über das neue Antlitz der chinesischen Politik, dass die richtige Wahrnehmung auch Voraussetzung für die richtigen Taten sei. Es ist wahr, dass die neue Führungsspitze bereits in Aktion getreten ist. Am 4. Dezember 2012 fand das erste Treffen des Politbüros des 18. Zentralkomitees der KP Chinas nach Amtsantritt statt. Dabei wurde ein Dokument verabschiedet, das in acht Bereichen genaue Anforderungen an einen verbesserten Arbeitsstil der Politbüromitglieder formulierte, darunter weniger Meetings, weniger Dokumente, kürzere Verkehrskontrollen während offizieller Besuche und Sparsamkeit. Von den neuen Vorschriften soll ein klares Signal zur Umsetzung ausgehen, denn die Führungsspitze selbst präsentiert sich als Beispiel.

Vom 7. bis 11. Dezember besuchte Xi Shenzhen, Zhuhai, Foshan und Guangzhou in der südchinesischen Provinz Guangdong. Seine „Feldstudien" unter dem Titel „Neue Reise in den Süden" signalisierten die Fortsetzung von Chinas Öffnungs- und Reformkurs, der von Deng Xiaoping in den frühen 1990ern ins Leben gerufen wurde.

Bei einem Treffen am 21. November erklärte Vizepremier Li Keqiang, der im kommenden Monat den Posten des Premiers übernehmen soll, dass Öffnung und Reform die größte Dividende aus Chinas Entwicklung seien und nebenbei von der Öffentlichkeit sehr begrüßt würden. Das Vorgehen der neuen Führungsgeneration zeigt deutlich, dass sie nicht zögern wird, Hindernisse zu beseitigen und Reformen in wichtigen Bereichen mit größerem politischen Mut und mehr Weisheit zu vertiefen.

In China hat die Öffentlichkeit die offiziellen Signale von ganz oben genau begriffen und mit eigenen Aktionen darauf geantwortet. Durch die positive Interaktion zwischen Öffentlichkeit und hochrangigen Funktionären nimmt ein neues Umfeld für Reformen Formen an. Viele habgierige Funktionäre sind durch eine öffentliche Antikorruptionskampagne im Netz aus dem Amt getrieben worden.

Xi sagte ganz offen, dass die Partei bei Korruption hart bleiben solle, egal wie hoch oder niedrig der Rang der betroffenen Kader sei. Unterdessen ordnete er verstärkte Auflagen und Kontrollen für die Amtsausübung an. Macht solle durch Vorschriften begrenzt werden, so Xi.

Die Diskussion über die Ausrichtung von Chinas Reformen wird im ganzen Land geführt. In Kombination mit der Gestaltungsarbeit auf der Führungsebene und praktischen Anstrengungen an der Basis wird das für das Erreichen eines Konsens über die Förderung des Reformfortschritts hilfreich sein. Die Debatte hat auch die Bedeutung der  Reform der politischen Struktur  hervorgehoben und einen groben Umriss für die Verbesserung des Führungsstils und Regierungsarbeit der Partei vorgegeben. Sie sichert eine effektive Regierung unter Führung der Partei und garantiert den Menschen ihre gesetzmäßigen Rechte und Freiheiten.

Der gemeinsame Wille zu weiteren Reformen und zu einem neuen Kurs in China ist da, so haben die Menschen Grund zur Annahme, dass sich ein neues Jahrzehnt mit neuem Gesicht ankündigt. In der kommenden Dekade wird China das „BIP-First"-Prinzip aufgeben und den Lebensbedingungen der Menschen mehr Aufmerksamkeit schenken. Ein umfassenderes, ausgeglicheneres und nachhaltigeres Entwicklungsmodell wird die Gesellschaft wieder konsolidieren, die vitale Entwicklung und Innovationskraft Chinas anregen und es auf einen neuen Weg des Fortschritts und der Reform bringen. 

 

 Einsatz für den Frieden

Bei einer Studientagung mit Mitgliedern des ZK-Politbüros am 28. Januar erklärte Xi, dass China weiterhin einen friedlichen Entwicklungsweg beschreiten werde. Er betonte, dass China zuallererst seine eigenen Angelegenheiten effizient regeln und sich im Bemühen um eine friedliche Entwicklung auf seine eigene Stärke verlassen solle. Das Land werde dabei aber niemals auf seine legitimen Rechte oder Kerninteressen verzichten.

"Kein Land sollte annehmen, dass China sich in Angelegenheiten verwickeln lässt, die unsere Kerninteressen betreffen, oder dass es eine Beschädigung seiner Souveränitäts-, Sicherheits- oder Entwicklungsinteressen in Kauf nimmt ", fügte er hinzu.

Chinas Interessen sind facettenreich und weitreichend. Die Herausstellung und genaue Definition des Konzepts der Kerninteressen ist einer der Haupterfolge der theoretischen und praktischen Entwicklung in Chinas Diplomatie. Im Weißbuch „Chinas friedliche Entwicklung", das im September von der Regierung herausgegeben wurde, heißt es, dass China entschlossen sei, seine Kerninteressen zu wahren, als da wären: staatliche Souveränität, nationale Sicherheit, territoriale Integrität und nationale Wiedervereinigung, Chinas von der Verfassung etabliertes politisches System, allgemeine soziale Stabilität sowie grundlegende Garantien für eine nachhaltige wirtschaftliche und ökonomische Entwicklung.  

China befindet sich an einem besonders kritischen Punkt auf dem Weg zum Wiederaufleben der Nation. Das wichtigste dabei ist die Aufrechterhaltung einer friedlichen Entwicklung. Da sich China beständig weiterentwickelt, ist es umso notwendiger, seine Entschlossenheit und Effektivität bei der Sicherstellung seiner Kerninteressen zu zeigen. Gleichzeitig beruht die Sicherstellung dieser Kerninteressen auf nationaler Stärke und Willenskraft, der Solidarität und der Reife der Nation sowie der Entschlossenheit und Weisheit seiner Diplomatie. Kein einziger Aspekt darf hierbei übersehen werden.

Mit wachsender nationaler Stärke und der voranschreitenden sozialen Transformation muss die chinesische Diplomatie sehr viel mehr Faktoren berücksichtigen, um nationale Kerninteressen zu wahren. Es sind mehr diplomatische Bemühungen zu deren Verteidigung nötig. Gebraucht wird eine umfassende Gesamtstrategie und eine gesunde Portion Vorsicht, wenn nationale Kerninteressen gegen die allgemeinen Entwicklungsziele Chinas ausgespielt werden. Der diplomatische Ansatz ist keine Entweder-Oder-Frage zwischen vermeintlicher Weichheit und Härte.

Die Streitigkeiten über die territoriale Souveränität und die Seerechte sind kein Widerspruch zu Chinas Festhalten an einer friedlichen Entwicklung. Einerseits widersetzt sich China entschlossen jedem Verhalten, dass seine territoriale Souveränität und Seerechte beschädigt, andererseits arbeitet es aktiv an  einer Atmosphäre und Situation, die günstig für eine friedliche Lösung der Konflikte mittels Dialog und Beratung sind.

Chinas Reaktion auf die Streitigkeiten über die Huangyan-Inseln im Südchinesischen Meer und die Diaoyu-Inseln im Ostchinesischen Meer im Jahr 2012 kann als bemerkenswert beschrieben werden. Aus den anhaltenden Konflikten können wir schließen, dass China sich konstant an das Prinzip gehalten hat, Streit auf Eis zu legen und stattdessen auf gemeinsame Ressourcen zu setzen. Es hat dem friedlichen Dialog den Vorzug gegeben, aber trotzdem niemals die Androhung militärischer Gewalt gefürchtet.

Auch in der neuen Ära schreibt sich die chinesische Diplomatie eine friedliche Entwicklung und die Förderung der heimischen Entwicklung und Reformen auf die Fahnen. China wird weiter unbeirrbar einen friedlichen Weg gehen, seine wachsende Stärke ist eine solide Antriebskraft. Da Chinas Macht wächst, hat es auch mehr Möglichkeiten, seine wichtigsten Interessen zu wahren und Kriege zu verhindern. Das sollte nicht falsch interpretiert werden, Chinas Diplomatie wird nicht härter werden oder gar zu kriegerischem Verhalten tendieren.