23-01-2013
Im Focus
Hohe Mieten vertreiben Künstler
von Yuan Yuan

 

Wegen steigender Lebenshaltungskosten verlassen viele Künstler die Art Zones

 

 

 

Viel Raum für Kunst: Der Fotograf Deke Erh (r.) zeigt Besuchern sein Atelier in Shanghais Künstlerviertel Tianzifang. (Archivfoto 2004, CFP)

 

 

Neuer Zufluchtsort: Ein Mann spaziert an einer Galerie im Künstlerdorf Songzhuang im Beijinger Vorstadtbezirk Tongzhou vorbei. Wegen steigender Mieten haben tausende Künstler ihre Ateliers in die Vorstadt verlegt. CFP

 

"Ich bin gerade in ein neues Atelier gezogen. Es herrscht immer noch Chaos, aber ich bin glücklich", schreibt Deke Erh am 31. Dezember 2012 in seinen Mikroblog. Am Ende eines schlechten Jahres mischt sich allerdings auch etwas Bitterkeit in sein Glücksgefühl.

Zwei Monate zuvor sah sich der renommierte chinesische Fotograf, auch unter dem Namen Er Dongqiang bekannt, gezwungen, aus dem Shanghaier Künstlerviertel Tianzifang wegzuziehen, da er nicht mehr in der Lage war, seine Miete zu zahlen.

Erh beobachtete, wie sich das einstige Wohnviertel in eine Enklave für Kunst und Kunsthandwerk verwandelte. Er hatte sein Atelier dort schon, als das Künstlerviertel nach Restaurierungsarbeiten im Jahr 2000 noch in den Anfängen steckte. Mit dem sprunghaft gestiegenen Tourismus explodierten dann auch die Mieten.

Da sein Mietvertrag im vergangenen Herbst nicht verlängert wurde, forderte ihn die Stadtverwaltung von Tianzifang auf, noch vor Dezember auszuziehen. Erh glaubt, dass es für den Vermieter kein Problem sein wird, jemanden zu finden, der bereit ist, mehr Miete zu zahlen.

"Die Mieten in der Tianzifang Art Zone sind in den letzten Jahren permanent gestiegen, da es hier immer kommerzieller wurde", berichtete er der Beijinger Tageszeitung Global Times.

Erh (54) hat 30 Jahre lang die architektonische und kulturelle Entwicklung Shanghais in seinen Fotos dokumentiert. Das machte ihn berühmt. Die Schließung des Deke Erh Art Center ist daher nicht weniger als eine Tragödie.

Andere Stadt, ähnliche Szenen. Explodierende Mietpreise im 798 Art District in Bejing haben Xu Yong, einen für seine Hutong-Bilder gefeierten Fotografen in die Flucht geschlagen.

Den Räumungsbefehl erhielt er im vergangenen Oktober. Der Eigentümer habe die Miete 2012 um 250 Prozent erhöht, erklärte Xu gegenüber Youth Daily, wollte aber über die aktuelle Miethöhe für sein Atelier 798 Space keine Angaben machen. Mitarbeiter des Hauseigentümers verriegelten am 2. November 2012 die Türen zu seinem Atelier, genau einen Tag vor dem geplanten Start des alljährlichen Festivals des Europäischen Films.

Xu diskutierte und argumentierte eine Nacht lang mit dem Besitzer, um sein Atelier zumindest für einen Tag wieder öffnen zu können.

Der Hauseigentümer, die Beijing Sevenstar Electronics Co. Ltd., behielt allerdings das letzte Wort. Iam Datong, ein Mikroblogger des Unternehmens, veröffentlichte am 3. November, dass Xu wegen der Finanzkrise von 2008 von 2008 bis 2011 nur 16 Monate lang Miete zahlen musste.

Xu gab zu, dass er von dieser vorteilhaften Mietsituation profitiert habe, meint aber, dies verdient zu haben. „Mein Studio hat viel dazu beigetragen, Kunst und Kultur im 798 Art District zu fördern und ich habe dabei nicht viel Geld verdient", erklärte er der Global Times.

Nach dem Sevenstar das 798 Space gekauft hatte, wurde das Atelier für sechs Monate unter dem Namen Bauhaus Space als kultureller Veranstaltungsort wiedereröffnet. In dieser Zeit wollen beide Seiten noch einmal über eine neue Mietvereinbarung nachdenken.

"Ich hoffe, dass ich zurückziehen und den Raum wieder in mein altes Atelier verwandeln kann", sagt Xu.

Trotz Unterstützung durch Internet-User und Medien sind die Umzüge von Xu und Erh wohl nur die vorerst letzten bei einem regelrechten Exodus prominenter Künstler aus dem Künstlerviertel im Stadtzentrum. Viele ziehen jetzt in günstige Vororte.

Im Juli 2012 erhielt der Maler Chen Yifei, eine weitere Künstlergröße in Tianzifang, eine Vorladung vor Gericht, weil er sich nach dem Auslaufen seines Mietvertrags weigerte, aus seinem Atelier auszuziehen.

 

 

Verlorenes Paradies

Riesenattraktion: Das siebte "Affordable Art Beijing Festival" fand im Juni 2012 im 798 Space statt, dem Atelier des Fotografen Xu Yong im 798 Art District von Beijing. CFP

 

 

Ma Liang, ein Maler, der sich zum Auszug aus der Weihai Road 696, einem Künstlerviertel in Shanghai, gezwungen sah, arbeitet jetzt in einer Mietwohnung im Vorortbezirk Songjiang, obwohl er ein Atelier im Stadtzentrum vorziehen würde. „Es ist schwer für Künstler, sich ein Atelier in den Künstlerviertels im Zentrum zu leisten. Es gibt keine Unterstützung von den Behörden", sagt Ma.  

He Shouchang ist in Shanghai für die Förderung der Kultur und Kreativbranche zuständig. Er behauptet, dass es durchaus Unterstützung gebe, wenn Künstler den richtigen Ort für ihre Ateliers fänden. „Einige ehemalige Gewerbegebiete sind speziell für Künstler bestimmt und bieten Anreize für eine Niederlassung."

Trotz Hilfen von der Regierung sind die Immobilienpreise in Metropolen wie Beijing und Shanghai weiter nach oben geklettert, die Künstlerviertel bilden da keine Ausnahme.

Seit 2010 haben rund 30 Künstler wegen steigender Mieten den 798 Art District verlassen und sind in die Songzhuang Art Zone im Vorortbezirk Tongzhou gezogen.

„Der 798 Art District wäre ohne diese Künstler nicht so bekannt geworden", sagt Hong Feng, Leiter des Kunstförderverbandes der Songzhuang Art Zone. „Kunst lebt nur, wenn auch die Künstler bleiben. Sevenstar sollte die Mieten nur entsprechend der finanziellen Möglichkeiten der Künstler erhöhen."

Huang Rui war einer der ersten Künstler im 798 Art District und trug zum Ruhm des Viertels bei. Er ging schon viel früher wieder weg. Ende 2006 stellte der Eigentümer den Strom in Huangs Atelier ab, da dieser mehrere Monate lang keine Miete gezahlt hatte. 2007 hatte Huang genug und zog weg.

"Die Art Zone ist nur noch ein Markt", sagt Huang. Immobilienpreise hätten das kulturelle Geflecht wie eine Neutronenbombe dezimiert, die Künstler eliminiert und nur die Gebäude im Bauhaus-Stil stehen gelassen.

Da die Mieten steigen, können es sich nur wenige leisten, zu bleiben. „Geschäft ist Geschäft, es hilft alles nichts", sagt Huang. „Künstler müssen jetzt darauf achten, wie sie ihre Ateliers am Laufen halten und gutes Geld mit ihnen machen".

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