18-01-2013
Im Focus
Eine neue Ära für Chinas Diplomatie
von An Gang

 

China wird seine Außenpolitik auf die Veränderungen in der weltpolitischen Landschaft abstimmen

 

 

 

Bereit zum Anker lichten: Die „Haixun 21"ist Chinas erstes Hochsee-Patrouillenboot mit einem eigenen Hubschrauberlandeplatz. Das Boot soll im Südchinesischen Meer zum Einsatz kommen.

 

 

Der 18. Parteitag der KP Chinas, der im November die  Marschrichtung für Chinas künftige Politik vorgab, bekräftigte nochmals die Verpflichtung des Landes zu einer friedlichen Entwicklung. Dieses Prinzip wird eine der wichtigsten Leitlinien für Chinas Außenpolitik bleiben.  

Chinas gestiegenes Ansehen erfordert gleichzeitig eine Anpassung der diplomatischen Strategien an eine politisch veränderte Welt.

Dramatische Veränderungen und globale Herausforderungen werden das nächste Jahrzehnt prägen, da die weltweite Bedrohung durch Instabilität und Unsicherheit zunimmt. Die kommenden zehn Jahre werden auch eine ausschlaggebende Ära für Chinas Bestreben sein, eine Weltmacht mit positivem Image zu werden. Chinas Diplomatie braucht daher in vielerlei Hinsicht entscheidende Durchbrüche.

 

Kerninteressen wahren

Im September veröffentlichte die Regierung ein Weißbuch mit dem Titel "Chinas friedliche Entwicklung". Darin heißt es, dass China entschlossen sei, seine Kerninteressen aufrechtzuerhalten. Dazu zählen staatliche Souveränität, nationale Sicherheit, territoriale Integrität und die nationale Wiedervereinigung ebenso wie Chinas per Verfassung etabliertes politisches System, umfassende soziale Stabilität sowie die Absicherung  einer nachhaltigen wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung.

Chinas Kerninteressensind facettenreich und weitreichend. Mit der wachsenden Stärke des Landes müssen auch die diplomatischen Bemühungen zur Verteidigung   seiner Interessen zunehmen. Eine umfassende Strategie ist nötig sowie eine gesunde Portion Achtsamkeit, wenn Kerninteressen gegen übergreifende Entwicklungsziele Chinas ausgespielt werden. In Chinas Diplomatie geht es nicht um ein Entweder-Oder zwischen vermeintlicher „Nachgiebigkeit" oder ebensolcher „Härte".

Chinas Reaktionen auf die Streitigkeiten über die Huangyan-Insel und die Diaoyu-Inseln im Jahr 2012 könnte man in diesem Zusammenhang als bemerkenswert bezeichnen. Angesichts der Provokationen durch Japan und die Philippinen nutzte das Reich der Mitte eine Kombination aus diplomatischen Protesten, politischen Gesprächen, internationaler Rechtsprechung, öffentlicher Meinung und Durchsetzung gängigen Seerechts, um seine Hoheitsrechte über diese Gebiete zu wahren. China hat sich immer an das Prinzip gehalten, Streitigkeiten zugunsten einer gemeinsamen Ressourcenentwicklung ad acta zu legen, es bevorzugt einen friedlichen Dialog, fürchtet aber ebenso wenig militärische Drohungen.

 

Herzlichere Beziehungen zu den Nachbarn

Als asiatisches Land befindet sich China in einer bequemen Position, um seinen weltweiten Einfluss zu vergrößern. In jüngster Vergangenheit haben einige Nachbarländer allerdings ihre Sorge über Chinas Wachstum zum Ausdruck gebracht. Die USA haben außerdem die Möglichkeit genutzt, ihre Asien-Pazifik-Strategie zu korrigieren und dadurch Streitigkeiten in der Region provoziert.

Die neue Dynamik in der Region erfordert es, dass China seine Politik gegenüber seinen Nachbarn anpasst.

Dabei sollte es sich auf eine Vertiefung der wirtschaftlichen Beziehungen und der Zusammenarbeit in Sicherheitsfragen konzentrieren und dabei einen Mittelweg zwischen Wirtschafts- und Sicherheitsinteressen finden. China sollte in wirtschaftlicher Hinsicht mit seinen Nachbarn zusammenarbeiten, dabei Bündnisse in verschiedenen Industriebereichen - wie der Energieversorgung - eingehen, regionale Netzwerke verstärken, mehr Währungsswap-Geschäfte anstreben und Wohlstand sowie finanzielle Stabilität fördern. In Sicherheitsfragen sollte China mehr in traditionell-regionale und nicht-traditionelle Sicherheitskooperationen investieren. Es sollte eine entschlossene Haltung gegen jeden Versuch, regionalen Frieden und Stabilität zu gefährden, einnehmen, aktive Diplomatie an regionalen Krisenschauplätzen einsetzen und seinen Nachbarn mehr Hilfe in Sicherheitsangelegenheiten anbieten.

Zwar lassen sich Land- und Seestreitigkeiten manchmal nicht vermeiden, aber die Stabilität im Südchinesischen Meer dient in jedem Fall den Interessen aller Beteiligten. Einerseits widersetzt sich China entschlossen allen Handlungen, die seine Souveränität und Seerechte bedrohen, andererseits sollte es weiter daran arbeiten, eine friedliche Atmosphäre zur Beilegung der Konflikte durch Dialog und gemeinsame Entwicklung zu schaffen und zu erhalten. Die Erklärung über das Verhalten der Parteien im Südchinesischen Meer (DOC) ist seit mehr als zehn Jahren in Kraft. China sollte weitere Länder zur Zusammenarbeit anregen, um den Weg zu substantiellen Verhandlungen über einen Verhaltenskodex im Südchinesischen Meer  auf der Basis des DOC zu ebnen. Die gemeinsame Nutzung der Ressourcen des Südchinesischen Meers, wie Öl und Gas, Fischerei und Tourismus, dürfen nicht von der Tagesordnung verschwinden.

 

Zurückhaltende globale Präsenz

Da China sich schnell von einer regionalen zu einer Weltmacht entwickelt, sollte auch die Diplomatie dynamischer als traditionell üblich vorgehen. Entsprechende globale Strategien sollten auf jeden Fall auf tatsächlichen Fähigkeiten und nicht nur auf Absichten basieren. Jede strategische Planung, deren Ehrgeiz vorhandene Kompetenzen übersteigt, könnte zum Scheitern führen.

China hat bedeutenden Einfluss in Nordost-, Südost-, Süd- und Zentralasien. Mit der Ost-Asiatischen Kooperation und der Shanghaier Organisation zur Zusammenarbeit als tragenden Säulen hat China eine geopolitische Strategie mit ganz eigenem Charakter geschaffen, die künftig weiterentwickelt werden kann. 

Der 18. Parteitag formulierte zudem das klare Ziel, China als Seemacht aufzubauen, die eigenen Seerechte und -interessen entschlossen zu wahren. Eine Balance ist nötig, so dass seerechtliche Angelegenheiten nicht mit den Gesamtinteressen des Landes kollidieren. China wird auf lange Sicht ein Entwicklungsland bleiben, aber Interessensüberschneidungen mit den Industriestaaten nehmen zu. Angesichts seines besonderen Einflusses in der G20 und den BRICS-Schwellenländern könnte China bei der Interessenvertretung der Entwicklungsländer eine Führungsrolle spielen und bei Themen wie Klimawandel, nachhaltiger Entwicklung und internationaler Reform des Finanzsystems als geschickter Koordinator zwischen Industrie- und Entwicklungsländern auftreten. Seine einzigartige Position als Brücke zwischen Ost und West sowie Nord und Süd gibt China die Möglichkeit, sein Potenzial als Weltmacht zu zeigen.

China bleibt seiner Politik der Blockfreiheit treu, aber das bedeutet nicht, dass es Freundschaften mit anderen Ländern aus dem Weg geht. Chinas Blockfreiheit zeigt, dass man freundliche und kooperative Beziehungen mit anderen Ländern fördern will, das Prinzip gegenseitigen Respekts achtet, Zurückhaltung bei der Einmischung in die inneren Angelegenheiten des anderen übt, einen Konsens aufbaut, sich gegenseitig als gleichberechtigt behandelt und Ergebnisse anstrebt, von denen beide Seiten profitieren.

China ruft ebenso dazu auf, universelle Werte wie Frieden, Demokratie und das Wohlergehen der Völker zu verteidigen. Man ist der Ansicht, dass sich Länder bei Angelegenheiten, bei denen sie gleicher Meinung sind, helfen und Streitigkeiten - wie unter echten Freunden üblich - direkt lösen sollen.

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