Illegale Wachstumshormone beunruhigen Chinas Lebensmittelindustrie

Burger-Mogul mit Problemen: Eine Kentucky-Fried-Chicken-Filiale in Shanghai. (CFP)
Ein neuer Lebensmittelskandal sorgt für Unruhe in China: Geflügelzüchter in der Provinz Shandong haben ihre Hühner mit großen Mengen wachstumsfördernder Mittel gefüttert, das Fleisch wurde dann an Fastfood-Giganten wie Kentucky Fried Chicken (KFC) geliefert. Im Land wachsen die Sorge um die Lebensmittelsicherheit und das Fehlen von harten Strafen bei Gesetzesverstößen.
Die chinesische Öffentlichkeit ist bereits an Lebensmittel- und Arzneimittelskandale wie vergiftete Milch, Speiseöl aus Abfällen, giftige Medikamente und explodierende Wassermelonen gewöhnt. Diese Vorfälle haben die Glaubwürdigkeit der Lebensmittelhersteller im Land beschädigt und zerren an den Nerven der Verbraucher.
Nach dem neuen Hühnerfleischskandal stellen immer mehr chinesische Verbraucher die Glaubwürdigkeit der Geflügelzüchter in Frage. Regierungsbeamte haben zugesichert, die Geflügelzucht stärker zu überwachen. Möglicherweise wird die Branche auch umstrukturiert, da die Preise für unbelastetes Hühnerfleisch aus der Region in die Höhe schnellen.
Hühnchen vollgepumpt mit Medikamenten
Am 18. Dezember berichtete das chinesische Staatsfernsehen CCTV über Hühnerzüchter in Shangdong, die ihre Tiere täglich mit Antibiotika und Hormonen füttern, um Todesfälle zu reduzieren und das Wachstum zu beschleunigen.
Hormone, Antibiotika und Medikamente gegen Virusinfektionen wurden allesamt eingesetzt, um die fehlende Hygiene in den Legebatterien auszugleichen, hieß es in dem Fernsehbericht.
Der Besitzer eines Hühnerhofs erklärte, er verabreiche seinen Hühnern mindestens 18 Sorten Antibiotika. In nur 40 Tagen steige das Gewicht der Tiere um drei Kilo.
Erschwerend kommt hinzu, dass die Hühner außerdem Medikamente erhielten, die von der staatlichen Lebensmittel- und Arzneimittelkontrolle (SFDA) verboten sind.
Dem Bericht zufolge bekamen die Hühner teilweise noch bis zu zwei Tage vor der Schlachtung Antibiotika. Laut Chinas Geflügelzuchtverordnung dürfen sie aber mindestens eine Woche vor der Schlachtung keine Medikamente mehr erhalten, damit bei Verzehr keine Schadstoffe mehr im Körper vorhanden sind.
Zwei Hühnerzüchter in Gaomi und Pingdu, (beides in der Provinz Shandong) verkauften Hühner an einen zur Liuhe Group gehörenden Schlachthof in Pingdu. Liuhe wiederum lieferte Hühner an den Restaurant-Betreiber Yum Brands in Shanghai, der unter anderem Eigentümer der KFC-Kette ist. Yum lieferte die Hühner dann an die Fastfood-Restaurants, so der Bericht.
Zur Liuhe Group gehörende Firmen erstellten demnach außerdem Fütterungsprotokolle und Quarantänebescheide, ohne irgendwelche Tests durchzuführen.
Am 21. Dezember führte die Shanghaier Food and Drug Administration eine Lebensmittelkontrolle in KFC-Filialen durch. Es stellte sich heraus, dass eine von 32 Proben, die aus acht Chargen Yum-Hühnerfleisch entnommen wurden, möglicherweise mit dem Medikament Amantadine belastet ist. Das Medikament zur Bekämpfung von Virusinfektionen ist in Lebensmitteln verboten.
Die Shanghaier Food and Drug Administration forderte daraufhin Yum auf, betroffene Produkte aus den KFC-Filialen zurückzurufen und veranlasste eine Überprüfung aller Fastfood-Restaurants der Stadt.
Yum Brands Inc., die größte Restaurantkette der Welt, soll schon seit 2010 von den Antibiotika im Hühnerfleisch gewusst haben. Für eine Stellungnahme war das Unternehmen für die Beijing Review nicht zu erreichen.
McDonald's und die japanische Fastfood-Kette Yoshinoya waren ebenso in den Hühnerfleischskandal verwickelt. Am 23. Dezember deckte das Veterinäramt von Beijing auf, dass Hühner der Liuhe Group an 23 Restaurants und Lebensmittelunternehmen gingen, darunter auch Yoshinoya. Einige Hühnerfleischgerichte sind seitdem von den Speisekarten der Beijinger Filialen verwunden, berichtete die Nachrichtenagentur Xinhua.
Am 26. Dezember gab McDonald zu, dass die Liuhe Group ein zweitrangiger Hühnerfleischlieferant gewesen sei. Man habe die Verwendung seiner Produkte seit dem 18. Dezember eingestellt.
Bi Meijia, Sprecher des Landwirtschaftsministeriums, erklärte am 25. Dezember auf einer Pressekonferenz, dass betroffene Geflügelzüchter und Geflügel verarbeitende Betriebe geschlossen worden seien und gegenwärtig untersucht würden. Das Ministerium habe eine Expertengruppe nach Shandong geschickt, um die Angelegenheit zu prüfen.
In der Zukunft werden wir die Geflügelaufzucht stärker kontrollieren und unsere Bemühungen verstärken, Betriebe, die exzessive Mengen an Antibiotika und Tierarzneimitteln verfüttern, zu bestrafen", sagte er.
Nach dem Hühnerfleisch-Skandal machen sich in Chinas Geflügelzuchtindustrie Veränderungen bemerkbar.
Hühner, die in natürlicher Umgebung aufwachsen, gelten als nahrhafter. Der Skandal hat die Nachfrage nach unbelasteten Hühnern aus der Region gesteigert und wird wahrscheinlich dramatische Veränderungen in Chinas Geflügelzucht herbeiführen, so ein Bericht der Chinese Business Times, einer Tagezeitung aus Beijing.
Der Kilopreis für unbelastetes Hühnerfleisch aus der Region ist kürzlich auf 21 Yuan (2,58 Euro) gestiegen, Vorher lag der Standardpreis jahrelang bei 14 bis 15 Yuan (1,78 bis 1,84 Euro), so die Chinese Business Times.
Das Hühnerfleisch auf dem chinesischen Markt stammt von drei Hühnerarten: Hühner mit weißem Gefieder (so genannte Leghorn-Hühner), auch „Fertig-Hühner" genannt, da ihre Wachstumsphase nur rund 45 Tage dauert.
China importierte diese Rasse seit den 1980er Jahren aus dem Ausland und ist nun selbst einer der drei größten Produzenten, da die Art immer populärer wurde. Diese Hühner machen mehr als die Hälfte am chinesischen Markt und mehr als 90 Prozent am US-Hühnerfleischmarkt aus.
Die zweite Hühnerart ist eine Mischung aus dem weißen Huhn und einer einheimischen Rasse, sie macht knapp 30 Prozent am Markt aus. Ihre Wachstumsphase liegt bei 60 bis 90 Tagen.
Bei dem dritten Hühnertyp handelt es sich um eine traditionelle einheimische Rasse, die mehr als 180 Tage braucht, bis sie ausgewachsen ist.
Landwirte mussten die weißen Hühner nach bestimmten Vorschriften aufziehen, erklärte Shu Congxuan, Chef der Geflügelzüchtervereinigung Hefei, gegenüber der China Times, einer Finanzzeitschrift in Beijing.
"Wegen ihrer kürzeren Wachstumszeit sind diese Hühner anfälliger für Krankheiten. Züchter müssen sie also mit Antibiotika füttern, um sie gesund zu halten. Die Menge ist allerdings gesetzlich streng reglementiert und sieben Tage vor der Schlachtung sind Antibiotika komplett verboten", erklärte er.
Einige Bauern züchten immer mehr Hühner, ohne die Ställe entsprechend zu vergrößern. Viele Tiere drängen sich zu kleinem Raum auf, die Anfälligkeit für Infektionen steigt. Als Gegenmaßnahme verfüttern Züchter täglich Antibiotika.
"Die Unbedenklichkeit von Hühnerfleisch ist ein strukturelle Angelegenheit, die sich über die gesamte Industriekette erstreckt, einschließlich Zucht, Futterproduktion, Schlachthof und Transport", sagt Gong Guifen, stellvertretender Generalsekretär der chinesischen Geflügelzüchtervereinigung, gegenüber der China Times.
„Der Missbrauch von Antibiotika ist schädlich für den Verbraucher, denn Medikamentenrückstände bleiben im Hühnerfleisch. Gibt es einmal einen größeren Lebensmittelskandal, sind gleich alle Firmen der Branche mitbetroffen."
Nach dem CCTV-Bericht sank der Kilopreis für weiße Hühner am 21. Dezember auf 7 Yuan (0,79 Euro). In den Monaten zuvor lag er bei 9,8 Yuan (1,20 Euro), so die Chinese Business Times.
Gemeinsame Kontrollen nötig
Von der Hühnerfarm bis hin zum Ende auf dem Essenstisch -- bei der Produktion von Hühnerfleisch sind mehrere Ministerien involviert, einschließlich Landwirtschafts-, Verkehrs-, Handels- und Gesundheitsministerium sowie die staatliche Lebensmittel- und Arzneimittelkontrolle (SFDA).
Die SFDA glaubt, dass der exzessive Gebrauch von Antibiotika eine Angelegenheit des Landwirtschaftsministeriums sei. Das wiederum behauptet, dass die Verantwortlichkeiten alleine im Produktionsprozess zu finden seien und es Sache der anderen Ministerien sei, Regulierungen für den Antibiotikamissbrauch zu finden, schreibt die Nanfang Daily.
Es werde zur Regel, mit dem Finger auf andere zu zeigen, und es sei unerlässlich, dass die Verantwortlichkeiten jedes Ministeriums klar umrissen werden, wenn es um die Lebensmittelsicherheit gehe, so der Bericht.
Der Hühnerfleischskandal zeige die Schwächen der Marktwirtschaft, erklärte Mei Xinyu, Forscher im Professorsrang der Chinesischen Akademie für Internationalen Handel und Wirtschaftliche Zusammenarbeit.
"In einer Marktwirtschaft streben Unternehmen nach Gewinn, was den Missbrauch der Antibiotika in der Geflügelzucht erklärt", so Mei. "Wenn der Markt versagt, sollten die Regierung oder andere Vermittlungsorgane einspringen und eine strengst mögliche Kontrolle über die Unternehmen ausüben."
Als man in den USA im Juni 2010 herausfand, dass die Becher von McDonald's große Mengen an Cadmium enthielten, rief das Unternehmen sofort 12 Millionen Exemplare zurück und entschuldigte sich öffentlich.
Wenn sich in China ein ähnlicher Skandal in der Fast-Food-Industrie ereignet, tritt keine Firma vor und entschuldigt sich in der Öffentlichkeit. Die Strafen für Gesetzesverstöße sind geringfügig. Nach Angaben der Lebensmittelrückrufverordnung muss KFC lediglich eine Geldstrafe von 30.000 Yuan (3694 Dollar) zahlen.
Email an: zhouxiaoyan@bjreview.com
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