24-10-2012
Im Focus
"Die Menschen Chinas haben sich stark verändert"
von Micheal Zárate

Der ehemalige peruanische Präsident mit Micheal Zárate

Er selbst bezeichnet sich als Anhänger Deng Xiaopings. Zweimal (1985-1990 und 2006-2011) regierte Alan García Perez Peru. In seiner zweiten fünfjährigen Amtszeit konsolidierte das südamerikanische Land sein Wirtschaftswachstum – was unter anderem dazu führte, dass sich das Handelsvolumen zwischen Peru und China fast verdreifachte. Die Volksrepublik stieg während der Amtszeit Garcias zum stärksten Handelspartner Perus auf und verdrängte damit die Vereinigten Staaten. Am 7. Juli dieses Jahres reiste García nun nach Beijing, um im Rahmen des von der Tsinghua-Universität organisierten Weltfriedensforums einen Vortrag zu halten. China Heute nutzte diese Gelegenheit, um ihn zu seinen Erfahrungen zu befragen.

 

„Es bildet sich eine neue Art von Menschen. Das ist eine Revolution."

China Heute: Präsident García, im Jahr 1989 hinterließen der Fall der Berliner Mauer und der Zusammenbruch der Sowjetunion eine scheinbar unipolare Welt. 2001 führte der Anschlag auf die Zwillingstürme zu einem „Kampf der Kulturen". Seit 2008 schließlich herrscht die Finanzkrise als das Sinnbild einer Ära der wirtschaftlichen Abhängigkeit. Wie sehen Sie diesen Zeitabschnitt, der ja auch durch den Aufstieg von Ländern wie etwa China geprägt wurde und wird?

Alan García Perez : Ich glaube, man wird diese Zeit als eine in Erinnerung behalten, in der sich ein neues Kapitel in der Produktion auftat und in der die Nutzung einer völlig neuen Energie angestoßen wurde – die Nutzung von Informationen. Wenn neue Risiken entstehen, sind es nun Informationen und nicht die fossilen Brennstoffe, die am ehesten als deren Auslöser und treibende Kraft in Frage kommen. Der Fall der Berliner Mauer und die angebliche Unipolarität stellten wiederum nichts anderes dar, als die Konsolidierung eines einheitlichen Marktes. Zuletzt wurde dieser Einheitsmarkt durch den Fall der – lassen Sie es mich so sagen – „islamischen Mauer" erweitert, durch den Wandel in vielen arabischen Ländern. Mit sich bringt diese Konsolidierung und Erweiterung eine Geschwindigkeit, eine Hyperaktivität und den Umgang mit gigantischen Kräften, für die wir heute noch nicht bereit sind, nicht einmal die jungen Menschen, wie es die Hypothekenkrise aus den Jahren 2008 und 2009 zeigt.

 

Sie haben China bereits acht Mal besucht. Welche Veränderungen haben Sie am meisten beeindruckt?

Wenn ich als Politiker reise, dann sind es nicht so sehr die Gebäude und Straßen, die ich betrachte, es sind vielmehr die Menschen – was sagen ihre Augen, wie kleiden sie sich, was essen sie, wie bewegen sie sich. Zwischen den Menschen von vor dreißig Jahren und den Menschen des heutigen China gibt es einen immensen Unterschied. Nach dem, was ich oberflächlich erfahren habe, bin ich überzeugt, dass ein gewaltiger Wandel in ihrer Haltung dahingehend stattgefunden hat, wie zufrieden sie mit dem Leben sind. Außerdem – und das liegt daran, dass ein Politiker weder Volk noch Grenzen kennt – freut es mich ungemein, dass sich die Jugendlichen hier mit der gleichen Zwanglosigkeit kleiden, wie es die westlichen Jugendlichen tun, und dass sie alle Ausländer wie ihresgleichen behandeln, ohne die Zurückhaltung und Furcht, die noch vor 30 Jahren zu spüren waren. Es bildet sich also eine neue Art von Menschen. Das ist eine Revolution. Und das beeindruckt mich am meisten.

 

„Es wird viel einfacher sein, das bilaterale Handelsvolumen nochmals zu verdoppeln"

Während Ihrer zweiten Amtszeit wurde das Handelsvolumen zwischen Peru und China fast verdreifacht, noch dazu mit einem Überschuss zugunsten Ihres Landes. Nicht zuletzt ist China inzwischen auch der  größte Handelspartner Perus. Wie kam es zu diesem Wandel?

Zunächst einmal möchte ich betonen, wie notwendig es war, Peru weiter zu öffnen. Mein Land unterlief zwar schon einem Öffnungsprozess hin zum Weltmarkt, war jedoch in Bezug auf Zölle oder andere Importhindernisse immer noch sehr vorsichtig. Die peruanische Regierung senkte schließlich die Zölle von durchschnittlich 13 Prozent auf drei Prozent, 86 Prozent der Importwaren werden nun ohne jegliche Verzollung eingeführt. Dazu kommen die internationalen Verträge, wie etwa das Freihandelsabkommen mit China. Auch in China gibt es diesbezüglich eine aktive Politik. Wir vergessen aber auch nie, dass China über eine zentrale politische Steuerung verfügt, mit der man in allen möglichen Belangen zusammenarbeiten muss.

China verfügt über eine jahrtausendelange Tradition der zentralen Steuerung und dieses System ist zurzeit auch durchaus vorteilhaft. So bietet China nämlich bessere Geschäftsbedingungen für Freihandelsabkommen als der ungeordnete Kapitalismus – denn auf der einen Seite gibt es einen geordneten und geplanten Kapitalismus und auf der anderen Seite einen ungeordneten Kapitalismus, der sich „demokratisch" nennt, der aber erheblich schwieriger handzuhaben ist. Da kann man dann mit dem Präsidenten eines großen Landes sprechen, aber der kann nicht einmal die kleinste Firma aufgrund dieses Gespräches zwischen Präsidenten dazu bewegen, etwas zu investieren. In China ist das anders. China verfügt über eine langfristige Planung, welche nicht allein von der führenden Gruppe festgelegt wird, sondern welche von der Realität förmlich auferlegt wird.

 

Das Freihandelsabkommen zwischen China und Peru trat am 1. März 2010 in Kraft, also während Ihrer Amtszeit als Präsident. Welche Bilanz würden Sie ziehen?

Es wird Stück für Stück besser. Noch vor dem Freihandelsabkommen unterhielten wir mit China eine strategische Partnerschaft und diese Art der Zusammenarbeit war bereits ein Zeichen zum Aufbruch, sowohl für die großen Staatsbetriebe als auch für die privaten chinesischen Unternehmen, sich in unserem Land zu positionieren, da auch ein Freihandelsabkommen seit 2008 in Aussicht stand. Weil dies vorhersehbar war, wurde auch das wirtschaftliche Handeln vorhersehbarer und begann erste Früchte zu tragen. Das war auch der Grund dafür, dass das Handelsvolumen Perus Anfang 2005 noch bei vier Milliarden Dollar lag – und inzwischen fast 12 Milliarden Dollar beträgt. Ich bin überzeugt, dass dies auch eine steigende Geschwindigkeit anzeigt. Wenn wir in den nächsten Jahren eine Verdoppelung des Handelsvolumens erreichen, wird dies mit einer größeren Leichtigkeit geschehen, als die Verdreifachung, die bereits hinter uns liegt.

 

„China behandelt alle Länder gleich"

Ein Dilemma tut sich in der heutigen Welt vermehrt zwischen der nationalen Souveränität und der internationalen Sicherheit auf. Wir haben es in Libyen gesehen und sehen es zurzeit auch in Syrien. Wie beurteilen Sie in diesem Kontext den Beitrag Chinas zur Wahrung des Weltfriedens?

Eine Sache, die mich immer wieder beeindruckt, ist, dass ich am Anfang meines politischen Lebens dachte, dass die sogenannte Zurückhaltung im Umgang mit anderen Völkern nur eine Worthülse oder Erklärung der chinesischen Regierung sei. Aber es stellte sich heraus, dass es sich dabei tatsächlich um eine Überzeugung der chinesischen Regierung und des chinesischen Volkes handelt. Dies ist tief verwurzelt in dem, was ich das konfuzianisch geprägte Gedankengut nenne. Dass man auch kleinen Ländern aus Lateinamerika oder auch den Fidschi-Inseln – die mit allen Würden empfangen und behandelt werden, als seien sie eine Großmacht – einen gleichwertigen Rang einräumt, zeigt Respekt – einen der Grundsätze des Konfuzius, welcher aber auf diese Weise in anderen Kulturen nicht praktiziert wird. In den anderen Kulturen kommt es dann vielmehr darauf an, welche Größe das Land hat, wie wohlhabend es ist und wie viele Bomben es auf Lager hat. Als ich mit 33 Jahren mit dem Präsidenten der Volksrepublik China zu Abend gegessen habe, war ich gerade einmal Parteichef eines kleinen Landes am anderen Ende der Welt. Seitdem habe ich immer wieder erfahren, dass die Idee von Respekt und Harmonie zwischen den Menschen in China wirklich vorherrscht.

Ich unterhielt mich kurz mit dem Außenminister Chinas darüber, dass ebenso wenig wie die Wirtschaft, auch die Sicherheitsprobleme keine Grenzen kennen. Natürlich kann man sich nicht in die inneren Angelegenheiten eines anderen Landes einmischen, aber manchmal können sich im Inneren eines Landes Entwicklungen zutragen, wie etwa die Herstellung einer Atombombe. Dies hat dann die Folge, dass die eigene Bevölkerung des Landes geschädigt wird oder sogar mein eigenes Land. In so einem Fall glaube ich aber schon, dass man bestimmte Regeln an das Konzept einer Eindämmung von nuklearen Waffen anpassen muss.