Das von der EU eingeleitete Anti-Dumping-Verfahren wirft einen dunklen Schatten auf Chinas Photovoltaik Industrie
Ein Arbeiter prüft Siliconinguts in der Yingli Green Energy Holding Co. Ltd. , in Hainan in der südchinesischen Provinz Hainan.
Solarpanels sind überall in der Fabrikgelände in der Yingli Green Energy Holding Co. Ltd. in Baoding, Provinz Hebei, zu sehen.
Wer sich in den neuen Stadtteil von Baoding in der nordchinesischen Provinz Hebei begibt, wird unweigerlich in den Bann eines großen Gebäudes aus mazarin-blauen Glaswänden gezogen, auf denen ein geheimnisvoller Glanz liegt. Es handelt sich um das Power Valley Jinjiang International Hotel -- das Wahrzeichen von Baodings High-Tech Industrial Development Zone. Erbaut wurde es von Yingli, einem Vorreiter und Top-Player in der Photovoltaik Branche.
Das Geschäft mit der Sonnenenergie gerät in China jedoch zunehmend unter Druck, seit die EU-Kommission am 6. September Anti-Dumping-Untersuchungen gegen chinesische Hersteller von Sonnenkollektoren und Schlüsselkomponenten eingeleitet hat. Den Anlass lieferte die Beschwerde einer Gruppe europäischer Solarfirmen.
Yingli zufolge ist der Verdacht "völlig unbegründet". Dennoch sollte sich das Unternehmen laut Liang Tian, dem Leiter für Öffentlichkeitsarbeit bei Yingli, gegenüber der EU-Kommission kooperativ zeigen und zugleich sein Geschäftsmodell umwandeln. Yingli werde von der bloßen Herstellung von PV-Modulen zu Design, Entwicklung und dem Betrieb von Solarkraftwerken übergehen und Finanzleasing-Dienstleistungen sowie Lösungen für solare Energiegewinnung anbieten. Außerdem wolle man die eigenen Marketingkompetenzen ausbauen und mit anderen Unternehmen zusammenarbeiten.
Es ist nicht das erste Mal, dass die chinesische Solarindustrie auf eine Handelsbarriere stößt. 2011 leitete das amerikanische Handelsministerium eine Anti-Dumping- und Ausgleichszolluntersuchung gegen chinesische Solarprodukte ein. Im Mai diesen Jahres beschlossen die Vereinigten Staaten, Zölle zwischen 31,14 Prozent und 249,96 Prozent auf PV-Produkte aus China. Der US-Markt ist seither für chinesische Solarzellen-Hersteller keine Option.
"Ungefähr siebzig Prozent der in China hergestellten Sonnenkollektoren und Schlüsselkomponenten werden jährlich in die EU exportiert", so Liang. „Wir stehen somit vor der Frage, ob Chinas Photovoltaikindustrie überleben kann, oder nicht."
Reaktionen
Am 6. September teilte die EU mit, dass sie über mögliche Strafen entscheiden werde, sollten die Ermittlungen ergeben, dass chinesische Hersteller Preis-Dumping betreiben. In einer Reaktion des chinesischen Handelsministeriums hieß es, man „bedauere das Vorgehen der EU zutiefst".
Am 11. September entsandte die chinesische Regierung eine Delegation mit dem stellvertretenden Handelsverhandlungsrepräsentanten Chong Quan an der Spitze, die mit einschlägigen Regierungsabteilungen in Deutschland, Frankreich und der EU- Kommission zusammentraf.
Bei Verhandlungen mit Jean-Luc Demarty, dem Generaldirektor für Handel der EU-Kommission, sagte Chong, dass in Zeiten der globalen Konjunkturabschwächung „beide Seiten als Verlierer dastehen würden, falls es zu einem Handelskrieg käme."
Fakt ist, dass europäische Unternehmen, die bereits einen 50-Prozent-Anteil am chinesischen Siliziummarkt haben, nun beide Enden der Produktionskette in der PV-Industrie kontrollieren: Rohstoffe, Fertigungseinrichtungen und die Installation von Photovoltaikanlagen. China hingegen dominiert den mittleren Teil der Kette, nämlich die Produktion von Solarzellen.
Chong argumentiert, dass die EU ihre Aufmerksamkeit nicht nur auf handelspolitische Fragen richten sollte, sondern auch die über 200 000 Jobs im Bereich der Installation von PV-Anlagen im Auge behalten sollte.
Auf dem 15. EU-China-Gipfel, der am 20. September in Brüssel stattfand, hielt Ministerpräsident Wen Jiabao die EU dazu an, Chinas Status als Marktwirtschaft anzuerkennen und brachte seine Hoffnung zum Ausdruck, dass der Streit durch Gespräche beigelegt werden könne.
Die Kraft der Sonne
Angesichts der niedrigen Lohnkosten in China scheint es unvernünftig, chinesische Hersteller zu bestrafen. Überdies ermöglichen niedrige Preise für Sonnenkollektoren nachgeschalteten Unternehmen ihre Kosten zu reduzieren, wodurch Solarenergie preiswerter wird. Aus diesem Grund ersuchte die Association for Applied Solar Energy die EU-Kommission, den freien Handel aufrechtzuerhalten, um Arbeitsplätze zu sichern und das Wachstum der Industrie zu fördern.
Zwei verhängnisvolle Schwächen machen Chinas Photovoltaikindustrie gegenüber externen Faktoren verwundbar. Zum einen werden fast neunzig Prozent der Produkte exportiert. Eine derart übergroße Abhängigkeit birgt viele Gefahren. Außerdem sollten chinesische Unternehmen der Entwicklung von Schlüsseltechnologien Priorität einräumen, anstatt weiterhin nur der Produzent günstiger Solar-Module zu sein. Derzeit dominieren Länder wie die USA, Norwegen, Deutschland und Japan den Bereich der Schlüsseltechnologien zur Reinigung von polykristallinem Silizium und der Erzeugung von PV-Anlagen.
„Solarenergie wird bald eine unverzichtbare Energieressource sein. Möglicherweise wird sie auch der Motor einer dritten industrielle Revolution sein", sagt Liang. „China ist gerade dabei, eine marktbeherrschende Stellung in der globalen PV-Industrie einzunehmen. Doch das Anti-Dumping Verfahren der EU könnte die Hoffnungen auf eine vielversprechende Zukunft zu Nichte machen." |