14-09-2012
Im Focus
Der sechste China-Besuch Merkels als wegweisende Investition in die Zukunft
von Meng Hong

 

Zur Förderung der kontinuierlichen Entwicklung der bilateralen Wirtschaftszusammenarbeit soll nach den gerade abgeschlossenen Regierungskonsultationen ein beratender Ausschuss der deutschen und chinesischen Wirtschaft eingerichtet werden. Ferner wurden die weitergehende Förderung der gegenseitigen Investitionen und des partnerschaftlichen Handelns im Bereich Umweltschutz sowie die strategische Partnerschaft in Bezug auf erneuerbare Energien vereinbart. Das Hauptaugenmerk der zweiten Regierungskonsultationen lag auf die Zusammenarbeit in den Bereichen Automobilindustrie, Agrarwirtschaft, Umwelt- und Klimaschutz, Biotechnologie, Gesundheitswesen und Katastrophenmedizin, Meeres- und Geoforschung.  Seit der chinesischen Reform- und Öffnungspolitik Ende der 1970er Jahre gilt Deutschland als eines der bedeutendsten Vorbilder für die Modernisierung Chinas in den Bereichen Industrie und Wissenschaft. Obwohl die technische und finanzielle Hilfe Deutschlands für das Reich der Mitte 2009 eingestellt wurde, bleiben die innovativen Impulse deutscher Unternehmen sowie die vielfältigen Erfahrungen Deutschlands hinsichtlich Urbanisierung, Industrialisierung und Modernisierung für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung Chinas nach wie vor von großer Bedeutung.

Gemeinsames Handeln als wesentliche Triebkraft für die Rettung der Schuldenstaaten

Während Merkels Chinareise zum Beginn des chinesischen Jahres des Drachens als „Vertrauensreise" und „Werbereise für den Euro" bezeichnet wurde, dient der diesmalige Chinabesuch insbesondere der Suche nach neuen Wegen für die Rettung der Schuldenstaaten in der Eurozone. 

Historisch gesehen ist die Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland eng mit der europäischen Integration verbunden. Sowohl die im Jahre 1951 gegründete europäische Gemeinschaft für Kohle und Metall (Montanunion) als auch die im Jahre 1957 ins Leben gerufende Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) verdankten sich vor allem den gemeinsamen Bemühungen der Bundesrepublik und Frankreichs. Für die junge Republik war es eine Existenzfrage, sich nach dem Zweiten Weltkrieg und der Teilung des Landes in die demokratische Gemeinschaft der westlichen Welt zu integrieren und von dieser anerkannt zu werden. Sowohl der Gründungskanzler Konrad Adenauer als auch Willy Brandt und seine Nachfolger Helmut Schmidt und Helmut Kohl setzten sich daher intensiv für die Stärkung und Einigung Europas ein. Brandts „Ostpolitik" trug wesentlich zur friedlichen Koexistenz der beiden deutschen Staaten und schließlich zur Auflösung des Ostblocks und zur Wiedervereinigung Deutschlands bei. Zugunsten der wirtschaftlichen Entwicklung in Westeuropa führte Schmidt zusammen mit dem französischen Staatspräsidenten das Europäische Währungssystem  und die Europäische Währungssicherheit (ECU) ein, aus denen später die Europäische Wirtschafts- und Währungsunionund der Euro hervorgingen. Der „Kanzler der Wiedervereinigung" Helmut Kohl förderte ferner die Unterzeichnung des Maastricht-Vertrags und damit den Übergang von der europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zu einer Wirtschaftsunion. Sein Nachfolger Gerhard Schröder setzte zwar vor dem Hintergrund der bisherigen Sonderrolle Deutschlands als Wirtschaftsgroßmacht und „politischer Zwerg" eine neue interessenorientierte Außen- und Europapolitik seines Landes auf die Agenda. Er förderte aber zugleich die Reform der EU-Institutionen. Als Merkel 2005 ihre Kanzlerschaft antrat, schlug sie keinen deutschen „Sonderweg" ein, sondern setzte die bisherige Europapolitik ihrer Vorgänger fort. Gleichzeitig legte sie durch den Lissabon-Vertrag besonders großen Wert auf die Vertiefung der europäischen Integration und stellte die Europapolitik auf die gleiche Ebene wie die Innen- und Außenpolitik.

Obwohl die europäische Schuldenkrise schon drei Jahre andauert, beharrt Merkel darauf, das am schwersten betroffene Griechenland nicht aus der Eurozone zu verabschieden, denn dies würde wohl das Ende des Euro und somit auch das Ende des gegenwärtigen EU-Modells einläuten. Zugleich besteht sie unbeirrbar auf einen Sparkurs der Mitgliedsländer und strebt eine tiefgreifende Reform der Schuldenstaaten an. Nach der Wahl in Frankreich versuchte Merkel zusammen mit dem neuen Präsidenten François Hollande auf dem EU-Gipfel Ende Juni neue Rettungsmaßnahmen zu verabschieden. Bisher hat Deutschland bereits zweimal große Geldmengen zur Rettung der gemeinsamen Währung zur Verfügung gestellt. Am 12. September 2012 wird das Bundesverfassungsgericht über die Rechtmäßigkeit des Europäischen Fiskalpakts und somit zugleich über das Schicksal des ESM entscheiden, indem es prüft, ob die beiden Vertragswerke mit dem deutschen Grundgesetz vereinbar sind. Obwohl Merkels bisherige Rettungsmaßnahmen von der Mehrheit des Bundestags unterstützt wurden, ist kaum zu erwarten, dass weitere Rettungsvorschläge, die mit Zahlungen  verbunden sind, Zustimmung im Bundestag finden werden. Sowohl innerhalb der CDU/CSU und FDP als auch in der SPD gibt es eine starke Stimmung gegen ein „Fass ohne Boden". Die SPD hat zudem eine grundsätzliche Korrektur von Merkels Rettungsstrategie gefordert, wonach alle Länder der Eurozone ihr Haushaltsrecht einer EU-Insitution übertragen und gemeinsam das Risiko zur Rettung der Schuldenstaaten übernehmen sollten, um so die Grundlage für die künftige politische Union der siebzehn Länder der Eurozone zu schaffen.

Vor diesem Hintergrund war Merkels China-Reise von schwierigen Aufgaben begleitet. Die deutsche Regierungschefin versuchte abermals die chinesische Seite von der Kontinuität der Eurozone zu überzeugen und für weitere Investitionen Chinas in die Euroländer sowie den Ankauf von Anleihen der Schuldenstaaten zu werben. Zudem bemühte sie sich gemeinsam mit Ministerpräsident Wen um eine Lösung des Handelsstreits, der über die wettbewerbsverzerrende Subvention der Solarindustrie ausgebrochen ist, die China von deutschen Firmen vorgeworfen wird.

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