01-08-2012
Im Focus
China erstickt im Elektroschrott
von Lan Xinzhen

Neue Bestimmungen sollen dabei helfen, das ausufernde Entsorgungsproblem von Elektroschrott in den Griff zu bekommen

 Müll soweit das Auge reicht: Mit den primitivsten Hilfsmitteln werden elektronische Bauteile in Guiyu in der südchinesischen Provinz Guangdong auseinandergenommen.

Auf Pritschendreirädern und in altersschwachen kleinen Transportern streift der Beijinger Zhang Feiyu durch die Straßen der chinesischen Hauptstadt auf der Suche nach einer Auswahl an wertvollen Metallen aus Elektrogeräten. Rund um die Uhr durchwühlen Zhang (32) und sein Trupp von Schatzjägern den Müll und sammeln das, was ihnen den höchsten Gewinn bringt: gebrauchte und kaputte Elektrogeräte, auch bekannt als Elektronikschrott.

Von Computern und Handys bis hin zu Fernsehern, Kühlschränken und Waschmaschinen haben diese ausrangierten Elektrogeräte es Zhang und ähnlichen Kleinstunternehmern ermöglicht, sich das aufkeimende, meist noch unbekannte Geschäft mit der Entsorgung von Elektroschrott zu erschließen.

Nachdem sie den Elektromüll gesammelt haben, entfernen Zhang und seine Kollegen die ausrangierte Elektronik und legen die Platinen frei, um etwas Gold, Silber und Kupfer zu gewinnen.

"Normalerweise können wir ein Gramm Gold, zehn Gramm Silber und vielleicht fünfzig Gramm Kupfer aus zehn Computerplatinen herausholen", sagt Zhang, der seit acht Jahren im Geschäft mit der Entsorgung von Elektroschrott ist.

Private Betriebe wie der von Zhang sind zur größten Triebfeder in Chinas Elektromüll-Entsorgungsindustrie geworden. Guiyu, eine Kleinstadt in der Provinz Guangdong mit mehr als 5000 familiengeführten Werkstätten, die fast 200 000 Leute beschäftigen, hat sich die Bezeichnung „Nummer eins der Elektromüll-Entsorgungsstädte" eingehandelt.

Aber diesen kleinen Entsorgungsstellen mangelt es an Sicherheitsstandards und Überwachung. Nach der Gewinnung der wertvollen Metalle werden die toxischen Nebenprodukte, die beim Recycling von Elektroschrott entstehen, planlos auf den Müll geworfen und verursachen so immense Umweltschäden.

Angesichts dieser unhaltbaren Zustände schaltet sich nun die Regierung ein, um die Recycling-Branche zu regulieren und weiterzuentwickeln.

 

Regierung in Aktion

Ende des Jahres 2011 gab es in China nach Angaben des Umweltministeriums offiziell 84 Unternehmen, die mit der Demontage und Entsorgung von Elektroschrott betraut sind. Mehr als die Hälfte von ihnen sind aus dem Ausland finanziert oder Privatbetriebe, die moderne umweltfreundliche Technologien nutzen.

Hohe Betriebskosten und ein kaum entwickeltes System von Wertstoff-Sammelstellen beschränken diese Entsorgungsanlagen darauf, nur Sammlungen von großen Recyclinghöfen anzunehmen. Der meiste Elektroschrott aus Haushalten bleibt so Familienbetrieben wie dem von Zhang überlassen.

Im Bemühen, die Entsorgung des Elektroschrotts weiterzuentwickeln, hat die chinesische Regierung am 1. Juli eine neue Vorschrift erlassen. Sie schreibt Herstellern von Fernsehern, Kühlschränken, Waschmaschinen, Klimaanlagen und Computern vor, 7 bis 13 Yuan (0,89 bis 1,65 Euro) pro Gerät als Abgabe für die Entsorgung dieser Elektroprodukte zu zahlen.

Entsorgungsanlagen für Elektroschrott sollen 35 bis 85 Yuan (4,45 bis 10,80 Euro) an Subventionen für jedes verarbeitete Elektrogerät erhalten.

Die Regierung hofft, dass diese Maßnahme Verbrauchern einen Anreiz bieten wird,

ausgediente oder beschädigte Elektrogeräte zu recyceln, anstatt sie der Müllabfuhr zu übergeben.

"Die Errichtung von standardisierten Entsorgungsanlagen für Elektroschrott ist entscheidend für Chinas Anstrengungen im Umweltschutz. Die Regierung wird diese Industrie mit strategischen Maßnahmen und finanzieller Unterstützung fördern", sagt Tang Aijun, stellvertretender Generalsekretär des chinesischen Recycling-Verbandes „China Resource Recycling Association".

 

Ein riesiger Markt

Nach Daten des Handelsministeriums besaßen die Chinesen gegen Ende des vergangenen Jahres 520 Millionen Fernsehgeräte, 300 Millionen Kühlschränke, 320 Millionen Waschmaschinen, 330 Millionen Klimaanlagen und 300 Millionen Computer. Jedes Jahr werfen Verbraucher Geräte aus diesen fünf Kategorien im zweistelligen Millionenbereich auf den Müll, hinzu kommt eine große Menge an Kopierern und Kleingeräten wie Handys und Digitalkameras.

Mit einer jährlichen Produktion von 2,3 Millionen Tonnen ist China gegenwärtig nach den USA der weltweit zweitgrößte Erzeuger von Elektroschrott.

In den letzen Jahren hat die Regierungspolitik die Menschen ermutigt, neue Haushaltsgeräte auf Rabatt zu kaufen, um die heimische Wirtschaft angesichts der globalen Finanzkrise zu beleben. Ergebnis: Eine deutliche Zunahme des Elektromülls, mit dessen Handling die existierenden Entsorgungsanlagen große Probleme haben.

Zudem wird ausländischer Elektroschrott ins Land geschmuggelt, sagt Hu Tao, leitender Forschungsrat am Umweltministerium und Direktor des wissenschaftlichen Gremiums im Forschungszentrum für Umwelt- und Wirtschaftsstrategien (Policy Research Center for Environment and Economy).

„Rund 70 Prozent des weltweiten Elektroschrotts werden nach China gebracht", sagt Hu. „Es gibt acht ausländische Sammel- und Verteilungsstellen für Elektroschrott im Land. Guiyu in Shantou in der Provinz Guangdong, Longtang in Qingyuan und Dali in Foshan verarbeiten derzeit mehr als 50 Prozent des Elektroschrotts, der aus dem Ausland nach China gelangt", so Hu.

Abgesehen von der Rechtmäßigkeit erfüllen diese privaten Anlagen die internationalen Standards für eine zirkuläre Ökonomie nicht, sagt Hou Yuxuan, Forschungsstipendiat der CIConsulting.

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