27-07-2012
Im Focus
Jin Yongcai: „Wutongzouyin" muss weitergereicht werden
von Zeng Wenhui

Großer Beliebtheit erfreut sich in China die Kunsthandwerkstechnik Wutongzouyin, wörtlich übersetzt „Silber an Schwarzkupfer". Im Juni 2011 wurde „Wutongzouyin" in die Liste des immateriellen Kulturerbes Chinas aufgenommen.

Jin Yongcai beim Ziselieren

Meister Jin Yongcai ist der letzte in einer Reihe von Meistern aus sechs Generationen und gegenwärtig Direktor der Schule für Wutongzouyin in Kunming, Hauptstadt der südwestchinesischen Provinz Yunnan.

 „Anfangs war ich ein ganz einfacher Silberschmied", erzählt der 59-Jährige. Durch einen glücklichen Zufall kam Meister Jin dann mit dieser Technik in Berührung, die auf eine Geschichte von 280 Jahren zurückblicken kann.

 

Lange Überlieferungsgeschichte

Auf dem rohen Werkstück aus Wutong bzw. Schwarzkupfer   (Rohkupfer mit einem Kupfergehalt von bis zu 95 Prozent)  ziseliert man Muster, die mit geschmolzenem Gold oder Silber aufgefüllt werden. Zu den weiteren Arbeitsschritten zählt das Polieren der Oberfläche, so dass sich schließlich ein Muster aus glänzendem Edelmetall wirkungsvoll vor einem schwarzen Hintergrund abhebt.

Üblicherweise lassen sich mit dieser Technik Vasen, Karaffen, Kannen oder Pinselbehälter in klassischem und elegantem Stil herstellen. Da für das Auskleiden der Ziselierung bevorzugt Silber zum Einsatz kommt, nennt man diese Technik „Silber an Schwarzkupfer."

Laut Zhang Yi, Assistent von Schulleiter Jin Yongcai, sei diese Technik zufällig entstanden. Einem Handwerker namens Yue Fu, der zur Regierungszeit des Yongzheng-Kaisers (1722-1735) im Kreis Shiping in der Provinz Yunnan lebte, fiel beim Schmelzen von Kupfer versehentlich ein Goldring in den Schmelztiegel.   Der Ring schmolz augenblicklich und verband sich mit der Kupfermasse. Wutentbrannt warf  Yue daraufhin Werkstücke aus allen möglichen Metallen, die neben dem Ofen lagen, in den Tiegel. Er beruhigte sich rasch wieder und machte eine interessante Entdeckung: Das erkaltete Schwarzkupfer war von goldenen und silbernen Fäden durchzogen! Nach einigem Experimentieren gelang ihm schließlich mit der Wutongzouyin-Technik die Herstellung von Gefäßen.   

In der Familie Yue durfte dieses Kunsthandwerk nur in männlicher Linie weitergegeben werden. In der fünften Generation fand sich in der Familie keine geeignete Person zur Fortführung des Handwerks. Zum Glück aber wurden die Werkstattgeheimnisse an einen Handwerker aus der Nachbarschaft weitergereicht.  Der hieß Li Jiaru und hatte sich durch seine Ehrlichkeit und sein aufrichtiges Interesse an der überlieferten Technik das Vertrauen der Familie Yue erworben.  

Wutongzouyin erlebte am Ende der Qing-Dynastie und in den ersten Jahren der Republik China den größten Aufschwung seiner Geschichte. Selbst bei  Chiang Kai-shek und seinen Offizieren erfreute sich die Technik, mit der Zierdolche und Messer gestaltet wurden, großer Beliebtheit. Nach Ausbruch des Widerstandskrieges gegen die japanische Aggression  (1937-1945) und der allgemeinen Zerrüttung, in die das Land versank, waren Edelmetalle rar und die Kaufkraft der Chinesen dramatisch gesunken. Sachkundige Handwerker starben, bevor Nachfolger gefunden waren

„Bis zur Einführung der Reform- und Öffnungspolitik  Ende der 70er Jahre beherrschten immer weniger Leute dieses Handwerk. Am Ende gab es nur einen einzigen Mann, nämlich Li Jiaru, der sich noch auf Wutongzouyin verstand", erzählt Jin.

Der Meister kann sich noch gut an seine erste Begegnung mit Li erinnern. Jin war damals achtzehn Jahre alt und ein angehender Silberschmied. In seiner Heimatprovinz Yunnan leben viele nationale Minderheiten, bei denen Silberschmuck hoch im Kurs steht. Zur Hochzeit wird von der Braut eine ganze Serie von Silberschmuck, nämlich von Armbändern über Ohrringe bis zu Haarnadeln, als Mitgift in die Ehe eingebracht. Für Silberschmiede bietet die Region also gute Entfaltungsmöglichkeiten. So ging Jin 1975 am Wochenende oft auf den offenen Markt, um seine Schmuckstücke aus Silber zu verkaufen, und machte er sich mit Li Jiaru  bekannt. Außerdem wohnte Li nur 500 Meter von Jin entfernt. Der junge Mann besuchte den Alten öfters und kümmerte sich um den Haushalt des allein lebenden Meisters. 

Im Rahmen einer feierlichen Zeremonie wurde Jin Yongcai im Jahre 1982 dann Lehrling von Meister Li Jiaru. Fortan arbeitete er bei der Herstellung von Wutongzouzin mit, wusste aber noch nicht um die letzten Werkstattgeheimnisse des alten Meisters, vor allem war ihm die genaue Zusammensetzung der Legierung unbekannt. 1995, Li war inzwischen über achtzig Jahre alt, kam der Meister immer häufiger in stationäre Behandlung, sein Gesundheitszustand verschlechterte sich rapide. Eines Abends – Jin war gerade wieder einmal aus dem Krankenhaus entlassen worden und aufgeräumter Stimmung – sass er mit Li bei einem Gläschen Schnaps zusammen. Feierlich hob Jin an: „Die Herstellungstechnik von Wutongzouyin soll nicht mit mir ins Grab sinken, sonst würde ich schuldig an der ganzen Nation!"

Li hatte das Rezept in krakeliger Schrift notiert. Nach dem Abendessen gab er Jin den Zettel und befahl ihm, innerhalb von fünfzehn Minuten die Rezeptur auswendig zu lernen. Er stellte einen Wecker, der nach einer Viertelstunde klingelte. Li nahm das Papier wieder an sich und warf es ins Feuer. 1996 nahm Meister Li für immer Abschied von der Welt. Die Technik des „Wutongzouyin" allerdings wurde von Jin Yongcai überliefert.

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