27-07-2012
Im Focus
Die Papierhersteller
von Yu Lintao

Wiederbelebung der alten Kunst des Papierschöpfens im Kreis Danzhai

 

Natürliche Anlage: Die Karsthöhle, in der die Shiqiao Qianshan Ancient Papermaking Cooperative tätig ist, liegt am Fuß eines Hügels im bergigen Dorf Shiqiao im Kreis Danzhai in der Provinz Guizhou

 

Meisterwerk: Wang Xingwu zeigt sein fertiges Produkt für ein Projekt zur Buchrestauration am 29. Juni in seinem Haus im Dorf Shiqiao

In einer typischen Höhle inmitten der Karstlandschaft des bergigen Dorfes Shiqiao im Kreis Danzhai in der Provinz Guizhou wird ein altes Handwerk wiederbelebt. Die Shiqiao Qianshan Ancient Papermaking Cooperative (SQAPC) befindet sich in einer 400 Quadratmeter großen Höhle. Dort werden Arbeitstreffen abgehalten, in denen die alten Techniken zur Papiererzeugung neben dem Bach des kristallklaren Quellwassers der Höhle weitergegeben werden.

„Einer der Hauptgründe, warum wir die Höhle für unseren Betrieb ausgesucht haben: hier ist Quellwasser reichhaltig verfügbar, von hoher Qualität und unverschmutzt. Das ist für die Papierherstellung entscheidend", sagt Wang Xingwu, ein Dorfbewohner von Shiqiao und Direktor der SQAPC.

 

Historisches Handwerk

Der Betrieb von Wang ist nicht die einzige Einrichtung zur Papiererzeugung in Shiqiao. Das Dorf ist berühmt für seine alte Technik des Papierschöpfens, die auf die Tang-Dynastie (618-907) zurückgeht.

Die meisten Dorfbewohner gehören der ethnischen Minderheit der Miao an. Gegenwärtig gibt es rund 300 Haushalte und mehr als 1200 Bewohner im Dorf. Fast alle Bewohner, ob männlich, weiblich, alt oder jung, lernen über die Papiererzeugung.

Die Häuser der Miao sind aus Holzstämmen auf riesigen Felssockeln errichtet. Ihre Strukturen sind stark und einfach, wirken aber sehr kunstvoll. Fast alle Häuser in Shiqiao sind mit kleinen Werkstätten zur Papierherstellung ausgestattet: ein steinernes Becken, eine mit Holz eingefasste Grube für die Herstellung des Papierbreis und geheizte Ziegelflächen, um das Papier zu trocknen.

Nach Darstellung der Dorfbewohner ist das alte Handwerk des Papiermachens in Shiqiao deutlich von der modernen industriellen Fertigung verschieden. Als Rohmaterial dient unter anderem die Rinde des heimischen Papiermaulbeerbaumes. Von der Beschaffung der Baumrinde bis zum Abziehen des trockenen Papiers von der Backwand gibt es 14 Arbeitsschritte, die zur Produktion eines fertigen Stückes Papier nötig sind. Alle Schritte werden von Hand ausgeführt; der gesamte Prozess kommt ohne Industriechemikalien aus.

Der 1966 geborene Wang lernte das Dorfgewerbe im Jahre 1980 von seinem Vater. „Meine Vorfahren haben seit mehr als 1000 Jahren als Papierhersteller gearbeitet. Ich bin die 19. Generation meiner Familie, die die Fertigkeit übernimmt", sagt Wang stolz gegenüber der Beijing Rundschau.

Die Industrialisierung Chinas und das Aufkommen moderner Technologien haben auf das traditionelle Gewerbe der Papierherstellung jedoch enorme Auswirkungen gehabt. Wegen der geringeren Nachfrage der Konsumenten nach handgeschöpftem Papier hat sich die Zahl der Dorfbewohner, die allein von der Papierherstellung leben können, stark verringert. Das alte Handwerk ist vom Aussterben bedroht.

Fu Yingchun, Generaldirektor der Tourismusverwaltung der Provinz Guizhou (TAG), kam im Jahre 1998 nach Danzhai, um nach geeigneten Touristenzielen zu suchen. Vor Ort lernte er die Tradition der Papiererzeugung in Shiqiao kennen. Für Fu war dieses Handwerk ein lebendes Fossil der alten chinesischen Zivilisation und daher sowohl für die Kultur als auch für den Tourismus wertvoll. Seit seinem Besuch hat das Handwerk einen Aufschwung erlebt. Shiqiao wurde zu einem beliebten Touristenziel für Menschen mit einem Interesse an althergebrachtem Kunsthandwerk.

„Es ist Herrn Fu zu verdanken, dass die traditionelle Papierherstellung erhalten und letztendlich vor dem Aussterben bewahrt worden ist", sagt Wang.

 

Eine zweite Chance

Das Papierschöpfgewerbe in Shiqiao sah die Chance für eine erneuerte Weiterentwicklung. Handwerksmeister Wang brach als erster mit der Tradition, nur Bastpapier herzustellen, und begann neue Produkte zu entwickeln. Er erfand eine Art bunten Papiers, das aus heimischen Wiesenblumen gemacht wird. Im Jahr 2000 zeigte sich ein Geschäftsmann aus Hong Kong sehr interessiert an seinen Produkten und kaufte in einer Bestellung 60 000 Blatt Papier für drei Yuan (0,35 Euro) pro Blatt.

Nach dem anfänglichen Erfolg entwickelte Wang zwei weitere wichtige Papierprodukte: Gui-Papier im Jahre 2006 und zwei Jahre später Yingchun-Papier.

Wang sagt, Gui-Papier werde fürs Kunstmalen verwendet, und sei dem berühmten chinesischen Reispapier gleichwertig.

„Im Vergleich zum Reispapier hat das Gui-Papier seine eigenen Merkmale. Da es ein handgemachtes Produkt ohne jegliche Chemikalien ist, ist es rauer als Xuan-Papier. Dadurch kann sich die Tinte ganz natürlich auf dem Papier verteilen, was eine einmalige Wirkung erzielt. Viele Maler der Zentralen Akademie der Schönen Künste (CAFA) in Beijing sowie der Mal-Akademien von Guizhou, Shanghai und Guangzhou verwenden lieber Gui-Papier", sagt Wang.

„Gui-Papier hat eine recht raue Textur und unberührte Schönheit", lobt Hu Shipeng, ein bekannter Maler aus Guiyang.

Außerdem, sagt Wang, sei Gui-Papier biegsamer als Reispapier, weil seine Fasern viel länger seien: „Wenn man ein Blatt Gui-Papier aus dem Wasser zieht, kann man direkt darauf malen, ohne dass es reißt."

Yingchun-Papier wurde nach Herrn Fu vom TAG benannt, als Dank für seinen Beitrag zum Erhalt der Shiqiao-Technik des Papierschöpfens.

Yingchun-Papier wird vor allem zur Restauration alter Bücher verwendet. „Papier, das man zur Restauration alter Bücher verwenden will, muss mildalkalisch sein und einen pH-Wert zwischen sieben und acht aufweisen", erklärt Wang. Mit Hilfe von Restaurationsexperten wie Professor Yue Qianshan von der CAFA und Xu Heng von der Guizhou Universität entwickelte Wang handgefertigte Replikate des alten Papiers.

„Experten schätzen, dass Yingchun-Papier rund 1 500 Jahre lang haltbar ist, also ideal für Projekte zur Restaurierung von Büchern", sagt Wang.

Nach Darstellung von Wang sei das Papier von so hoher Qualität, weil der gesamte Prozess, von den Rohmaterialien bis zur Ausführung, ganz natürlich und schadstofffrei sei: „Der Abfall unseres Papierschöpfens kann zur Bewässerung der Felder verwendet werden. Außerdem ist Yingchun-Papier handgemacht, das bedeutet, die Fasern des Materials werden während der Bearbeitung nicht zerstört."

Industrielle Papiererzeugung braucht nur einige Tage, während die Herstellung in Shiqiao vom Sammeln des Materials bis zum Trocknen des Papiers rund 45 Tage braucht. „Die Shiqiao-Methode ist sehr aufwändig und genau. Daher ist unser Produkt einzigartig", sagt Wang.

Als ausländische Reisende erstmals die alte Technik der Papierherstellung sahen, waren sie von der Liebe zum Detail beeindruckt und einige bestellten Papier. Laut Wang wurden seine Produkte schon in viele Länder, darunter Australien, Frankreich, Japan und die USA exportiert. Ein französischer Geschäftsmann habe auch schon eine langfristige Kooperationsvereinbarung mit ihm unterzeichnet.

Der Export von Shiqiao-Papier in fremde Länder hat dazu geführt, dass in den letzten Jahren viele Ausländer das Dorf besuchten.

Im Jahre 2006 wurde die Shiqiao-Papiererzeugung außerdem auf die Liste des geschützten staatlichen Kulturerbes gesetzt. Wang wurde als Träger der alten Technik geehrt.

 

Investitionsbedarf

Unter Wangs Leitung haben 61 Familien im Jahre 2008 die SQAPC gegründet. Das Ziel der Kooperative ist die Vergrößerung des Betriebes und die Weiterentwicklung der Produktion.

Derzeit arbeiten insgesamt 66 Arbeiter in der SQAPC, die jährlich einen durchschnittlichen Output von rund 100 000 Blatt Papier bewältigt.

„Uns fehlen nach wie vor finanzielle Mittel, daher haben wir keine große Anlage und Ausrüstung zum Trocknen. Wir verlassen uns auf die Sonne, um das Papier zu trocknen, darum können wir in regnerischem oder winterlichem Wetter nicht arbeiten", klagt Wang. „Obwohl wir eine exzellente Technik und einen großen Markt haben, haben wir nicht das Geld zur Anschaffung einer Trocknungsanlage. Das behindert den Ausbau der Produktion."

Wang sagt, dass sein Produkt mittlerweile sowohl im Inland als auch auf einigen Überseemärkten beliebt sei. Die jährliche Nachfrage nach Yingchun-Papier von der Nationalbibliothek Chinas mache zum Beispiel über 20 Millionen Blatt aus, aber sein Betrieb könne nur einen Bruchteil davon liefern.

Wang hofft, dass einige Geschäftsleute mit dem Projekt kooperieren und in seine Firma investieren werden.

„Wenn wir genug Investitionen bekommen, um mit einer neuen Anlage unser Geschäft zu expandieren, können wir unsere Effizienz und unseren Output stark erhöhen", zeigt sich Wang zuversichtlich.

Momentan arbeiten sechs junge Männer als Lehrlinge für Wang. Er hofft, dass sie als seine Nachfolger das Handwerk der Papierherstellung von Shiqiao weitergeben werden. „Mein Traum ist es, das beste Papier der Welt zu machen", so Wang.