17-07-2012
Im Focus
Sind Chinas Renten sicher?
von Huang Tao

 
 
Zwei Senioren sehen eine Vorführung im  Kreis Feng der Provinz Henan an
 
In letzter Zeit steht das Thema Altersrente in der öffentlichen Aufmerksamkeit ganz oben. Nach Medienberichten klafft im kommenden Jahr eine Finanzierungslücke von 18,3 Billionen Yuan (2,4 Billionen Euro) in den Rentenkassen. Das Ministerium für Menschliche Ressourcen und Sozialabsicherung schlägt eine Erhöhung des Renteneintrittsalters vor. Unter Chinas Netzbürgern haben diese Nachrichten Verwirrung gestiftet und Besorgnis ausgelöst. Zhang Chewei, stellvertretender Direktor des Forschungsinstituts für Bevölkerungsentwicklung und Arbeitswissenschaft an der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften, findet nicht, dass es in China an Geld für Rentenzahlungen mangelt.

Keine Finanzierungslücke

Nach Auffassung des Demographen Zhang gibt es keine Fehlbestände in Chinas Rentenkasse. Der falsche Eindruck sei durch Meldungen entstanden, die sich auf die Situation auf Kreisebene beziehen, wo sich rein rechnerisch gesehen ärmere Regionen mit Rentenzahlungen schwerer tun, weil die Ausgaben der Rentenkasse die Einlagen regelmäßig übersteigen. Durch angemessenen Ausgleich der Bilanzen durch Zufluss von Geldern aus reicheren Gebieten ließe sich dies auf Provinzebene aber problemlos ausgleichen.

Jeder Bürger Chinas verfügt über ein Rentenkonto. Das Rentensystem basiert in der Theorie auf den zwei Säulen der individuellen Einzahlung auf dieses Konto, und der Rentenzahlung durch den Staat beziehungsweise den Arbeitgeber. Eigentlich sollte der Werktätige acht Prozent seines Einkommens auf das Rentenkonto einzahlen. In der Praxis aber sind die meisten dieser Konten leer. Man schätzt die Gesamthöhe der Gelder, die sich eigentlich auf diesen Konten befinden sollten, auf zwischen 160 Millionen bis 170 Millionen Yuan (20,5 bis 22 Millionen Euro). In der Realität aber hat dieses Konto lediglich die Funktion, den Rententräger darüber in Kenntnis zu setzen, welche Bezüge in welcher Höhe dem Rentenbezieher zustehen. Auf den vermeintlichen Fehlbetrag kommt es also nicht an, da der Rententräger den fiktiven Kontostand nur zur Berechnung der Höhe seines Anteils an der Rentenzahlung heranzieht. Nach Auffassung von Zhang gebe es also keine wesentlichen Fehlbeträge in den Rentenkassen.

Zieht man ganz China in Betracht, so sind die Rentenkassen nicht nur ausgeglichen, sondern generieren sogar noch alljährlich einen Überschuss. Ende 2011 betrug der Überschuss im Topf der sozialen Sicherungssysteme 2,87 Billionen Yuan (370 Milliarden Euro), wovon der Überschuss nicht abgerufener Gelder allein für die Rentenversicherung mit zwei Billionen Yuan (258 Milliarden Euro) zu Buche schlug.

Erhöhung des Rentenalters unabdingbar

Nach Zhang sei eine Erhöhung des Rentenalters in naher Zukunft unabweislich. Die demographische Entwicklung Chinas, die von einem Rückgang der Geburten und einer steigenden Lebenserwartung der Bevölkerung geprägt ist, mache dies unumgänglich. Wenn bei einer durchschnittlichen Lebenserwartung von 75 Jahren chinesische Frauen nach wie vor im Alter von 55 Jahren in Rente gehen, heißt das, dass eine Frau zwanzig Jahre lang von der Gesellschaft finanziell unterstützt werden muss. Diesem Druck werden die Rentenkassen in der gegenwärtigen Form nicht standhalten können. Als die Rentenversicherung in Deutschland im Jahr 1889 eingeführt wurde, legte sie das Eintrittsalter auf 70 Jahre fest, während die durchschnittliche Lebenserwartung damals gerade einmal bei 40 Jahren lag.

Der Gesamtumfang der Rentenleistungen wachse in China ständig. In vielen Staaten der Welt ist das Rentenalter bereits erhöht worden. Die Belastung der Rentenkassen ist stark angewachsen und der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften nehme zu. Stets aber sei der ausschlaggebende Grund für die Erhöhung der Lebensarbeitszeit die Erhöhung der Lebenserwartung.

In China werde die Erhöhung des Rentenalters je nach Personenkreis deutlich unterschiedliche Auswirkungen haben. Wer schwere körperliche Berufstätigkeiten ausübt, kann von einer Erhöhung der Lebensarbeitszeit nur Nachteile erwarten, während technisches Personal, Akademiker und andere „White Collar Worker" der Erhöhung des Renteneintrittsalters durchaus positive Aspekte abgewinnen können.   

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