08-07-2012
Im Focus
Armee im Untergrund
von Bai Shi

In einer dreijährigen Grabungskampagne sind weitere Soldaten der Tonarmee von Chinas erstem Kaiser ans Tageslicht geholt worden

Restaurierung von Tonsoldaten: Archäologen bei der mühseligen Sicherung der gehobenen Schätze

Lebensnaher Teint: Eine der 110 kürzlich geborgenen Figuren aus der unterirdischen Kammer. Auffällig ist die farbige Gestaltung des Gesichts.

Die Bemalung von über 1000 Terrakotta-Kriegern, die vor 2200 Jahren geschaffen wurden, waren so detailreich gestaltet, dass jedes einzelne Gesicht der Figuren individuelle Züge trug, bevor sie zu ihrem jetzigen Farbton gebrannt wurden. 

Am 9. Juni haben chinesische Archäologen nach dreijährigen Grabungen ihre neuesten Entdeckungen der Öffentlichkeit vorgestellt. In der Grabungsstätte,  die weiträumig überdacht als Museum dem Publikum zugänglich ist und sich in Nachbarschaft zur Nekropole von Qin Shihuang, dem ersten Kaiser Chinas, befindet, haben Archäologen 110 Terrakotta-Krieger, 310 Artefakte, darunter Waffen, Werkzeuge und Wagenteile, sowie 12 Pferde aus Ton präsentiert. Die Funde sind äußerst spektakulär und bereichern die weitläufige Museumsanlage in Xi'an in der westchinesischen Provinz Shaanxi, die in die Liste des Weltkulturerbes der UNESCO aufgenommen ist.

Kaiser Qin Shihuang (259-210 v. Chr.) ist vor allem bekannt durch den Bau der ersten Teilstücke der Chinesischen Mauer und sein Mausoleum, das von einer riesigen Armee aus Tonsoldaten bewacht wird. Somit hat er für zwei besondere Touristenattraktionen gesorgt, während er selbst nach wie vor in den Schleier des Geheimnisses gehüllt ist, denn seine Grabkammer ist bisher ungeöffnet geblieben.

Im Alter von dreizehn Jahren gelangte Ying Zheng, der spätere Kaiser Qin Shihuang (259-210 v.Chr.), auf den Königsthron des Staates Qin. Mit zweiundzwanzig Jahren übernahm er die politische Führung des Landes. Bis zum Jahre 221 v.Chr. vollzog er ihm die Annexion der rivalisierenden Staaten Qi, Chu, Yan, Han, Zhao und Wei, aus denen er das erste einheitliche Kaiserreich der chinesischen Geschichte schuf.  

Für den Bau des Mausoleums, mit dem kurz nach Bildung des Einheitsstaates begonnen wurde, zog Qin Shihuang unter anderem bis zu 700 000 verurteilte Straftäter als Zwangsarbeiter heran. Geschichtlichen Aufzeichnungen zufolge sollen sich in der eigentlichen Grabkammer des ersten Kaisers unvorstellbare Schätze befinden. Ungeachtet der Versuche von Grabräubern, in die Kammer einzudringen, ist die Anlage des Mausoleums gut erhalten geblieben. Das Grab enthält mit Sicherheit weitere Geheimnisse, die auf ihre Entdeckung warten.

Das Mausoleum von Qin Shihuang und seine Tonarmee zählen zu den bedeutendsten archäologischen Entdeckungen auf der Welt und wurden 1987 in die UNESCO-Liste des Weltkulturerbes aufgenommen. Das Museum, in das die Grabungsstätte vor den Toren Xi´ans integriert ist, wurde 1979 eröffnet. Gegenwärtig werden im New Yorker "Discovery Times Square Museum" Krieger der Terrakotta-Armee gezeigt. Die Ausstellung läuft noch bis zum 26. August 2012.

1974 wurde die Terrakotta-Armee von Dorfbewohnern entdeckt, die auf dem Gelände einen Brunnen bohrten. Dies gab den ersten verstohlenen Blick auf das Wunder der einst unbesiegbaren Armee des Qin-Kaisers frei, die zur Bewachung der Grabanlage in Ton nachgebildet wurde. In den vergangenen 38 Jahren haben Archäologen drei Grabungskampagnen durchgeführt. Mit der jüngsten Ausgrabung wurde am 13. Juni 2009 begonnen.

 

Erstaunliche Details

Die Tatsache, dass die Terrakotta-Krieger bunt bemalt waren, ist das erstaunlichste Ergebnis der neuesten Forschung.

"Jedes der Grabungsstücke war ursprünglich verschiedenfarbig bemalt, dennoch waren die meisten Terrakotta-Krieger, die wir zuvor ausgegraben hatten, einheitlich grau", sagt Xu Weihong, eine Wissenschaflerin, die in verantwortlicher Position an der jüngsten Grabung teilgenommen hat.

Archäologen haben eine Reihe von Tonkriegern mit schwarzen oder graubraunen Augen entdeckt, andere wiederum wiesen furchterregende rote Augäpfel und schwarze Pupillen auf.

"Die Farbe ist verblasst, was angesichts der unvollkommen entwickelten Techniken zur Zeit des Qin-Kaisers und des mehrtausendjährigen Zeitraumes, den die Artefakte im Erdreich überdauert haben, kein Wunder ist", sagt Xu. "Aber wir haben einige Farbreste an Augen und Fingernägeln der Tonfiguren entdeckt."

Nach Meinung der Archäologen sind die Farben nun besonders gefährdet, weil sie Luft und Licht ausgesetzt sind.

 

Entwickelte Waffentechnik

Aber es wurden nicht nur neue Tonsoldaten gewunden: der Bestand an Waffen und Ausrüstungsgegenständen, darunter Armbruste und Trommeln, liefert den Forschern reiches Material zum Studium der alten kaiserlichen Armee.

Zum ersten Mal überhaupt wurde ein bemalter Schild ausgegraben, der auf einen Streitwagen montiert war.

"Der Schild ist teilweise beschädigt. Wir gehen davon aus, dass es sich um einen Typ Schild handelt, der von einem hochrangigen Offizier verwendet wurde. Er ist größer als sonst üblich und mit farbenfrohen Mustern versehen", sagt Zhang Weixing, der an den Ausgrabungen teilgenommen hat.

Der Schild ist 70 Zentimeter hoch und 50 Zentimeter breit und mit roten, grünen und weißen geometrischen Mustern versehen. „Der Schild war auf der rechten Seite eines Streitwagens angebracht, er diente als Defensivwaffe zum Schutz der Besatzung", sagt Yuan Zhongyi, ehemaliger Kurator des Museums, der vor mehr als dreißig Jahren die erste Grabungskampagne leitete.

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