19-06-2012
Im Focus
Den Geschmack auf China wecken
von Bai Shi

Ins rechte Licht gerückt: Der Kameramann arrangiert effektvoll die leckeren Speisen, damit auch den Zuschauern das Wasser im Mund zusammenläuft. FILE

Lokale Spezialitäten: "Ein Häppchen China" präsentiert unzählige Spezialitäten aus allen Regionen des Landes. Hier im Bild eine besondere Leckerei aus Shanghai - Dampfbrötchen mit Krabbenovarien und Rogen. FILE

Ein Häppchen vom Erfolg

Bisher haben nur wenige Fernsehprogramme über die chinesische Küche ein derart umfassendes Lob eingefahren wie „Ein Häppchen China".

„Ihren Erfolg kann die Dokumentation großenteils auf drei Punkte zurückführen", meint Regisseur Chen Xiaoqing: „Ein gutes Thema, eine gute Sendezeit und gute Arbeit."

Dann erklärt er genauer, was er meint: „Erst einmal ist das chinesische Essen auf der ganzen Welt für seine lange Geschichte und seine große Vielfalt bekannt. Dazu kam, dass CCTV einen besonderen Sendeplatz für Dokumentationen in seinem Abendprogramm freigehalten hat. Am wichtigsten war aber, dass das ganze Team eine hervorragende Arbeit bei der Produktion der Dokumentarreihe geleistet hat!"

Das Produktionsteam nahm seine Arbeit im März des vergangenen Jahres auf. Um auch wirklich die ganze Bandbreite der chinesischen Küche abzudecken – von der Haute Cuisine bis zu einfachen lokalen Snacks – bereiste das Filmteam ganz China. Von der ostchinesischen Küste bis in die Höhen des Tibet-Plateaus befragten sie  Menschen aller Schichten und Volksgruppen zu ihren Essenserfahrungen.

„Grob gesagt besteht jede der 50-minütigen Folgen aus mindestens 800 Einstellungen", erklärt Chen. Aus den zahlreichen Stunden an Rohmaterial entstand schließlich eine Erzählung, die die „tieferen Aspekte des Essens" herausarbeitet. „Wir versuchen dabei der Esskultur unseres Landes und den Bräuchen, die uns von unseren Vorfahren überliefert wurden, mit großem Respekt zu begegnen", meint Chen.

Neben den farbenfrohen Aufnahmen der lokalen Spezialitäten bringt vor allem auch das raffinierte Design eine neue und erfrischende Perspektive in die Dokumentation. „Während die meisten Sendungen über die chinesische Küche sich auf das Kochen in der Küche fokussieren, bietet ,Ein Häppchen China´ auch tiefe Einblicke in die geographischen, historischen und kulturellen Dimensionen der chinesischen Esskultur", sagt Bian Jiang, Berater des Produktionsteams und stellvertretender Generalsekretär der Chinese Cuisine Association.

„Die Dokumentation beschreibt beispielsweise nicht nur, wie man Seeohren (Haliotis) zubereitet, sie zeigt auch die harte Arbeit, die in den Küstenregionen in die Zucht und den Erwerb von Seeohren gesteckt wird", betont Bian. „Das Publikum ist weniger von dem Gericht beeindruckt, das am Ende auf dem Teller landet, sondern vielmehr von dem Prozess der Zubereitung und von der schweißtreibenden Arbeit, die von den Menschen investiert wird."

Einblick in heimische Kochkünste

Ein anderes besonderes Merkmal der Sendung ist ihr einzigartiger Einblick in den Alltag der Chinesen. Egal, welches Gericht die Dokumentation vorstellt, sie erzählt immer auch eine wahre Geschichte über die Beziehung einer chinesischen Familie zu einem bestimmten Essen. Anhänger der Sendung kommentierten daraufhin im Internet, „Ein Häppchen China" liefere „eine umfassende Darstellung", sei „wirklichkeitsnah" und „höchst eindrucksvoll".

Eine Folge der Dokumentation, die Räucherschinken beschreibt – eine zentralchinesischen Delikatesse –, greift die Erinnerungen einer Frau an ihre Kindertage auf. Die Mutter sorgte stets für einen großen Vorrat an Räucherschinken, mit dem sie ihre Familie über den Winter bringen konnte, weil es dann kein frisches Gemüse gab. Die Dokumentation zeigt eine Frau, die vor Sonnenaufgang aufsteht, um für ihre Tochter ein Mittagessen aus gebratenem Schinkenspeck und getrockneten Kohlrüben zuzubereiten. Nach dem Frühstück macht sie sich mit ihrer Tochter zu Fuß auf den Weg zu einer weit entfernten Dorfschule. Bei Tagesanbruch hält sie inne und sagt in rührigem Tonfall zu ihrer Tochter: „Es ist jetzt hell. Der Weg, der noch vor dir liegt, ist nicht mehr allzu mühsam. Das, meine liebe Tochter, schaffst du nun alleine."

Der Ausschnitt rührt an das Gemüt des chinesischen Publikums und offenbart ein Familienverständnis, das im Ausland vielleicht nicht überall auf ungeteilten Beifall treffen wird. Es dokumentiert aber immerhin, wie das gemeinsame Essen in einer Alltagssituation familiären Zusammenhalt stiftet.

Spezialitäten aus der Provinz werden weltbekannt

Alle Gerichte, die in der Dokumentarreihe gezeigt werden, sind auf traditionelle Weise hergestellt. In den Weiten Chinas ist über die Jahrhunderte eine erstaunliche Vielfalt an lokalen Küchen aufgekommen.

Ji Shaoting, eine Journalistin der Nachrichtenagentur Xinhua, ist  Feinschmeckerin und ein treuer Fan der Dokumentarreihe. Sie wurde vor allem bei einer Szene von nostalgischen Gefühlen ergriffen, in der eine Art Dampfnudel mit Hackfleisch gefüllt wird – ein Spezialität aus der Provinz Shaanxi. „Mir lief während der Sendung ständig das Wasser im Munde zusammen. Ich vermisse meine Heimat so sehr", sagt Ji.

Ji wuchs in Xi'an auf, der Hauptstadt der Provinz Shaanxi. Wer, wenn nicht sie, könnte vertrauter mit dieser berühmten Spezialität ihrer Heimat sein? Nach so vielen Jahren in Beijing fühlt Ji nun einen Anflug von Heimweh, als sie ihr Lieblingsessen im Fernsehen sieht.

Auch wenn die Menschen die Kost ihrer Heimat längst auch in großen Städten wie Beijing finden  – die Nahrungsmittel allein können doch nicht die Erinnerungen an die Heimat ersetzen. Viele Chinesen glauben fest daran, dass die einzigartigen lokalen Gerichte nur mit Zutaten und Wasser aus der Region authentisch zubereitet werden können.

Verbindung von Tradition und Moderne

Traditionelle Kochmethoden sind häufig umweltschonend. So zeigt die Dokumentation beispielsweise, wie Bauern im Kreis Shangri-La in der Provinz Yunnan Furchen ziehen, in denen sie Pilze ausgraben, und dabei behutsam darauf achten, die Hyphen (Pilzfäden, aus denen sich Fruchtkörper entwickeln können) nicht zu zerstören. Die Fischer auf dem See Chagan in der Provinz Jilin wiederum benutzen bewusst grobmaschige Netze, die zwar die großen Fisch fangen, die kleinen aber verschonen und somit nachhaltig die Fischbestände sichern.

Trotz der Veränderungen, die China in den vergangenen dreißig Jahren erlebt hat, respektieren die Menschen noch immer das althergebrachte Wissen um eine ausgewogene Beziehung zwischen Mensch und Natur, möchte die Reihe suggerieren. 

Liu Wen, Leiter des Dokukanals von CCTV, erklärte am 30. Mai auf einem Seminar, dass geplant ist, gegen Ende des Jahres eine zweite Staffel von „Ein Häppchen China" zu produzieren. Die Dokumentarreihe soll dabei ihren ursprünglichen Charakter des Geschichtenerzählens beibehalten.

„Der Kanal dient als ein Fenster, das der Welt erlaubt, China besser zu verstehen. Die Dokumentation soll dazu beitragen, dass die Zuschauer weltweit nicht nur die chinesische Küche kennen und schätzen lernen, sondern auch die chinesische Kultur und die Gebräuche, die hinter ihr stehen", meint Liu.

 

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