01-06-2012
Im Focus
Einblick in Chinas Montessori-Welt
von Elias Schwenk

The International Montessori School of Beijing Foto:The International Montessori School of Beijing

 

The International Montessori School of Beijing Foto: The International Montessori School of Beijing 

Ein Glaubenskrieg

Isabelle Meyers führt durch die International Montessori School of Beijing (MSB). Die Stimmung in den Klassenräumen ist aufmerksam und eifrig. Vor kleinen Regalen, an Tischen und auf kleinen Hockern sitzen die Schüler, in kleinen Gruppen oder alleine. Man könnte auch meinen, sie spielten, so vertieft sind sie in ihre Arbeiten. Zwischen den Schülern hocken aber auch vier Erzieherinnen, die das muntere Treiben in die richtigen Bahnen lenken. Immerhin sollen die Kinder etwas lernen.

Isabelle Meyers, zuständig für Marketing und Kommunikation an der MSB, spricht von Konzepten, von Ideen, von der Philosophie und deren Begründerin Montessori. Dann kommt die Sprache auf die anderen Montessorischulen und -kindergärten, die überall in China eröffnet werden. „Montessori, das sind wir", erklärt sie und man versteht, dass Widerspruch nicht erwünscht ist. „Wir sind zertifiziert, unsere Schule existiert seit über zehn Jahren. Wir sind der Ansprechpartner in Beijing!"

Ansichten wie diese scheinen aber auch in anderen Montessori-Einrichtungen verbreitet zu sein. „Wir bieten hier Montessori-Erziehung in Reinform", meint Neige Cohendy. „Andere Schulen haben sich bereits zu einem großen Teil von der ursprünglichen Idee Montessoris abgewandt und sind auf die Vorstellungen ihrer jeweiligen Betreiber zugeschnitten."

Die Worte könnten auch von einem Priester stammen, der sich darüber aufregt, dass es in seiner Kirche zu Abspaltungen kommt. Tatsächlich bedeutet das Montessori-System für viele Verantwortliche heute auch die Suche nach den Worten und dem Willen der Gründerin. Manche Einrichtungen beschränken sich beispielsweise auf den Einsatz ausschließlich der von Montessori selbst angefertigten Materialien.

Doch die Besinnung auf die Wurzeln birgt Probleme. Denn schon die gesellschaftliche Stellung der Montessori-Erziehung hat sich gewandelt, ja ins Gegenteil verkehrt.

Noch auf dem Pfad der Weisheit?

Als Maria Montessori 1907 in dem von ihr mitgegründeten Casa dei Bambini ihre Methoden erstmals in einem größeren Rahmen zum Einsatz brachte, hatte sie ein bestimmtes Klientel vor Augen. Das Kinderheim im römischen Viertel San Lorenzo richtete sich vor allem an Kinder aus armen Arbeiterfamilien. Nicht so in China.

Ein Sonntagnachmittag in einem Veranstaltungsraum des Hotels Kempinski in Beijing: Auf einer Schulmesse drängeln sich wohlhabende chinesische und ausländische Eltern, um nach der idealen Erziehung für ihre Kinder zu suchen. Auf den Tischen wird mit iPads und Powerpoint-Präsentationen geworben, gesprochen wird hier vor allem Englisch. Unter den zahlreichen Anbietern sind auch etliche Montessorischulen.

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