28-05-2012
Im Focus
Öffentliche Einrichtungen in China werden neu definiert
von Li Li

 

Meinungsverschiedenheiten

 

Öffentliches Gesundheitswesen: Eine Apothekenhelferin in einer Krankenhausapotheke in Chongqing. Seit 2010 ist die Klinik in voller Trägerschaft der öffentlichen Hand. Die Medikamente für die Patienten sind billiger geworden.


 

Die Umsetzung dieser neuen Leitlinien, die die Reform endgültig abschließen sollen, steht jedoch zahlreichen Hürden gegenüber. So prophezeien Experten, dass die Neukategorisierung der öffentlichen Einrichtungen in China eine mühsame Aufgabe sein wird.

Zwar bestand bisher breite Übereinstimmung darüber, dass öffentliche Einrichtungen mit administrativen Aufgaben, etwa die Erdbebenzentrale, die Aktienaufsichtsbehörde oder die Bankenaufsichtsbehörde, in die Regierung eingebunden werden, und dass solche, die als Unternehmen arbeiten können, wie zum Beispiel Verlage,  in Unternehmen verwandelt werden.

Allerdings wies ein ungenannter Experte im Gespräch mit dem China Business Journal, die wöchentlich in Beijing erscheint, darauf hin, dass es einige Institutionen gibt, die zugleich administrative Funktionen erfüllen, soziale Dienstleistungen bieten und in kommerziellen Aktivitäten engagiert sind. Deren Einstufung dürfte sich als höchst komplex erweisen. Ein von dem Sachverständigen angeführtes Beispiel stellen Chinas Universitäten dar, die im Allgemeinen als öffentliche Einrichtungen klassifiziert werden, aber dennoch zahlreiche rein kommerzielle Trainingsprogramme unter ihrem Dach anbieten.

"Während der nächsten Stufe der Reform werden viele öffentliche Einrichtungen versuchen, zu beweisen, dass sie Anbieter von Dienstleistungen im Sozialbereich sind, was sie zu staatlicher Finanzierung berechtigt," erläutert Gu Xi, Professor an der Fakultät für Öffentliche Verwaltung der Peking-Universität, im  Economic Observer, einer wöchentlich in Beijing erscheinenden Wirtschaftszeitung. Er sagt, dass viele öffentliche Einrichtungen in mehrere juristische Personen aufgeteilt werden müssten, je nach der unterschiedlichen Natur ihrer Aufgaben.

Cheng Enfu, Forscher an der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften, meint, dass nach der Reform die Zahl der öffentlichen Einrichtungen, die soziale Dienstleistungen erbringen, nicht allzu dramatisch reduziert werden sollte, da ein Mangel an grundlegenden Dienstleistungen im Sozialbereich andernfalls zu gesellschaftlichen Störungen führen könnte.

Einige Experten für öffentliche Verwaltung beklagen, dass die Reformleitlinien nicht deutlich genug sagen, wie öffentliche Krankenhäuser sich teilweise selbst finanzieren sollen. Laut Richtlinien sind die Gesundheitseinrichtungen auf Gemeinde- und Stadtteilsebene zur vollen staatlichen Förderung berechtigt, während die Ausgaben der öffentlichen Krankenhäuser nur teilweise von der Regierung gedeckt werden.

Frühere Reformen des Gesundheitssystems hatten eine unzureichende staatliche Finanzierung vieler medizinischer Einrichtungen zur Folge, die teils mit der Übernahme von lediglich zehn Prozent ihrer Kosten abgespeist wurden. Das zwingt viele Krankenhäuser bis heute dazu, Patienten unnötig Medikamente zu verschreiben oder Untersuchungen aufzuzwingen, um finanziell über die Runden zu kommen.

Mitarbeiter von Krankenhäusern und Bildungseinrichtungen, die ihren Status als öffentliche Einrichtungen nach der Reform beibehalten werden, befürchten schon jetzt, dass ihre Gehaltszuschläge und Sonderkonditionen nach der Reform schrumpfen werden.

Als Ergebnis einer Pilotreform in Shanghai beklagt sich beispielsweise Universitätsdozentin Jiang Wen, dass verschiedene Zuschläge in Höhe von insgesamt fast 1000 Yuan (126 Euro) von ihrem Monatsgehalt verschwunden sind. Wie bei anderen öffentlichen Einrichtungen war es auch für Jiangs Arbeitgeber geboten, die Gehälter der Mitarbeiter in zwei Bestandteile zu splitten: in ein Grundgehalt und eine leistungsbezogene Entlohnung. Und anstatt ihren Mitarbeitern eine Gehaltserhöhung zu gewähren, deklarieren viele öffentliche Arbeitgeber inzwischen althergebrachte Zuschläge als Bestandteil des leistungsorientierten Anteils am Gehalt.

"Wenn es bei der Gehaltsreform darum geht, Zuschläge durch leistungsabhängige Vergütung zu ersetzen, wird damit keiner recht glücklich sein", sagt Jiang. "Im Gegensatz zu Zuschlägen, die ein fester Bestandteil des Grundgehalts waren, hängt die Höhe der leistungsabhängigen Vergütung nun von der Einschätzung der Arbeitsergebnisse durch den Chef ab."

Allerdings machen die neuen Richtlinien den Versuch, maßgeschneiderte Begutachtungsmethoden für öffentliche Einrichtungen unterschiedlichen Typs zu entwerfen, um sicherzustellen, dass Mitarbeiter fair bezahlt werden und zu besseren Leistungen motiviert werden.

Die Shanghai Century Publishing Group, die aus fünf Verlagen, einem Magazin, einer Zeitung und einem Buchhandelsunternehmen besteht, begann bereits im Jahr 2003 damit, seinen Status von einer öffentlichen Einrichtung in ein Unternehmen zu verwandeln. Der Konzern steckte einen Großteil seines Vermögens in eine Aktiengesellschaft, zu deren Aktionären mehrere Investmentgesellschaften gehören. Die externen Investoren entsandten vier Vertreter in den Vorstand der Shanghai Century Publishing Co. Ltd, um ihre Interessen bei der Entscheidungsfindung geltend zu machen.

Der Parteizeitung People's Daily zufolge konnte nach der Reform das durchschnittliche Gehaltsniveau innerhalb der Verlagsgruppe durch die Verbesserung der gewinnbringenden Kapazitäten stark gesteigert werden.

Mitarbeiter öffentlicher Einrichtungen  sind zudem unzufrieden damit, dass sie nach der Reform sehr wahrscheinlich mit einer niedrigeren Rente zu rechnen haben. Ein emeritierter Professor der Shanghai Jiao Tong University, erläuterte dem Economic Observer unter Zusicherung seiner Anonymität, dass nach der Reform die monatliche Rente ehemaliger Universitätsmitarbeiter um 1 000 bis 2 000 Yuan (126 bis 252 Euro) gekürzt wird. Er meint, die Reform sei nicht akzeptabel, da pensionierte Beamte ein weit besseres Angebot genießen, während die Lücke zwischen den Renten von Mitarbeitern öffentlicher Einrichtungen und denen privater Unternehmen nahezu verschwinden würde.

Im Zuge einer Pilotreform, die seit 2008 in der Provinz Guangdong läuft, hat eine große Zahl von Universitätsangestellten den Vorruhestand beantragt, damit sie noch in den Genuss von besseren Altersversorgungspaketen kommen, bevor die Reform der öffentlichen Einrichtungen  voll greift. Diese Flut von Frührentnern hat sogar den regulären Lehrbetrieb an einigen Universitäten gefährdet.

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