24-05-2012
Im Focus
Designed in China
von Ali Ali

Bessere Qualität zu erschwinglichen Preisen: Smartphones chinesischer Hersteller setzen große ausländische Marken zunehmend unter Druck

Überall in chinesischen Städten sieht man sie: Menschen, die mit ihren Mobiltelefonen sprechen oder sich so sehr auf die Bildschirme in ihren Händen konzentrieren, dass sie häufig nicht mitbekommen, was um sie herum geschieht.

Ob es nun das Aktualisieren des Weibo-Mikroblogs ist, oder einfach nur das Senden einer Nachricht an einen Freund über das Instant Messaging-Netzwerk Tencent QQ – Smartphones sind inzwischen mehr als schicke Accessoires – sie sind lebensnotwendig.

 

Entscheidung fällen

Über Beijings geschäftigem Einkaufsviertel Xidan geht gerade die Sonne unter. Zwei Freunde, der 28-jährige Chinese Li Jiang und der 24-jährige Amerikaner Corey McCullough, beide Angestellte einer Marketingfirma, diskutieren darüber, welches Smartphone ihren Bedürfnissen am besten gerecht wird.

„Ich brauche ein iPhone!", strahlt Li. „Alles, was ich will, erhalte ich durch eine sanfte Berührung des Displays. Ich habe mir das iPhone 4S für 1000 US-Dollar gekauft, fast zwei Monatsgehälter, aber bislang ist es jeden einzelnen Cent wert!" Dann beginnt er sämtliche Anwendungen seines Smartphones aufzuzählen.

McCullough jedoch lassen die Wunder der Technik aus dem Hause Apple oder Nokia vollkommen kalt. Er kaufte sich das chinesische Modell Huawei Titan Android U8800 für nur 280 Dollar (220 Euro). „Dieses Handy macht alles, was ich brauche, und kostet dabei nur den Bruchteil eines iPhones oder HTC-Handys. Chinesische Smartphones sind nicht nur eine billige Alternative, sie sind auch sehr praktisch: Wenn einmal etwas kaputtgehen sollte, können sie in jedem Laden repariert werden", meint McCollough und tritt damit eine intensive Diskussion mit seinem Kollegen los.

Mit der zunehmenden Abhängigkeit der Menschen von ihren Smartphones -- unentbehrliche Helfer im Alltag -- setzt auch der Kampf zwischen einheimischen und importierten Geräten um die Gunst des chinesischen Verbrauchers ein.

 

Die Zahlen sprechen für sich

China hat inzwischen die USA überholt und ist damit der größte Markt für Mobiltelefone weltweit. Zurzeit gibt es in der Volksrepublik über 952 Millionen Handynutzer. Die Verkaufszahlen internationaler Marken wie Apple, Nokia, Blackberry und HTC schossen in die Höhe. Den Angaben des Marktforschungsunternehmens Strategy Analytics zufolge, stiegen die Verkaufszahlen im letzten Quartal 2011 auf ein Rekordniveau von 24 Millionen Geräten. In den Vereinigten Staaten wurden im gleichen Zeitraum „nur" 23,3 Millionen verkauft, sieben Prozent weniger als im Quartal zuvor.

„Das schnelle Wachstum des chinesischen Marktes wurde vor allem durch drei Dinge begünstigt", erklärte Tom Kang, Direktor von Strategy Analytics, kürzlich in einem Interview.

„Durch einen zunehmenden Verkauf der Smartphones im Einzelhandel, durch eine aggressive Subventionierung von Luxusmodellen, wie etwa Apples iPhone, seitens der Provider und das Aufkommen von preiswerten Android-Modellen chinesischer Hersteller wie ZTE. Zurzeit führt Nokia den chinesischen Markt mit 28 Prozent an, in den USA ist es HTC mit einem Anteil von 24 Prozent."

Allem Wachstum zum Trotz sehen sich die ausländischen Marken einer heftigen Konkurrenz chinesischer Firmen ausgesetzt, darunter Huawei und ZTE. Beide starteten mit der Entwicklung von preiswerten und qualitativ hochwertigen Smartphones eine Branchenoffensive.

Die etablierten Smartphone-Riesen sind gewarnt: Apples Marktanteil fiel im letzten Quartal des vergangenen Jahres auf 7,5 Prozent, in den vorherigen drei Monaten hatte der Anteil noch bei 10,4 Prozent gelegen. Gleichzeitig stieg der Anteil Huaweis auf 12,6 Prozent, knapp gefolgt von ZTE, mit 11,1 Prozent. Ganz oben rangieren jedoch auch weiterhin nicht-chinesische Hersteller: Im vierten Quartal vertrieb der südkoreanische Konzern Samsung seinen finnischen Konkurrenten Nokia von der Spitze der Verkaufsliste in China.

 

Trend geht zu heimischen Produkten

Der 31-jährige Lei Lei aus Beijing beobachtet die neuesten Smartphone-Trends aus seinem Elektroladen im High-Tech-Park Zhongguancun, ein Ort, der häufig „Chinas Silicon Valley" genannt wird.

„Man muss verstehen, dass in der chinesischen Kultur die Wahrung des ,Gesichts´ eine entscheidende Rolle spielt. Das eigene Image ist hier sehr wichtig: Selbst wenn jemand nur 2 000 Yuan (248 Euro) im Monat verdient, wird er doch ohne zu Zögern drei Monatsgehälter in ein brandneues iPhone 4S stecken. Und das nur, weil man den anderen zeigen will, dass man es sich finanziell leisten kann – auch, wenn das eigentlich gar nicht der Fall ist", erklärt Lei gegenüber der Beijing Rundschau.

„Chinesische Marken sind mittlerweile sehr viel besser als in der Vergangenheit. Und die Leute reagieren. Inzwischen kommen sehr viel mehr Menschen in meinen Laden, die nach Smartphones aus China fragen, sowohl Chinesen als auch Ausländer. Und sie haben Recht!. Die chinesischen Marken sind qualitativ genauso gut wie die ausländische Konkurrenz und häufig sehr viel billiger", so Li.

Der Sinneswandel der Leute verleiht zwei der größten chinesischen Handyproduzenten, Huawei Technologies Co. Ltd. und der ZTE Corp. mächtigen Auftrieb. Beide Unternehmen zielen nun nicht mehr nur darauf ab, Smartphones im Auftrag herzustellen, sondern wollen eigene Geräte entwickeln. Die Voraussetzungen sind gut: Der Sektor entwickelt sich stabil und die Gewinnspannen wachsen. Zurzeit laufen die Smartphones der beiden Unternehmen mit dem Betriebssystem Android von Google, das lässt sie für bekannte ausländische Marken zu einer ernsthaften Konkurrenz werden. 

Beide Unternehmen haben im Jahr 2011 zusammen rund 35 Millionen Smartphones verkauft, ein Anteil von sieben Prozent auf dem Weltmarkt. Im Jahr 2012 sollen die Verkaufszahlen auf 90 Millionen steigen und so ihren Marktanteil auf 14 Prozent verdoppeln.