Ein letzter Salon, ein letztes Forum: die anspruchsvolle Veranstaltungsreihe der Stiftung Mercator im Rahmen der Ausstellung "Die Kunst der Aufklärung" ist in Beijing zu Ende gegangen. Im Gegensatz zum Forum, das in Kooperation mit dem Chinesischen Nationalmuseum in offiziösem Rahmen das Theater des Museums füllte, boten die Veranstaltungen Mercators in privaten Kunstgalerien Beijings einen intimeren Rahmen, der an die Salons im Zeitalter der Aufklärung erinnern sollte, in denen die Ideen der aufkommenden Moderne diskutiert und Lesungen abgehalten wurden. Unter der stets sachkundigen Moderation von Michael Kahn-Ackermann und mit wechselnden Gästen waren die Salons ein Jahr lang eine Bereicherung der kulturellen Nischen der Hauptstadt.
Von links nach rechts: Michael Kahn-Ackermann, Qiao Zhibing, Erika Hoffmann-Koenige, Zhang Rui und Christian Boros
Zum Thema "Die großen Kunstsammler" waren am 24. März im WHITE SPACE in Caochangdi genau die Sammler geladen, auf die der Titel der Veranstaltung anspielte. Es herrschte eine große, aber keineswegs langweilige Harmonie beim Treffen zweier chinesischer Sammler mit zwei Sammlerpersönlichkeiten aus Deutschland. Der in den Raum gestellte Gleichklang der Sammlerherzen erlaubt es dem Reporter, eine Synthese des Gesprochenen zu liefern, die nicht nur Zeugnis ablegt von west-östlicher Sammelleidenschaft, sondern auch als eine Formenlehre der allgemeinen Prinzipien des Sammelns moderner Kunst dienen kann.
Erika Hoffmann-Koenige
sammelt seit 1968 gemeinsam mit ihrem 2001 verstorbenen Ehemann Rolf Hoffmann zeitgenössische Kunst. Die studierte Kunsthistorikerin entwarf von 1968 bis 1988 als Designerin Kollektionen der Modefirma van Laack. 1985 verkauften die Hoffmanns diese Firma. Nachdem ein Museumsprojekt in Dresden an lokalen Querelen scheiterte, erwarb das Ehepaar 1995 eine ehemalige Nähmaschinenfabrik in den Sophie-Gips-Höfen in Berlin-Mitte, die es renovierte und seit 1997 bewohnte, umgeben von seiner Kunstsammlung. Einmal in der Woche steht die Sammlung Hoffmann Besuchern offen. Die Hoffmanns waren unter den ersten Sammlern, die ihre Privaträume öffentlich zugänglich machten.
Qiao Zhibing
wurde 1966 in Beijing geboren und studierte Kunst-Management an Chinas Zentraler Hochschule der bildenden Künste (CAFA). Der Konzertveranstalter und Nachtclubbesitzer unterhält in Shanghai eine mehrstöckige Karaoke-Bar. 2006 begann er zeitgenössische chinesische Kunst zu sammeln, seit 2009 dehnte er sein Sammlerinteresse auf westliche Gegenwartskunst aus. Seine vielseitige Sammlung ist sowohl in seiner Firma als auch auf dem Grundstück seines Hauses der Öffentlichkeit zugänglich.
Christian Boros
wurde 1964 in Zabrze im polnischen Oberschlesien geboren und studierte von 1984 bis 1990 bei Bazon Brock in Wuppertal Kommunikationsdesign. Er ist Inhaber einer Werbeagentur. Mit achtzehn Jahren erwarb er sein erstes Kunstwerk. Gemeinsam mit seiner Ehefrau Karen Lohmann hat er bislang an die 700 Arbeiten gesammelt. Seine Sammlung ist seit Juni 2008 in einem von ihm erworbenen Hochbunker in Berlin-Mitte zugänglich. Dieser 1942 unter der Leitung von Albert Speer gebaute ehemalige „Reichsbahnbunker Friedrichstraße" bietet eine Ausstellungsfläche von rund 5000 Quadratmetern. In einem Penthouse, das dem Dach des Betonriesen aufgesetzt ist, wohnt das Eigentümerpaar. Bis heute haben 110 000 Besucher die Sammlung im Bunker besichtigt.
Zhang Rui
wurde 1962 in Beijing geboren. In den 80er Jahren war er erfolgreich als Telekommunikationsunternehmer unterwegs und wechselte in den 90er Jahren in die Mode- und Immobilienbranche. Neben Yang Bin zählt er heute zu den einflussreichsten Kunstsammlern Chinas. Nach Teilhabe an der Beijing Art Now Gallery und dem Betreiben des Restaurants „Le Quai" hat Zhang 2011 in unmittelbarer Nachbarschaft des Beijinger Arbeitersportstadions das „Gallery Hotel" eröffnet, in dem zahlreiche Werke zeitgenössischer Kunst ausgestellt sind. In ihrer Privatsammlung verfügen Zhang Rui und seine Frau inzwischen über mehr als 800 Werke der chinesischen und internationalen Gegenwartskunst. Ein Großteil davon wird ausgestellt in ihrem 750 Quadratmeter großen Haus im „Garten am Grünen Fluss", das teils dem Guggenheim Museum in New York nachempfunden ist.
Künstler und Unternehmer
Es gibt eine Ähnlichkeit zwischen Künstlern und Unternehmern: Beide gehen Risiken ein, beide wollen etwas schaffen, beide sind hingebungsvoll. Und beide trauen sich "Ich" zu sagen. Der Künstler vielleicht mehr als der Unternehmer, denn er folgt dem Gespenst der Freiheit kompromissloser: Er führt den Antrieb, etwas zu tun, nicht auf andere zurück. Die Floskel: "Aber der oder die haben mir gesagt, was ich tun soll", funktioniert beim Künstler nicht. Seine vorrangige Eigenschaft ist Individualität. Immer ist gute Kunst zeitgenössisch, immer hat sie irritiert, die bestehende Macht als Bedrohung gesehen, das Suchen als Chance. Die Entdecker, die Wagemutigen gehen darauf zu. Somit wird Kunst zu vergegenständlichter Freiheit, und die muss irgendwie raus. Darüber wird dann auch ein Künstler schon einmal zu einem Unternehmer.
Kunst ist das beste Vehikel, um mit anderen Menschen zu sprechen. Sprechen über die Irritation, die Kunstwerke in mir auslösen, die Verstörung, in der ich mich meiner eigenen Begrenztheit bewusst werde. Das kann als Brücke zum Fremden dienen: zum Beispiel können deutsche und chinesische Sammler, auch wenn sie keine gemeinsame Sprache haben, sich doch über das Werk eines bestimmten Künstlers austauschen, an dem sie beide interessiert sind. Man schätzt Fremdheit und Gemeinsamkeit. Das schafft Nähe. Diese Nähe hat die gleichen Wurzeln, wie das Bedürfnis, Kunst zu kaufen: die Suche nach einem weiteren Erkenntnisgewinn. Kunst ist eine Haltung, die eine Form findet. Keine Dekoration, kein Raumschmuck, kein Wandbehang. Ich interessiere mich für die Gedanken von anderen Menschen, also interessiere ich mich für Kunst.
In China herrscht die Meinung vor, dass man sich nach 5000 Jahren Feudalherrschaft nun endlich auf der Suche nach dem Individuellen begeben hat. Daher befinden sich gegenwärtig die Hände der Menschen in China im Computerzeitalter, das Gehirn in der Feudalgesellschaft und die Füße in der Industriegesellschaft. Man mag das als Dilemma empfinden, aber die größte Erfahrung dabei ist: man lernt nie aus und gerade ein Sammler lernt immer dazu, denn er lernt von Künstlern.
Das klingt alles sehr vergeistigt und zugleich höchst rational, erklärt aber keineswegs
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