16-04-2012
Im Focus
Aufbereitetes CO2 soll Wüstenbildung bekämpfen
Aus New York berichtet Huang Wei

Die Anwendung einer neuen Industrietechnik soll das Vordringen der Wüsten stoppen

Die Wüste schrumpft: Luftaufnahme eines Aufforstungsprojekts in Yulin in der zentralchinesischen Provinz Shaanxi vom 2. Juni 2011. In den vergangenen fünfzig Jahren wurden mit Hilfe von Flugzeugen Sämereien ausgebracht. Auf einer Fläche von zwei Millionen Hektar (im Jahr 2010)verwandelte sich so Wüste in eine grüne Landschaft.

 

Am Rande der 3. Intersessionalen Sitzung der Konferenz der Vereinten Nationen über nachhaltige Entwicklung (UNCSD) am 26. und 27. März in New York erregte vor allem ein Thema Aufmerksamkeit: Der jüngste Erfolg eines Projektes, das mithilfe von Biomasse und Thermoelektrizität die fortschreitende Ausweitung der Wüsten in Chinas Autonomem Gebiet der Inneren Mongolei aufhalten soll.

Auf einer Veranstaltung, die sich mit nachhaltiger Entwicklung in der Inneren Mongolei beschäftigte, präsentierten chinesische Wissenschaftler ihre aktuellen Projekte zur Bekämpfung von Wüstenbildung, der Reduzierung von CO2-Emissionen und der Erhöhung des Lebensstandards der Bewohner des Autonomen Gebiets. Das Symposium wurde unter anderem von dem Staatlichen Amt für Forstwirtschaft, der Regierung des Autonomen Gebiets der Inneren Mongolei und dem Forschungsunternehmen Inner Mongolian Maowusu Biomass Thermoelectric Co. kofinanziert.

„In den vergangenen Jahren hat die chinesische Regierung mit der Pflanzung von Bäumen herausragende Fortschritte gemacht. Als Erfolg ist hier auch das Maowusu (Mu Us Desert)-Projekt zu werten", erklärt der chinesische Diplomat Sha Zukang, UN-Vizesekretär für soziale und wirtschaftliche Angelegenheiten und Generalsekretär der „Rio+20"-Konferenz der UNCSD. „Das Projekt bemüht sich sehr, dem Klimawandel konstruktiv zu begegnen, soziale Verantwortung zu übernehmen und umweltfreundliches Wirtschaften voranzutreiben. Durch die gewonnene Erfahrung haben wir enorm dazugelernt."

 

Globale Ausmaße

Der französische Botaniker André Aubréville prägte den Begriff der Desertifikation, um den Prozess zu beschreiben, durch den fruchtbares Land zur Wüste wird. Seit den 90er Jahren schenkten Wissenschaftler und Regierungen vieler Länder dieser Problemstellung zunehmend Aufmerksamkeit. Die UN berief seither zahlreiche themenbezogene Konferenzen ein, auf denen Methoden diskutiert wurden, welche der Abwehr der Wüstenbildung dienen sollen. Hauptursache der Bodenverschlechterung sind dabei unangemessene Methoden der Landwirtschaft, Überweidung, der Klimawandel und die Erosion der Böden.

Auf dem Weltklimagipfel in Rio de Janeiro trafen sich 1992 Vertreter aller Staaten, um über konkrete Wege der Umsetzung nachhaltiger Entwicklung zu diskutieren. Ein Ergebnis der Gipfels war die Einführung der Agenda 21, ein Maßnahmenplan der UN für das 21. Jahrhundert. Es handelt sich dabei um ein umfassendes Konzept, das auf globaler, nationaler und lokaler Ebene umgesetzt werden soll – von der UNO, den nationalen Regierungen und von Großorganisationen in jedem Bereich, in dem Menschen direkt auf die Umwelt einwirken.

Im Oktober 1994 beschlossen die Vertreter der Staaten eine UN-Konvention zur Bekämpfung der Desertifikation. In der Konvention wird Desertifikation definiert als „Bodenverschlechterung in trockenen, halbtrockenen und austrocknenden mäßig feuchten Gebieten, die aus verschiedenen Faktoren resultiert, insbesondere auch aus klimatischen Verschiebungen und menschlichen Aktivitäten".

Zurzeit ist ein Drittel der Kontinente von Desertifikation bedroht – mit zunehmend ernsthafteren Auswirkungen für Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt. Viele Länder nennen Desertifikation und Bodenverschlechterung langfristig als eine Herausforderung für die soziale und wirtschaftliche Entwicklung der Menschheit.

Nach Angaben der chinesischen Forstverwaltung ist China weltweit das Land, das flächenmäßig die größte Ausweitung von Wüsten aufweist. Ende 2009 waren 2,62 Millionen Quadratkilometer unnutzbar, 1,73 Millionen Quadratkilometer wurden bereits als Wüste eingestuft, 310 000 Quadratkilometer sind unmittelbar von der Wüstenbildung bedroht.

 

Herausforderungen

Lange Zeit stritt man sich nicht nur über den Zusammenhang zwischen Kontrolle der Wüstenbildung und nachhaltiger Entwicklung, sondern war sich auch über die Methoden uneins, mit denen man der Wüstenbildung Herr werden sollte.

Eine überraschend große Zahl der versandeten Regionen in der Welt verfügen über Wasservorräte. Nur 50 Zentimeter unter der Oberfläche der meisten Wüsten liegt der Feuchtigkeitsgehalt bei fünf Prozent. Die Ökosysteme der Wüsten sind somit weit davon entfernt, totes Ödland zu sein. Häufig verfügen sie sogar über ausreichend Wasser, um das Wachstum von Pflanzen zu ermöglichen.

„Im Kampf gegen die Wüstenbildung ist die Aufforstung daher eine verbreitete Methode", erklärt Li Jinglu, Geschäftführer von Maowusu Biomass Thermoelectric Co. Trotzdem bedarf es nach seiner Einschätzung erheblicher Investitionen, um die Pflanzen am Leben zu erhalten. Eine große Herausforderung, da beispielsweise Sträucher regelmäßig geschnitten werden müssen, wenn sie überleben sollen.

„Die Aufforstung hat gerade erst begonnen. Ein wesentlicher Bestandteil des Schutzes der Wüstenökosysteme ist, dass man den Baumbestand hegen und pflegen muss, andernfalls sind alle Bemühungen umsonst", warnt Li. Selbst wenn eine Fläche bereits seit zehn Jahren von Bäumen bestanden ist, kann sie leicht in den Zustand vor der Aufforstung zurückfallen.

 

Etwas zurückgeben

Die Maowusu Wüste zwischen der Stadt Yulin in der Provinz Shaanxi und der Stadt Ordos in der Inneren Mongolei ist eine der vier größten Wüsten Chinas. Die Verwaltungseinheit Uxin liegt wiederum am südlichen Rand der Inneren Mongolei, im Zentrum jener Wüste. 94,8 Prozent der 11 645 Quadratkilometer großen Region Uxin sind derzeit von Wüstenbildung betroffen. Hier ist der Kampf gegen die Bodenerosion buchstäblich eine Frage des Überlebens.

In Uxin sitzt die Firma Maowusu Biomass Thermoelectric Co., bei der Li Jinglu seit neun Jahren arbeitet.

Die Firma betreibt ein thermoelektrisches Kraftwerk, das den Strauchschnitt als Brennstoff nutzt. Neben der Energiegewinnung aus der Verbrennung von Biomasse, sondert das Kraftwerk aber auch Kohlendioxid ab, um so Spirulina zu kultivieren, eine Algenart, die zur Nahrungsergänzung genutzt werden kann.

So wurde eine neuartige Weise der Wüstenbekämpfung geschaffen, die in industriellem Maßstab umweltfreundlich Elektrizität herstellt, den Lebensstandard der Menschen verbessert und die Emission von Treibhausgasen verringert.

„Der Schlüssel zur Nutzung neuer Energien in Wüstenregionen ist Eindämmung und Umkehrung der Wüstenbildung", meint Li. Die Gewächse sorgen für brauchbares Buschholz, das alle drei bis fünf Jahre zurückgeschnitten werden muss, um das Gedeihen der Pflanzen zu garantieren.

„Um Umweltschutz und Emissionsreduktion Rechnung zu tragen, ist die Nutzung von Schnittabfällen bei der Erzeugung von Elektrizität der einzige Weg. Nur so ist die Frage der Finanzierung der erforderlichen Pflege der Gewächse zu lösen", so Li gegenüber der Beijing Rundschau. „Das ist zweifellos die Lösung im Kampf gegen die Wüstenbildung, wobei zugleich unter geringem Bedarf an Kohlenstoff umweltfreundliche Energie aus Biomasse gewonnen wird."

Das Projekt zur thermoelektrischen Energiegewinnung wurde von Maowusu im November 2008 gestartet. Die Firma investierte in der Folge durchschnittlich 50 Millionen Yuan pro Jahr in die Pflege der Sträucher und schuf so eine „Wertschöpfungskette", die vom Pflanzen über die Pflege und den Beschnitt bis hin zum Transport und die Weiterverarbeitung reicht. Das Projekt schuf rund 8 000 Arbeitsplätze und steigerte die Einkommen der lokalen Hirten insgesamt um über 70 Millionen Yuan.

2010 und 2011 griff das Projekt eine neu entwickelte Prozesstechnik auf, die Spirulina kultiviert um ausgestoßenes Kohlendioxid zu binden. Das damit hergestellte Algenprodukt soll im Juli 2012 auf den Markt kommen. Man rechnet mit einem Jahresumsatz von 300 Millionen Yuan (36,05 Millionen Euro), der Gewinn soll bei 60 Millionen Yuan (7,21 Millionen Euro) liegen.

 

Vorbild für die Industrie

Kürzlich bewertete Su Zonghai, Untergeneralsekretär der China Green Carbon Foundation, in der Beijinger Fachzeitschrift Forestry Economics das Projekt zur Energiegewinnung in der Inneren Mongolei.

„Als industrialisierte Form der Bekämpfung der Wüstenbildung ist die sogenannte `Drei Kohlenstoff Wirtschaft´ [CO2-Abscheidung, -Speicherung und -Emissionsreduktion] nicht nur eine konventionelle Recyclingmethode. Sie ist auch eine neue Form der ökologisch-ökonomischen Entwicklung, weil sie alle drei Bereiche verbindet: die forstwirtschaftlichen Kohlenstoffsenken [in denen das CO2 gelagert werden kann], die kohlenstoffarmen Industrien und das umweltgerechte Bauen. Bedeutung gewinnt diese Produktionsform für die Bekämpfung von Wüstenbildung, die Umsetzung einer nachhaltigen Entwicklung, den Kampf gegen den Klimawandel, den Ausbau von Kohlenstoffsenken und der Verringerung der Treibhausgase", so Su.

Das Projekt, das Investitionen in Höhe von 500 Millionen Yuan (60,09 Millionen Euro) umfasst, zieht folgende Zwischenbilanz:

24 000 Hektar Wüste wurden behandelt und ein erster Produktionsstandort für Spirulina gebaut, in dem während der Energiegewinnung ausgestoßenes Kohlendioxid wiederverwendet wird. Mit der 30 000 Kilowatt starken thermoelektrischen Anlage wurden 240 Millionen Kilowattstunden Strom erzeugt. Die Firma entwickelte darüber hinaus eine Wertschöpfungskette, deren wichtigstes Glied die Aufforstung ist, womit die Wüstenausbreitung bekämpft und Kohlendioxid neutralisiert wird. Die Schnittabfälle der Bäume und Sträucher bieten den Treibstoff für das Kraftwerk, das seine CO2-Emissionen kanalisiert und in die Spirulina-Produktion leitet.

Das Maowusu-Projekt gilt als Pilotvorhaben, mit dem sich erkunden lässt, wie man Umweltverhältnisse durch einen integrierten Ansatz verbessern kann. Nebenbei leistet die Algenkost vermutlich einen Beitrag zu gesünderer Ernährung. Das Projekt erweist die Wüste als eine Ressource, verbindet die Gesundheit des Menschen mit seinem Lebensumfeld und fördert durch einen industriellen Recyclingprozess die nachhaltige Entwicklung.

Auf dem Symposium lobte Luc Gnacadja, Exekutivsekretär des Sekretariats des Übereinkommens der UN zur Bekämpfung der Wüstenbildung, das Maowusu-Projekt in den höchsten Tönen. Er hoffe, der Ansatz könne als nachahmenswertes Modell in anderen Entwicklungsländern eingeführt werden und weltweit bei der Bekämpfung der Wüstenbildung zu einem bewährten Verfahren werden.

 

 

 

Mehr dazu:
Innere Mongolei: Wirtschaftsentwicklung dank Strukturwandels