13-04-2012
Im Focus
Wu Weishan: neue Kriterien für Förderung von Nachwuchskünstlern und ein umfassenderer Kulturbegriff
von Zeng Wenhui

Wu Weishangs Werk "Schlafendes Baby" wurde 2003 in Großbritannien mit dem Pangolin-Preis (seit 2009 Telos-Preis) ausgezeichnet.

Chinesische Kultur umfassender präsentieren

Die Arbeiten von Wu Weishan erfreuen sich sowohl in China als auch im Ausland großer Beliebtheit. Vor allem seine skulpturalen Darstellungen chinesischer Persönlichkeiten aus Vergangenheit und Gegenwart sind als stumme Botschafter chinesischer Kultur an vielen Orten Chinas und im Ausland zu finden. 

Um für Chinas Kultur im Ausland eine größere Breitenwirkung zu entfalten, schlägt Wu vor, neben den Inhalten traditioneller chinesischer Kunst in Zukunft verstärkt auf die Vermittlung chinesischer Gegenwartskunst und zeitgenössischem Denken zu setzen. Bei der Kulturarbeit im Ausland sollten nicht nur Einzelwerke gezeigt oder Aufführungen organisiert werden. Vielmehr gehe es darum, der Welt ein umfassendes Bild chinesischer Kultur zu zeichnen. Dazu müssten die für die jeweilige Epoche repräsentativsten literarischen Werke übersetzt werden, damit die Welt einen Eindruck gewinnen könne von Weite und Tiefe der kulturellen Überlieferung Chinas. Nur vor dem Hintergrund dieser langen Tradition sei ein Verständnis der chinesischen Gegenwartskunst möglich.

„Ich denke, es sollte ein Expertenteam ins Leben gerufen werden, um diese Werke auszuwählen", so Wu. 

Er nennt eine Reihe von Beispielen jenseits von Konfuzius und Laozi. So verdiente es folgender Satz des Fan Zhongyan (986-1052), einem Politiker aus der nördlichen Song-Dynastie (960-1127), allgemein bekannt gemacht zu werden: „Man soll Sorge dafür tragen, dass das Volk sich nicht zu sorgen braucht; man soll sein eigenes Glück erst genießen, nachdem das Volk glücklich ist". In diesem Zitat spiegle sich die Haltung ehrlicher Beamter des alten China wider: „In der Antike war es so, was spricht dagegen, es heute genauso zu halten?" Wu erwähnt den berühmten Satz des Gelehrten Gu Yanwu (1613-1682), der sich der Mitarbeit unter dem Regime der Kaiser der Qing-Dynastie verweigerte: „Für Aufstieg und Untergang eines Landes ist jeder einzelne Mann verantwortlich." Diese Zitate chinesischer Gelehrter und Politiker aus alter Zeit seien im Westen gänzlich unbekannt. „Wenn wir diese klassischen Sentenzen übersetzen, kann der Westen nicht nur das Denken der alten Chinesen nachvollziehen, sondern auch den Aufbau einer harmonischen Gesellschaft im heutigen China und die Rolle des Kunstschaffens für den Aufbau dieser harmonischen Gesellschaft besser verstehen."

Zwar seien Bildhauerei, Malerei, Choreographie unmittelbar erfahrbar, aber im Westen fehle es an Wissen über den kulturellen Hintergrund, vor dem diese Künste in China aufgekommen sind. „Unsere Wurzeln liegen in unserer traditionellen Kultur. Wenn wir der Welt chinesische Kunst zeigen, sollte dies systematisch und zielgerichtet geschehen, damit die Anderen unser Kunstschaffen wirklich verstehen lernen."

Über den Austausch zwischen China und dem Westen auf bildhauerischem Gebiet erklärt Wu, dass China über eine ausgezeichnete Tradition in der Bildhauerei verfügt, wie die Tonarmee im Mausoleum des ersten chinesischen Kaisers Qin Shi Huang in Xi´an eindrucksvoll vor Augen führt. Woran es allerdings fehle, sei eine dem Westen vergleichbare Tradition von Kunst im öffentlichen Raum. In der westlichen Welt war die Bildhauerei im öffentlichen Auftrag der Städte sehr entwickelt. Skulpturen sind dort nicht nur in Privathäusern und Kirchen anzutreffen, sondern auch auf öffentlichen Plätzen. Bildhauerei im öffentlichen Raum gibt es in China dagegen erst seit den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts als Teil der Gedächtniskultur zur Ehrung berühmter Persönlichkeiten oder des Kollektivs. Wu Weishan nennt als Beispiel Statuen von Dr. Sun Yat-sen und das von dem bekannten Architektenehepaar Liang Sicheng und Lin Huiyin konzipierte „Denkmal für die Helden des Volkes", das als Chinas Nationaldenkmal auf dem Tian´anmen-Platz in Beijing steht.

Im Prozess der Urbanisierung entsteht nun auch in China immer mehr Kunst im öffentlichen Raum. Gegenwärtig gibt es in China über 60 000 Werke der Bildhauerei unter freiem Himmel: „Es geht darum, durch Bildhauerei chinesischen Geist und chinesische Kultur zu verbreiten, die Stimme Chinas hörbar zu machen und sowohl die ausgezeichnete traditionelle Kultur als auch den Zeitgeist der Reform und Öffnung auszudrücken", sagt Wu.

 

 

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