Im Februar vor vierzig Jahren beendete der Besuch von US-Präsident Richard Nixon in China zwei Jahrzehnte der Entfremdung zwischen den beiden Ländern. Zum Abschluss dieser Reise, die einen Durchbruch bewirken sollte, wurde am 28. Februar 1972 in Shanghai das gemeinsame sino-amerikanische Kommuniqué veröffentlicht. Das Shanghai Kommuniqué, welches die Tür zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen China und den Vereinigten Staaten öffnete, bildet bis heute einen der Eckpunkte der sino-amerikanischen Beziehungen.
In einem Interview mit der Reporterin der Beijing Rundschau Ding Zhitao und ihrem Kollegen Yu Lintao erinnern sich die ehemaligen Diplomaten Ding Yuanhong und Zhao Jihua an den Verhandlungsprozess über das Shanghai Kommuniqué und erläutern die nachhaltige Bedeutung dieses Dokuments.
Ding Yuanhong diente in verschiedenen Funktionen im diplomatischen Dienst, unter anderem als chinesischer Botschafter bei der EU. Als US-Präsident Nixon 1972 China besuchte, war er Direktor des Büros für US- Angelegenheiten im Außenministerium.
Zhao Jihua war zur Zeit von Nixons Besuch Dolmetscher und Übersetzer im chinesischen Außenministerium. Er arbeitete während den Verhandlungen zum Shanghai Kommuniqué als Sekretär. Als führender Vertreter Chinas in der sino-britischen Arbeitsgruppe (Joint Liaison Group) spielte er eine wichtige Rolle bei der Wiedererlangung der chinesischen Souveränität über Hongkong im Jahr 1997.
Tauwetter: Ministerpräsident Zhou Enlai begrüßt US-Präsident Richard Nixon am 21. Februar 1972 in Beijing.
Gipfeltreffen: Treffen zwischen dem Großen Vorsitzenden Mao Zedong, Ministerprösident Zhou Enlai und US-Präsident Richard Nixon am 21. Februar 1972 in Beijing.
Beijing Rundschau: Sie haben den historischen Besuch von Nixon und den harten Verhandlungsprozess über das Shanghai Kommuniqué miterlebt. Können Sie sich an die internationalen Hintergründe vor der Veröffentlichung des Kommuniqués erinnern?
Ding: Das Shanghai Kommuniqué wurde während Nixons Besuch in China veröffentlicht. Das war eine wichtige Errungenschaft, nachdem die bilateralen Beziehungen für über zwanzig Jahre eingefroren waren. Nach der Gründung der Volksrepublik China unterstützten die Vereinigten Staaten weiterhin die Kuomintang in Taiwan und betrachteten die Volksrepublik als Feind. Zudem verhängten sie ein Handelsembargo und bestritten die Souveränität der Volksrepublik über Taiwan, was zu einer langfristigen Trennung führte.
In den späten 1960er Jahren veränderte sich die internationale Situation stark. Einerseits wurde die Konkurrenz zwischen der Sowjetunion und den Vereinigten Staaten um die Vorherrschaft in der Welt immer intensiver. Und der aussichtslose Vietnamkrieg bereitete den politischen Entscheidungsträgern in Washington Kopfschmerzen. Andererseits verschlechterten sich die sino-sowjetischen Beziehungen von ideologischen Meinungsverschiedenheiten hin zu Grenzkonflikten. Vor diesem Hintergrund waren sowohl Beijing als auch Washington gewillt, die bilateralen Beziehungen zu verbessern.
Beijing Rundschau: Was waren die Haupthindernisse und –streitpunkte während der Verhandlungen über das Shanghai Kommuniqué? Wie wurde das Eis gebrochen?
Zhao: Henry Kissinger besuchte China im Juli 1971 als Nixons Sonderbotschafter und kündigte an, dass der US-Präsident China im folgenden Jahr einen Besuch abstatten werde. Die amerikanische Seite insistierte darauf, den Besuch an gewisse Bedingungen und konkrete Ergebnisse zu koppeln. Ansonsten würden die Alliierten der Vereinigten Staaten sowie Nixons politische Rivalen den Besuch als eine Wallfahrt Nixons ins Reich der Mitte anprangern. Ohne diplomatische Beziehungen zwischen den beiden Ländern war Nixons Reise nach Beijing – in seiner Eigenschaft als Präsident der Vereinigten Staaten – an sich schon ein politischer Erfolg für China. Doch China erhielt keinen Hinweis darauf, welcher Art die Ergebnisse sein sollten, die man sich von amerikanischer Seite vom Besuch Nixons versprach. Bei Kissingers zweitem Besuch in Beijing waren die Amerikaner dann gut vorbereitet. Kissinger brachte einen Entwurf für ein gemeinsames Kommuniqué mit. Allerdings konnte sich China mit den Artikeln des Entwurfs nicht einverstanden erklären und stellte klar, dass dieser nicht als Verhandlungsgrundlage verwendet werden könne.
Ding: Der Entwurf der Amerikaner war bloß ein Haufen Rhetorik, welche die Verständigung zwischen China und den USA beschwor. Er zielte darauf ab, Nixons Besuch in China als Erfolg darzustellen. Der Entwurf ging überhaupt nicht auf die Meinungsverschiedenheiten der beiden Seiten ein. Ministerpräsident Zhou Enlai hielt dies für inakzeptabel. Er meinte, China und die Vereinigten Staaten waren über zwanzig Jahren voneinander isoliert und vertreten viele gegensätzliche Positionen. Wenn sie diese Unterschiede unter den Teppich kehrten, würden sie damit nur die Grundlage für zukünftige Probleme schaffen.
Zhao: Deshalb entwarfen wir einen neuen Lösungsvorschlag mit einem unkonventionellen Format. Es war unmöglich, dass beide Seiten ihr völliges Einverständnis erklärten. Deshalb lag die Lösung darin, dass beide sich darin einig waren, dass sie sich uneinig waren, und sie sollten ihre Ansichten in separaten Absätzen darlegen. Zu Beginn war Kissinger erstaunt über diesen Vorschlag und fand ihn inakzeptabel. Um die Blockade zu überwinden, erklärte Zhou Henry Kissinger geduldig, dass dieses Format für beide Seiten von Vorteil sei. Durch das Auflisten der Differenzen würde klar, dass China und die Vereinigten Staaten von gewissen Positionen nicht abgerückt waren. So konnte Washington sowohl seine Alliierten und als auch politische Rivalen beruhigen. Es zeigte der Welt auch, dass China nicht von seinen Prinzipien abrücken würde, nur um die Beziehungen zu den Vereinigten Staaten zu verbessern. Dazu kommt, dass gemeinsame Standpunkte, welche aus großen Differenzen heraus erarbeitet wurden, wertvoller und verlässlicher sind. Kissinger stimmte schließlich zu.
Die Formulierung des Kommuniqués nahm viel Zeit in Anspruch und war das Ergebnis zäher Verhandlungen. Damals waren Phrasen wie „Antiimperialismus", „Länder wollen Unabhängigkeit", „Nationen wollen Befreiung" und „das Volk will Revolution" gängige Parolen in China. Kissinger fand, wenn diese Phrasen im Kommuniqué verwendet würden, sähe es so aus, als wäre der US-Präsident für ein Gerichtsurteil nach China gekommen. Er mochte besonders das Wort „Revolution" in „das Volk will Revolution" nicht und schlug stattdessen das Wort „Gerechtigkeit" vor. Nach einer heißen Debatte einigten sich beide Seiten schließlich auf „Fortschritt".
In Anbetracht der damaligen innenpolitischen Lage hätte die geringfügige Abänderung dieser oft verwendeten Parole für Aufsehen sorgen können. Die chinesische Seite schlug später vor, doch die Formulierung „das Volk will Revolution" zu verwenden. Um Kissinger zu überzeugen, zitierte Vize-Außenminister Qiao Guanhua sogar die amerikanische Geschichte. Qiao sagte, die Amerikaner sollten keine Angst vor einer Revolution haben, da sie ja den amerikanischen Unabhängigkeitskrieg eine Revolution nennen. Darauf hin akzeptierte die amerikanische Seite den Ausdruck.
Ein anderer kontroverser Begriff war „würdigen" (to acknowledge). In der englischen Version des Kommuniqués heißt es in einem Artikel: „Die Vereinigten Staaten würdigen, dass alle Chinesen auf beiden Seiten der Taiwanstraße die Ansicht vertreten, dass es nur ein China gibt und Taiwan ein Teil Chinas ist. Die Regierung der Vereinigten Staaten stellt diese Position nicht in Frage." Zuerst fanden wir das Wort „würdigen" hier unpassend und insistierten darauf, dass „anerkennen" (to recognize) an seine Stelle treten sollte. Doch die Amerikaner hielten daran fest. Erst nachdem wir Dutzende Male das Wörterbuch konsultiert hatten, akzeptierten wir den Ausdruck.
Zhao: Der offizielle Verhandlungsprozess über das Shanghai Kommuniqué war während Nixons Besuchs ziemlich hart. Die beiden Seiten, welche jeweils von Qiao und Kissinger angeführt wurden, absolvierten in sieben Tagen insgesamt elf Gesprächsrunden.
Damals war das gemeinsame Ziel der beiden Seiten, die Tür zur Normalisierung der bilateralen Beziehungen aufzustoßen. In den Verhandlungen wurde die Aufnahme diplomatischer Beziehungen nicht thematisiert. Doch um die bilateralen Beziehungen zu verbessern, mussten die beiden Seiten Fortschritte in der Taiwan-Frage erzielen. Die chinesische Regierung beharrte darauf, dass die Vereinigten Staaten ihre Streitkräfte aus Taiwan abziehen sollten, da ihre militärische Präsenz auf der Insel eine Verletzung der Souveränität Chinas darstellte. Aber die Amerikaner behaupteten, dass der Abzug ihrer Streitkräfte nur im Zusammenhang mit einer friedlichen Lösung der Taiwan-Frage geschehen könne. China betrachtete diese Bedingung als Einmischung in innere Angelegenheiten. Nach hitzigen Debatten einigten sich die beiden Seiten schließlich auf folgendes Statement: „Sie (die Vereinigten Staaten) beteuern ihr Interesse an einer friedlichen Lösung der Taiwan-Frage durch die Chinesen selbst. Aus dieser Sicht heraus bestätigen sie den Abbau militärischer Anlagen und den Abzug aller US-Streitkräfte aus Taiwan als endgültiges Ziel."
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