23-02-2012
Im Focus
Auf dem Weg zur internationalen Finanzdrehscheibe
von Lan Xinzhen

Die Marschroute der Regierung steht fest: Shanghai soll zu Chinas internationalem Finanzzentrum ausgebaut werden. Spätestens bis 2020 soll der Kraftakt geschafft sein, so sieht es der Plan der Staatlichen Kommission für Entwicklung und Reform vor. Bis dahin gibt es allerdings noch viel zu tun. Kritiker fordern vor allem eine Internationalisierung des Renminbi, die Freigabe seines Wechselkurses und freie Konvertierbarkeit.

Shanghai will hoch hinaus: Bis 2020 soll der Status der Stadt als internationales Finanzzentrum festgeklopft sein.

Fang Xinghai, Direktor des Shanghaier Büros für Finanzdienstleistungen, hat nur ein Ziel vor Augen: Bis 2020 soll Shanghai, gesetzt den Fall, dass China über eine starke Wirtschaft verfügt und der Renminbi zu einer internationalen Reservewährung geworden ist, ein Finanzzentrum von weltweiter Bedeutung sein. Dieses Vorhaben verkündete die Staatliche Kommission für Entwicklung und Reform (NDRC) am 30. Januar. Einen offiziellen Zeitplan gab sie allerdings nicht vor.

Bereits 2009 hatte der Staatsrat beschlossen, Shanghai zu Chinas internationalem Finanzzentrum auszubauen. Die Übergangsphase bis zur völligen Öffnung des Kapitalverkehrs des Landes endet 2020. Die NDRC hofft nun, Shanghai durch diesen Plan schon vor der Öffnung des Kapitalverkehrs zu einem globalen Finanzdrehkreuz auszubauen.

Vor allem die Anlaufphase bis 2015 stelle eine „Periode strategischer Chancen" für den Aufbau eines internationalen Finanzzentrums dar, so die Kommission. Bis dahin werde Shanghai zu einem globalen Zentrum für RMB-Produktinnovationen, Handel, Clearing und Preisgestaltung werden.

Die Metropole habe bereits detaillierte Pläne ausgearbeitet: Vorgesehen ist eine zügige Verbesserung des Finanzmarktsystems, der Aufbau eines grenzüberschreitenden RMB-Zahlungsverkehrs sowie einer zentralen Wertpapierverwahrung. Außerdem beschleunige man derzeit Reform und Innovation des Finanzmarktes.

Gute Ausgangsposition

In dem von der Kommission veröffentlichten Plan vom 30. Januar heißt es außerdem, Shanghai setze derzeit alles daran, sich durch den weiteren Ausbau seines Finanzmarktsystems und die Fokussierung auf Finanzreform, Öffnung und Finanzinnovationen seinem angestrebten Status als internationalem Finanzzentrum schrittweise zu nähern.

In den vergangenen Jahren ist Shanghais Finanzmarktsystem kontinuierlich verbessert und merklich vergrößert worden, dazu haben vor allem die Eröffnung der Terminbörse „China Financial Futures Exchange" sowie des „Shanghai Clearing House" beigetragen. Der Shanghai Interbank Offered Rate (SHIBOR) konnte als täglich festgelegter Referenzsatz im Interbankengeschäft etabliert werden. Der Finanzplatz Shanghai hat seine maßgebliche Stellung bei der Festlegung des RMB-Wechselkurses und der Fixierung des Zinssätze gefestigt. Mittelfristige Schuldverschreibungen, Gold-, Zink- und Aktienindex-Termingeschäfte, die immer wichtiger für Shanghais Finanzmarkt werden, haben Shanghais Funktion für Handel und Preisbildung deutlich gestärkt.

Statistiken aus Shanghai zeigen, dass der Einfluss des Finanzmarktes der Metropole wächst. 2010 belegte die Shanghaier Börse beim Handelsvolumen weltweit Platz drei, beim Börsenwert zum Jahresende rangierte sie weltweit auf dem sechsten Platz. Bei der Bilanz der hinterlegten Anleihen belegte das Shanghaier National Interbank Funding Center international den fünften Rang und bei der Zahl der gehandelten Kontrakte ist die Shanghaier Börse Vizeweltmeister unter den Waren- und Terminbörsen. Die Metropole ist eines der drei Preisbildungszentren für Buntmetalle. Das Gold-Handelsvolumen an der Shanghaier Goldbörse belegt weltweit die Spitzenposition.

Nachbesserungsbedarf besteht

Trotz allem hat Shanghai noch einen langen Weg vor sich hin zu einer globalen Finanzdrehscheibe, die den Bedürfnissen der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung des Landes gerecht werden kann. Probleme bereiten nach Ansicht der Staatlichen Kommission für Entwicklung und Reform (NDRC) weiterhin unzuverlässige Marktmechanismen, geringe Innovationskraft sowie der derzeit noch unbefriedigende Öffnungsgrad des Finanzmarktes. Noch immer gibt es in Shanghai zu wenige und zu wenig diversifizierte institutionelle Anleger. Auch bei den Finanzprodukten und -instrumenten gibt es nur eine geringe Auswahl.

Außerdem müsse die Metropole seine Ressourcenverteilung am Finanzmarkt verbessern, die internationale Wettbewerbsfähigkeit und den Einfluss seiner Finanzinstitutionen erhöhen und den Grad der Internationalisierung seiner Finanzindustrie steigern, so die Kommission weiter. Darüber hinaus gelte es, das rechtliche und steuerliche Umfeld zu verbessern sowie bessere Bedingungen für Kreditvergabe, Aufsicht und den Bereich Personaldienstleistungen zu schaffen.

Diese Probleme gilt es dringend anzupacken. Hierzu muss die Regierung die Reform und Öffnung der Finanzindustrie weiter beschleunigen.

Wie weit Shanghai noch vom Prädikat einer echten internationalen Finanzdrehscheibe entfernt ist, bleibt umstritten. In Sachen Professionalität, Infrastruktur und Technologien liege Shanghai kaum hinter New York und Tokyo, den beiden größten Finanzdrehscheiben der Welt, sagt Yi Xianrong, Forscher am Institut für Finanzen und Bankwesen der Akademie für Sozialwissenschaften. Einen beträchtlichen Rückstand gebe es allerdings, was die Geldpolitik betreffe.

Damit Shanghai mit der internationalen Konkurrenz mithalten könne und zum globalen Finanzzentrum avanciere, müssen für Yi drei Voraussetzungen erfüllt sein: der Renminbi muss ins Ausland gehen können, wie andere frei konvertierbare Währungen für alle Geschäfte nutzbar gemacht werden und ausländische Institutionen und Privatpersonen sollten sich an ausländischen RMB-Märkten beteiligen können und damit den Handel ausweiten.

Sun Lijian, Vizedirektor der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Shanghaier Fudan-Universität, gibt zu bedenken, dass der Plan der Kommission den Devisenmarkt ausklammere. Daraus lasse sich ableiten, dass die Regierung nicht plane, den Wechselkurs freizugeben und eine freie Konvertierbarkeit des Renminbi bei Kapitalkonten zu ermöglichen.

„Diskussionen um Professionalität, Infrastruktur und Technologien mal beiseite genommen, allein wegen der Kapitalkontrolle ist es unwahrscheinlich, dass der Shanghaier Renminbi-Markt eine wichtige globale Finanzdrehscheibe wird, bevor China eine freie Konvertierbarkeit seiner Währung ermöglicht", so Sun.

Es gibt noch viel zu tun für Shanghai, um sich zur globalen Finanzdrehscheibe zu mausern. Ausländische Investoren sehen noch immer viele Nachteile: Zum einen ist Chinas Gesetzgebung bisher recht konservativ, was die zulässigen Finanzprodukte angeht, viele komplizierte Produkte, vor allem Finanzderivate, sind in China bisher verboten. Das macht es für Shanghai schwierig, sein Führungspotential beim chinesischen Derivatenhandel zu entfalten. Zum anderen ist der internationale Gebrauch des Renminbi noch immer sehr begrenzt und auch Shanghais Dienstleistungsbereich wird den Bedürfnissen des Aufbaus eines internationalen Finanzzentrums noch immer nicht gerecht.