Verseuchter Fluss: 27. August 2011, Dai Ming aus dem Dorf Daicun in der Nähe von Leping in der Provinz Jiangxi, klagt über die Belastung des Flusses mit Industrieabwässern.
Industrie-Kloake: Abwässer aus Chemiebetrieben bilden im Banner Rogtoh in der Autonomen Region Innere Mongolei einen künstlichen See, der die Gesundheit der Mesnchen gefährdet. REN JUNCHUAN
Malerisch gelegen zwischen sanften Hügeln und dem See Poyang, dem größten Süßwasserreservoir Chinas, war die Stadt Leping in der Provinz Jiangxi berühmt für die Schönheit seiner Naturlandschaft und den Anbau hochwertigen Gemüses.
Seit im Jahre 2004 ein Industriepark angesiedelt wurde, ist alles anders. Die Reisernte und der Gemüseanbau wirft kaum noch etwas ab. Der Industriepark Leping beherbergt rund fünfzig Firmen, dreißig von ihnen sind Chemiebetriebe, die Pharmazeutika, Kunststoffartikel und Baumaterialien herstellen.
Cheng Niuzai, ein 63-jähriger Einwohner des Dorfes Xinwan, das in unmittelbarer Nähe des Industrieparks liegt, erzählt, dass die Verschmutzung so stark ist, dass Bäume, Blumen, Früchte und Gemüse in dieser Umgebung kaum noch gedeihen könnten. Allenfalls noch Wurzelgemüse wie Möhren oder Süßkartoffeln.
Durch zwei offene Kanäle werden in den nahegelegenen Fluss Le´an Abwässer eingeleitet. Einer dieser Kanäle führt an Xinwan vorbei. Nach Angaben der Dorfbewohner ist das Wasser aus ihren Brunnen seither nicht mehr drinkbar.
Der andere Kanal wird durch eine Abwasseranlage im Industriepark geleitet und fließt anschließend in den Lean-Fluss. Allerdings ist die Abwasseranlage nicht in Betrieb genommen worden.
"Das Klärwerk ist auf die Behandlung von Haushaltsabwässern ausgelegt und daher nicht in der Lage, Industrieabwässer zu reinigen", sagt Zhu Xiaoping, der stellvertretende Leiter des Umweltamtes von Leping. Nach Darstellung von Zhu wird die Anlage gegenwärtig den neuen Anforderungen angepasst und soll ab Juni 2012 einsatzbereit sein. Bis dahin sind die stark umweltbelastenden Betriebe des Industrieparks angewiesen, ihre Produktion einzustellen oder erheblich zu reduzieren.
Einige der Unternehmen wurden aus wirtschaftlich entwickelteren Nachbarprovinzen wie zum Beispiel Zhejiang nach Leping verlegt.
"Die wirtschaftlich entwickelteren Küstenregionen betreiben derzeit aus Gründen der Strukturreform eine «Politik der Reinigung der Käfige und des Austauschs der Vögel». Die Folge: etliche arbeitsintensive und stark umweltgefährdende Betriebe mit hohem Energieverbrauch sind geschlossen worden, um saubereren Industriebetrieben Platz zu machen", sagt Tan Huiru, ein Wissenschaftler an der Akademie für Sozialwissenschaften der Provinz Jiangxi. Das Resultat: Umweltsünder sind in unterentwickelte Regionen im Inneren des Landes ausgewichen, dorthin, wo die Lokalregierungen in ihrem Hunger nach einem höheren Bruttosozialprodukt den Umweltschutz weniger Ernst nehmen.
So gab es in Ji'an in der Provinz Jiangxi einst mehr als 50 Papiermühlen, die fast alle zugezogen waren, weil ihnen an ihren ursprünglichen Standorten in den Küstenprovinzen die Lizenz entzogen worden war.
Ausweichmanöver
In der China Youth Daily spricht eine ungenannte Quelle davon, dass Betriebe der pharmazeutischen Industrie nach Zentral- und Westchina umsiedeln, um die hohen Kosten zu vermeiden, die sie für eine sauberere Produktion in den Regionen mit strengerer Umweltgesetzgebung aufwenden müssten.
Die sachgerechte Entsorgung von Industrieabfällen und Abwässern, die im Produktionsprozess anfallen, ist normalerweise ein kostspieliges Unterfangen. So wird berichtet, dass im Banner Rogtoh in der nordchinesischen Autonomen Region Innere Mongolei die Zhongrun Co., eine Tochtergesellschaft der Shijiazhuang Pharmaceutical Group aus Shijiazhuang, der Hauptstadt der Provinz Hebei, zwei bis drei Millionen Yuan (EUR) in ihre Anlagen hätte investieren müssen, um sie soweit zu modernisieren, dass sie den nationalen Umweltstandards entsprechen würden. Das aber würde die Nettogewinne des Unternehmens im Jahresschnitt um ein sattes Drittel stutzen. Die Mehrzahl der Pharmahersteller, die mit geringen Gewinnmargen zu kämpfen haben, befinden sich in einem harten Verdrängungswettbewerb, weshalb sie meistens nicht gewillt sind, in eine umweltschonende Produktion zu investieren. Da passt es ins Bild, dass Zhongrun, nachdem sich die Muttergesellschaft in Hebei wegen starker Verschmutzung der Umwelt herber Kritik ausgesetzt sah, regelrecht die Flucht in die Innere Mongolei angetreten hat. Aber nun schädigt der Betrieb ungestraft die Umwelt im Banner Rogtoh.
"Es gibt längst Anlagen, die eine saubere Produktion garantieren. Wenn Zhongrun neue Technologien anwenden würde, würden bei der Produktion sehr wenig Abfälle anfallen", sagt Xiao Wenwei, stellvertretender Leiter der Entwicklungszone Rogtoh, der für die Ansiedlung von Unternehmen verantwortlich ist. Aber moderne Technologien sind noch immer kostspielig.
Branchenkenner haben bereits vorgeschlagen, dass die Pharmaunternehmen davon absehen sollten, Wettbewerbsvorteile auf Kosten der Umwelt zu suchen. Wenn der überwiegende Teil von ihnen die Preise um zehn Prozent erhöhen würde und die Mehreinkünfte in den Umweltschutz steckten, sähe es schon ganz anders aus.
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