Wer in China bloggen will, muss sich vorher namentlich registrieren, das gilt seit Dezember 2011 zumindest für alle Nutzer der großen chinesischen Mikroblog-Portale wie Sina, Sohu oder 163.com. Eine heftige Kontroverse ist entbrannt: Stärkt die Neuregelung die Rechte und Interessen der Internetnutzer oder schränkt sie die Redefreiheit ein? Die Beijing Rundschau hat für Sie Stimmen von Befürwortern und Kritikern zusammengetragen.
Der 16. Dezember 2011 markiert einen großen Einschnitt für Chinas Internetgemeinde: Beijinger Regierungsbehörden verabschiedeten gemeinsam eine neue Verordnung zur strengeren Kontrolle von twitter-ähnlichen Mikroblog-Portalen. Alle Blog-Anbieter mit registriertem Firmensitz in Beijing sind seither verpflichtet, Nutzer unter deren echtem Namen und mit persönlichen Daten zu registrieren. Die Angaben müssen außerdem auf ihre Richtigkeit überprüft werden, bevor die Blog-Dienste genutzt werden können. Nach der Registrierung können die Nutzer dann wie bisher einen individuellen Benutzernamen wählen, unter dem sie ihre Einträge veröffentlichen. Beijing ist die erste chinesische Stadt, in der diese namentliche Registrierung obligatorisch ist.
Für Chinas geschätzte 500 Millionen Internetnutzer, vor allem die Nutzer der großen Blog-Portale wie Sina, Sohu oder 163.com, die allesamt ihren Sitz in der Hauptstadt haben, hat der Erlass spürbare Folgen. Eine kontroverse Debatte ist entbrannt.
Befürworter sehen die Neuregelungen als Chance, eine gesündere Internetkultur zu schaffen, die keinen Nährboden für Gerüchte und das Schüren von Ängsten bietet. Durch die Vorschriften sehen sie die Rechte der Internetnutzer gestärkt, da sie verhindern, dass Internetnutzer im Schutze der Anonymität Einfluss auf Onlinediskussionen nehmen.
Kritiker sehen die Neuerungen als herben Rückschlag für die chinesische Blogger-Gemeinde. Vor allem die Redefreiheit werde durch die neue Praxis deutlich einschränkt. Und auch die Betreiber von Mikroblog-Portalen stelle die neue Praxis vor große Herausforderungen, da mit rückläufigen Nutzerzahlen zu rechnen sei. Hinzu komme, dass bisher nicht abzusehen sei, welche Folgen diese neuen Regelungen für das Internet in China haben werden.
Die Beijing Rundschau hat für Sie die wichtigsten Standpunkte in der Debatte zusammengetragen:
An Chuanxiang von xinhuanet.com:
Ende November 2011 hat die Zahl der Nutzkonten chinesischer Mikroblogs die Marke von 320 Millionen geknackt. Mikroblogging spielt eine immer wichtigere Rolle bei der Informationsverbreitung. Aber die Portale kämpfen zunehmend mit Gerüchtetreiberei, was die Rechte und Interessen der Öffentlichkeit verletzt. Der Frust der Internetnutzer über diese Entwicklung hat die Rufe von Betreibern und Nutzern nach einer stärkeren Regulation der Blog-Angebote lauter werden lassen. Die neuen Beijinger Regelungen sind zweifellos eine direkte Reaktion auf diese Forderungen.
Durch die namentliche Registrierung kann zukünftig jedes Nutzerkonto einer echten Identität zugeordnet werden. Jeder Blogger ist jetzt also für seine Einträge selbst verantwortlich. Wem ist diese Praxis nun ein Dorn im Auge?
Meiner Meinung nach stören sich vor allem diejenigen an den Neuregelungen, die online Fehlinformationen und Gerüchte verbreiten und so für Unruhe und Streitigkeiten sorgen wollen. Außerdem diejenigen, die durch dunkle Geschäfte Geld scheffeln wollen, gewalttätige und pornographische Inhalte verbreiten oder andere Internetnutzer über den Tisch ziehen wollen. Die neue Registrierungspflicht wird solche Internetbetrügereien und die Verbreitung von Gerüchten reduzieren und die Onlinewelt übersichtlicher und verlässlicher machen.
Wer über einen Mikroblog normal kommunizieren möchte, für den ist die neue Praxis eine gute Nachricht. Die Glaubwürdigkeit ist letztlich der Lebensquell eines Mediums. Wenn Mikroblogs mit Gerüchten und falschen Informationen überschwemmt sind, wird die Öffentlichkeit ihr Vertrauen und Interesse verlieren. Die Neuregelungen werden die Authentizität des neuen Mediums stärken. Und das dürfte im Interesse der meisten Blogger sein.
Gleichzeitig sollte großer Wert auf den Schutz der persönlichen Daten der Nutzer gelegt werden. Die Anbieter müssen verantwortungsvoll mit den Informationen umgehen. Nur so werden die Nutzer bereit sein, sich namentlich registrieren zu lassen.
Die Neuregelungen sind ein konkreter Schritt zur Weiterentwicklung des Mikrobloggings. Nur wenn sich Nutzer, Betreiber und die verantwortlichen Behörden gemeinsam anstrengen, wird es Chinas Internetindustrie gelingen, einen gesunden, glaubwürdigen und soliden Weg einzuschlagen.
Bi Yantao, Global Times:
Auf lange Sicht wird die neue Registrierungspraxis sicher helfen, in der Internetwelt Ordnung zu schaffen. Auf kurze Sicht sollten zunächst das Betriebsumfeld der Mikroblogs verbessert werden. In Südkorea steht das System der Namensregistrierung vor dem Aus, da es mehrfach zu Datenpannen gekommen ist, bei denen Informationen der Nutzer nach außen gedrungen sind. Dabei liegt das Problem hier eher in der Praxis der Betreiber. Es wäre unfair, die Schuld der Namenregistrierung selbst in die Schuhe zu schieben.
Ob die Umsetzung erfolgreich ist, hängt sowohl von den einheimischen wie auch den internationalen Betreiberbedingungen ab. Oft wird der Schutz der Privatsphäre als Entschuldigung herangezogen, um auf eine namentliche Registrierung zu verzichten. Aber ich glaube nicht, dass die Sache so einfach ist. Global gesprochen wird die Konfrontation zwischen Regierungen sowie die Konkurrenz zwischen Nicht-Regierungsorganisationen immer schärfer.
Aus einheimischer Perspektive betrachtet, ist zu sagen, dass durch die Datenflut auch eine Menge Onlinemüll entsteht. China hat eine riesige Netzgemeinde, von daher ist es die gemeinsame Aufgabe von Regierung, Unternehmen und den Internetnutzern, Informationsmüll und Onlinebetrug einzudämmen.
In einem Internetumfeld voller Gerüchte, kann jeder das nächste Opfer sein. Hier die Spreu vom Weizen zu trennen, wird für die Blogger zunehmend zur Belastung. Von daher ist die namentliche Registrierung ein notweniger Schritt.
Mit der neuen Praxis werden Blogger, die frei ihre Meinung kundtun, gewiss nicht von der Bildfläche verschwinden. Wir müssen uns keine Sorgen machen, dass es in Zukunft keine Onlinekritik mehr geben wird. Wichtig ist jedoch, dass die Regierung auch die Informationstransparenz generell erhöht. Andernfalls wird es schwierig, das volle Vertrauen der Blogger zu gewinnen.
In vielen Bereichen hat sich die namentliche Registrierung in China längst durchgesetzt, etwa bei Social-Network-Plattformen, beim Onlinehandel oder dem Internetbanking. Man kann von einem regelrechten Trend sprechen. Die zentrale Frage ist, wie sich das Umfeld für die Registrierungen verbessern lässt. Alle Seiten, die Regierung, die Blog-Betreiber sowie die Mikroblogger selbst, sollten ihr Verantwortungsbewusstsein stärken, um gemeinsam die Privatsphäre der Netzbürger zu schützen.
He Bing, Southern Weekly:
Die Namensregistrierung steht nicht im Konflikt mit der Redefreiheit der Menschen. Vor ihrer Einführung musste man nur eine neuen E-Mail-Acount anlegen, um einen Blog zu eröffnen. Das Resultat: Ohne aufwendige Recherche war bisher nicht zu ermitteln, wer einen da eigentlich über das Internet beschimpfte.
Die Neuregelungen sehen vor, dass Mikroblogger auch weiterhin unter individuellen Benutzernamen Einträge veröffentlichen können. Die Redefreiheit wird somit nicht eingeschränkt. Der Vorstoß wird die Internetnutzer vielmehr dazu ermuntern, mutig Kritik zu üben und Vorschläge unter ihrer echten Identität vorzutragen. Das wird zweifellos helfen, die Kommunikation zwischen Bloggern und Regierung zu verbessern, für die Netzgemeinde also ein großer Gewinn.
Bleibt nur noch die Frage zu klären, wie die persönlichen Daten ausreichend geschützt werden können. Ein Datenmissbrauch durch die Serviceanbieter oder die zuständigen Stellen muss effektiv verhindert werden. Die Namensregistrierung ist letztlich nicht nur eine Bewährungsprobe für Chinas Mikroblogger, sondern auch für die Regierung.
Hu Xijin, Itxinwen.com:
Es ist nicht im Sinne der Gemeinschaft, dass eines Tages niemand mehr wagt, seine Meinung offen in Mikroblogs kundzutun. Das wäre letztlich schlimmer als die Schwierigkeiten, die die derzeit chaotische Blog-Landschaft mit sich bringt. Ich glaube nicht, dass die Regierung mit der Namensregistrierung bezwecken möchte, die Leute zum Schweigen zu bringen. Viele Beispiele von Onlinekritiken, die unter echtem Namen veröffentlich wurden, beweisen das Gegenteil. Dass die Leute ihre Meinungen anonym äußern, ist eher die Ausnahme.
Hu Yihua, Itxinwen.com:
Die Registrierung wird die Glaubwürdigkeit von Mikroblogs deutlich erhöhen. Und in einer vertrauenswürdigen Umgebung werden die Menschen eher dazu geneigt sein, einen echten Dialog einzugehen. Aus rechtlicher Perspektive betrachtet, stärkt die Neuregelung außerdem die Rechte und Interessen der Internetnutzer. Sehen Netzbürger ihren Ruf beschädigt, haben sie jetzt eine Anlaufstelle, an die sie sich wenden können.
Unpraktikabel und ein Eingriff in die Privatsphäre
Luo Zhiyuan, Wenming.cn:
Als Ergänzung zu den traditionellen Medien spielen Mikroblogs eine zentrale Rolle für Chinas Öffentlichkeit. Ich sehe die Neuregelungen folgendermaßen:
Erstens ist es notwendig, die gesetzlichen Vorschriften für den Betrieb des Internets und die Kontrolle darüber auf den neuesten Stand zu bringen. Die Blog-Betreiber sollten außerdem die Aufsicht über ihre eigenen Internetseiten stärken, indem sie unangemessene Inhalte aussortieren, sowie Nutzer, die falsche Informationen verbreiten, herausfiltern.
Zweitens müssen wir auch das Bewusstsein der Internetnutzer schärfen. Die Leute müssen verstehen, dass ihre Worte großen Einfluss auf andere Leute haben.
Drittens stammen radikale Einträge auf Mikroblogs normalerweise von benachteiligten Gruppen, die keine andere Möglichkeit sehen, ihre Probleme zu lösen und daher verzweifelt sind. Die Regierung sollte deshalb noch mehr Kanäle schaffen, über die Otto Normalbürger seine Probleme artikulieren kann.
Manchmal neigen wir zu Extremen. Es wäre unklug, Mikroblogs generell als „gefährlich" abzustempeln, nur weil sie ein Mittel zur Verbreitung von Gerüchten sein können. Auch die neue Registrierungspraxis wird dieses Problem nicht lösen können. Die Regierung sollte so viele Nutzer wie möglich dazu ermutigen, sich unter ihrem echten Namen zu registrieren. Gleichzeitig sollte es eine strenge Kontrolle und harte Strafen für Onlinekriminalität geben. Die Internetnutzer entscheiden letztlich selbst, ob sie bereit sind, sich namentlich zu registrieren oder nicht.
Liu Xingliang, Stcn.com:
Die neue Registrierungspraxis wird letztlich mehr schaden als nützen. Die Neuregelungen mögen vielleicht die Gerüchte reduzieren und das Netz säubern, aber möglicherweise ist der Preis, den wir dafür zahlen, dass es generell ruhiger wird in der Onlinelandschaft.
Außerdem werden die Betreiber von Mikroblog-Portalen Schaden nehmen. Noch härter wird es die Firmen treffen, die sich auf die Vermarktung von Mikroblogs spezialisiert haben, da die Nutzerzahlen vermutlich zurückgehen werden und immer mehr Internetnutzer zu bloßen Zuschauern verkommen, die sich mit Kommentaren zu gesellschaftlichen Themen zurückhalten, weil sie fürchten, verwarnt zu werden.
Hao Jinsong, Iceo.com.cn:
Mikroblogs sind letztlich nichts als eine gesellschaftliche Kommunikationsplattform. Die Leute schreiben auf Blogs genauso wie sie in Cafés oder Teestuben gehen, um sich zu unterhalten. War es jemals erforderlich, sich vor deren Zutritt namentlich zu registrieren?
Bei Feng, Tianya.cn:
Die neue Regelung ist untauglich und wird letztlich zu nichts führen. Sie wird sich nicht durchsetzen und als Trick der Funktionäre, die Leute zum Schweigen zu bringen, verpuffen. Die Webseite Sina.com zum Beispiel richtet sich nicht nur an chinesische Internetnutzer, sondern auch Nutzer außerhalb Chinas. Das Problem ist, dass in manchen Ländern die Bürger keinen Personalausweis haben. Hinzu kommt, dass sich in manchen Ländern die Bedienungsoberfläche für die Identitätsüberprüfung nicht öffnen lässt. Das wird ein großes Problem bei der Umsetzung des neuen Verfahrens darstellen. |