09-12-2011
Im Focus
Wird China Europa retten?
von Jiang Shixue

 

Investment statt Notverkauf: Jiang Yiren, Vizepräsident des Chinesischen Verbandes für Betriebswirtschaft, spricht auf dem 7. Globalen Chinesischen Businessmeeting am 8. November im spanischen Valencia. Offizielle chinesische Statistiken belegen, dass China 2010 Direktinvestitionen in Europa in Höhe von fast 6 Milliarden Dollar, umgerechnet rund 4,48 Milliarden Euro, getätigt hat. (Chen Haitong)

China und Europa haben eine umfassende strategische Partnerschaft aufgebaut. Als strategischer Partner der EU ist China verpflichtet, die von der Schuldenkrise betroffenen europäischen Staaten zu unterstützen. China hat sich letztlich dazu durchgerungen, Staatsanleihen aus Griechenland und anderen europäischen Ländern zu kaufen, und zwar nicht, um als „guter Samariter" aufzutreten, sondern weil das Land seine Freundschaft zu den Europäern hoch schätzt. Gleichzeitig bietet sich für China so die Chance, seine Devisenreserven zu diversifizieren.

Einige Kritiker werfen China allerdings vor, dass China eine Gegenleistung für seine Unterstützung erwarte; nämlich dass die EU seinen Status als Marktwirtschaft anerkennt. Vor diesem Hintergrund erscheine die Hilfe lediglich als „freundschaftliche Erpressung", schreibt etwa der Reuters-Kolumnist John Foley. Wen Jiabao sei in seiner Rede auf dem Annual Meeting of the New Champions des Weltwirtschaftsforums am 14. September im nordostchinesischen Dalian, Provinz Liaoning, „ungewöhnlich offen gewesen, was er als Gegenleistung erwarte: von Europa als Marktwirtschaft anerkannt zu werden", schreibt Foley in einem Artikel. Dieser Schritt würde Europa wenig kosten, aber das heiße noch lange nicht, dass Europa zustimmen sollte, so Foley weiter.

Tatsächlich ist Chinas Angebot zur Unterstützung der europäischen Nationen völlig unabhängig von Chinas Forderung nach Anerkennung seines marktwirtschaftlichen Status. Foley hat die Rede des chinesischen Ministerpräsidenten völlig falsch eingeordnet. Nichts läge China ferner, als ein brennendes Haus zu plündern oder sich von einem Sterbendem abzuwenden.

China wird der EU nicht den Rücken kehren, aber China kann die europäische Schuldenkrise auch nicht lösen. Chinas Unterstützung jedoch als „freundschaftliche Erpressung" zu titulieren, ist lächerlich.

 

Unterschiedliches Verständnis von Hilfe

„Retten" kann letztlich zwei Bedeutungen implizieren: Entweder jemandem aus der Patsche zu helfen oder zu verhindern, dass eine bestehende Notlage sich weiter verschlimmert. Für China gibt es also zwei Möglichkeiten, den angeschlagenen europäischen Staaten zu helfen: Ein denkbarer Weg wäre, ihnen aus der Schuldenkrise zu helfen und sie dabei zu unterstützen, wieder ein gesundes Wirtschaftswachstum zu erlangen. Zum anderen könnte China Maßnahmen ergreifen, damit die betroffenen Länder nicht noch tiefer im Schuldenschlamassel versinken. Angesichts der derzeitigen Situation erscheint der erste Weg eindeutig utopisch, der zweite wesentlich rationaler.

Neben dem Erwerb von Staatsanleihen europäischer Länder kann China den Europäern auch durch andere Maßnahmen unter die Arme greifen: Denkbar wäre etwa, dass China mehr Waren und Dienstleistungen aus Europa importiert, um so die Exporteinnahmen der europäischen Staaten zu steigern. Außerdem könnte China dem Internationalen Währungsfond (IWF) mehr Kapital zuführen. Dem IWF stünden so mehr finanzielle Ressourcen zur Verfügung, um den schuldengebeutelten EU-Staaten zur Hilfe zu eilen. Darüber hinaus könnte China seine Direktinvestitionen in Europa erhöhen. Sowohl Griechenland als auch Irland, Italien und Spanien haben bereits Privatisierungspläne entworfen, um ihr Haushaltsdefizit zu reduzieren. Hier bieten sich große Chancen für chinesische Investoren.

Fakt ist, dass Chinas gute Absichten in Europa nicht immer auf Gegenliebe stoßen. Erst im November hatten isländische Behörden den Antrag eines chinesischen Geschäftsmannes abgelehnt, ein Urlaubsressort in Island zu errichten. Europäische Kritiker fürchteten, durch die Investition könne es China gelingen, strategisch im Nordatlantik Fuß zu fassen. China plane „die Welt aufzukaufen", so der Vorwurf des isländischen Innenministers Ogmundur Jonasson.

„Chinas Investitionen in Europa machen die Europäer nervös", brachte es „The Economist" im Juni dieses Jahres in einem Artikel auf den Punkt. Die Europäer fürchteten, China plane mit seinen gigantischen Ersparnissen, Europas Juwelen zu Schleuderpreisen zu erwerben.

Im Juli veröffentlichte der Europäische Rat für Auslandsbeziehungen (ECFR) einen Bericht mit dem Titel „Das Gerangel um Europa", in dem er verstärkte Investitionen aus Schwellenländern, darunter auch China, in Europa anprangerte.

Bei der Bewältigung einer Krise ist vor allem eines wichtig: Vertrauen. Staatspräsident Hu Jintao erklärte, er glaube fest daran, dass die europäische Staatengemeinschaft die Fähigkeit und auch die Weisheit besitze, die derzeitigen Schwierigkeiten zu überwinden. Ministerpräsident Wen Jiabao versicherte den Europäern, dass China bereit sei, die EU bei der Überwindung der Schuldenkrise zu unterstützen. Eins steht fest: Die Haltung von Chinas politischer Führung dürfte das Vertrauen der Europäer in die Bewältigung der Krise deutlich stärken.    

 

 

 

 

Der Autor ist Vize-Direktor des Instituts für Europastudien der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften.

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