09-12-2011
Im Focus
Wird China Europa retten?
von Jiang Shixue

Noch immer ringen die Europäer um eine gemeinsame Strategie zur Bewältigung ihrer Schuldenkrise. Unterdessen werden international die Stimmen lauter, die aufstrebende Wirtschaftsmacht China mit ihren gigantischen Devisenreserven solle der EU zur Hilfe eilen. Die chinesische Regierung bekräftigte zwar ihren Willen zur Unterstützung, China kann aber nicht der Schlüssel zur Lösung von Europas Schuldenkrise sein. Die Europäer müssen die Misere letztlich aus eigener Kraft bewältigen.

 

Gestolpert über die Schuldenkrise: Die ehemaligen Premierminister Silvio Berlusconi (Italien), Jose Luis Rodriguez Zapatero (Spanien), Brian Cowen (Irland), George Papandreou (Griechenland) und Jose Socrates (Portugal), im Uhrzeigersinn von oben links. (Quelle: Xinhua)

 

In den spanischen Parlamentswahlen am 20. November fuhr die Volkspartei einen überwältigenden Sieg ein. Sie löste damit die bisher regierende Sozialistische Arbeiterpartei ab, die das Land seit 2004 geführt hatte. Spanische Medien hatten den Sozialisten angesichts der anhaltenden wirtschaftlichen Stagnation im Lande schon im Vorfeld eine herbe Wahlschlappe prophezeit.

Spaniens Premierminister Jose Luis Rodriguez Zapatero war nicht der erste europäische Regierungschef, der die politischen Nachwirkungen der EU-Schuldenkrise bitter zu spüren bekam. Vor ihm hatten mit dem Griechen Papandreou, Italiens Premierminister Berlusconi, dem Portugiesen Jose Socrates und dem Iren Brian Cowen bereits vier europäische Regierungsführer wegen für sie unlösbarer Wirtschaftsprobleme das Handtuch werfen müssen.

Diese Machtverschiebungen haben das Vertrauen in die Märkte letztlich keineswegs gestärkt, sondern die Krisenstimmung zusätzlich befeuert. Tatsächlich bedeutet der Regierungswechsel aber neue Chancen und Möglichkeiten, einen Weg aus der Krise zu finden. Im Falle von Silvio Berlusconi hatten viele internationale Medien schon im Vorfeld auf einen Rücktritt des umstrittenen Premiers gedrängt. Nur durch einen Abgang des reformunwilligen Regierungsführers könnten mutige Veränderungen in Italien angestoßen werden, nur so sei auf eine Wiederbelebung der italienischen Wirtschaft zu hoffen, so der Tenor. Auch dem griechischen Premier Papandreou trauten nur die wenigsten zu, die griechische Schuldenkrise noch in den Griff zu bekommen. Auch deshalb, weil fast alle seiner bisherigen Maßnahmen zur Bewältigung der Misere auf enormen Widerstand in der griechischen Bevölkerung gestoßen waren.

Ob die wirtschaftlichen Reformen der neuen portugiesischen Regierung die erwünschten Erfolge bringen, bleibt noch abzuwarten. Sicher ist jedoch, dass die jüngsten Ergebnisse der neuen irischen Regierung eindeutig Anlass zur Hoffnung geben, dass den Iren der Sprung aus der Talsohle gelingt. EU-Prognosen prophezeien dem Inselstaat für 2011 ein Wirtschaftswachstum von 1,1 Prozent. 2010 war die irische Wirtschaft noch um 0,4 Prozent geschrumpft. Für die neuen Regierungen in Italien, Griechenland und Spanien ist es sicherlich noch zu früh, eine Prognose für die Zukunft auszusprechen.

 

Gegenseitiges Abhängigkeitsverhältnis

Vor dem Hintergrund des anhaltenden Zwistes innerhalb der EU und den weiter deutlich spürbaren Nachwirkungen der Schuldenkrise erhoffen sich nun viele der krisengeschüttelten europäischen Länder Rettung von der aufsteigenden Wirtschaftsmacht China. Die Meinungen zur Rolle Chinas gehen dabei allerdings weit auseinander.

Einige sehen China als Retter in der Schuldenkrise. China als neuer Wirtschaftsgigant mit seinen Devisenreserven in Höhe von mehr als 3 Billionen Dollar, umgerechnet rund 2,24 Billionen Euro, sei durchaus in der Lage, den europäischen Ländern aus der Schuldenmisere zu helfen, sagen sie.

Diese Theorie wird vor allem durch stark übertriebene Berichte in den weltweiten Medien befeuert. In einem Artikel der britischen Wochenzeitschrift „The Economist"  vom April dieses Jahres hieß es etwa, China sei durch seine Devisenreserven zum „dreifachen Dollar-Billionär" aufgestiegen. Im Vergleich dazu, so das Blatt, läge der Gesamtwert der für das Jahr 2011 prognostizierten weltweiten Rohölproduktion bei 3,41 Billionen Dollar, alle Farmen in den USA würden zusammen auf 1,87 Billionen Dollar beziffert und die Staatsschulden der so genannten PIGS-Staaten – Portugal, Irland, Griechenland und Spanien – beliefen sich auf 1,51 Billionen Dollar.

Obwohl China seit dem Beginn der Reform- und Öffnungspolitik vor rund 30 Jahren wirtschaftlich enorm an Einfluss gewonnen hat, ist das Land noch immer ein Entwicklungsland. Noch immer leben in China mehr als 200 Millionen Menschen unterhalb der internationalen Armutsgrenze. Chinesische Senioren streichen keine üppigen Pensionen ein, wie es viele Europäer tun. Und auch Chinas Devisenreserven sind letztlich dem Export von Waren zu verdanken, die von Niedriglohnarbeitern unter hohen ökologischen Kosten produziert wurden. Dass China sein hart verdientes Geld nun verwenden soll, um die europäischen Länder aus der Schuldenkrise zu retten, scheint angesichts dieser Tatsachen schlechtweg unrealistisch.

Den verschuldeten Nationen Europas ist es noch immer nicht gelungen, effektive Reformen anzustoßen. China sollte vor diesem Hintergrund nicht einfach jeder Forderung, mit der das Land konfrontiert wird, zustimmen. Es sind letztlich die Europäer selbst, die sich in die momentane Krisenlage manövriert haben, und sie sollten auch selbst einen Ausweg aus der Misere finden.

Unbestreitbar ist allerdings, dass in einer Zeit wirtschaftlicher Globalisierung die Staaten der Welt stark voneinander abhängig sind. Treten in einigen Ländern Probleme auf, sollten die übrigen Staaten der Weltgemeinschaft in vernünftiger Weise Unterstützung leisten und nicht einfach wegsehen.

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