Ausländische Investitionen heiß begehrt: Chinesische Kunden bevölkern einen Supermarkt der französischen Kette Carrefour in Beijing. Der Zufluss ausländischer Direktinvestitionen nach China nimmt kontinuierlich zu, nicht zuletzt, weil die chinesische Regierung zunehmend ein faires Marktumfeld etabliert.
Vitaler privater Sektor: Fließbandarbeiter montieren Solarbatterien in einem privaten Energieunternehmen in Heyuan, Provinz Guangdong. Private Firmen florieren in China und verleihen der nationalen Wirtschaft entscheidende Impulse.
Durch die Umwandlung von uneffizienten Staatsbetrieben in Aktiengesellschaften stimuliert die chinesische Regierung die Wirtschaftsdynamik zusätzlich. Daten des Berichtes der Beijing Normal University belegen, dass bis 2008 bereits 988 der insgesamt 1293 staatlichen Betriebe, d.h. rund 77 Prozent, in Kapitalgesellschaften mit mehreren Aktionären umgewandelt wurden.
Auch der Bereich Unternehmensführung wurde reformiert und durch die Etablierung von Verwaltungsräten, einem System der Vorstandvergütung, Anteilseignerstrukturen und finanzieller Transparenz deutlich effektiver gemacht. 2008 hielten bereits rund 92 Prozent der umgewandelten 988 ehemaligen Staatsbetriebe Aktionärsversammlungen ab, 95 Prozent verfügten über einen Verwaltungsrat, rund 81 Prozent über einen Aufsichtsrat.
Begleitet wurden die Reformen von einer bis dahin nie da gewesenen Öffnung nach außen mit dem Ziel, neue Exportmärkte zu erschließen und ausländische Investitionen, Technologien und Management-Know-how ins Land zu holen. China gewährte ausländischen Investoren Eintritt in eine Reihe staatlich kontrollierter Sektoren, etwa die Bereiche Finanzen, Bankwesen, Versicherungen, Wertpapiere und Gesundheitswesen. Damit erfüllte das Land eine seiner zentralen Zusagen gegenüber der WTO.
Auch die chinesische Gesellschaft ist flexibler und dynamischer geworden, einschließlich größerer sozialer und geographischer Mobilität sowie horizontaler Integration. Arbeitnehmer genießen immer mehr Rechte, etwa bei der Vergütung und der freien Wahl des Arbeitsplatzes. Immer öfter thematisieren Chinas Medien Fälle, in denen Produktionsbetriebe, vor allem an der chinesischen Ostküste, Probleme haben, ausreichend Arbeitskräfte zu finden, da die Arbeiter zunehmend höhere Löhne fordern.
Zhuang Jian, Chefökonom für den Bereich China bei der Asiatischen Entwicklungsbank, sagt, China sei mittlerweile im Großen und Ganzen zu einer freien Marktwirtschaft geworden, in der die Preise der meisten Produkte durch die Bedürfnisse des Marktes bestimmt würden.„Seit dem Eintritt in die WTO hat das Land seine Einfuhrzölle drastisch gesenkt und den Außenhandel liberalisiert. Gleichzeitig wird alles unternommen, um die Gesetzgebung für Unternehmen zu verschärfen, das Investitionsumfeld zu verbessern und die geistigen Eigentumsrechte schützen", so Zhuang.
„Es ist an der Zeit, dass der Westen Chinas Leistungen der letzten Jahre bei der Öffnung seiner Märkte anerkennt", fordert Xu Hongcai, Wirtschaftsexperte des Zentrums für Internationalen Wirtschaftsaustausch. Unbegründete Kritik sei fehl am Platz und eine weitere Diskriminierung des Landes bedeute einen harten Schlag für Handelskooperationen und Geschäftsfusionen zwischen China und dem Westen.
Marschroute für die Zukunft
Trotz der Forschritte, die China bereits bei seinen marktorientierten Reformen erzielen konnte, gibt es noch viel zu tun. „China ist mit seinen Marktreformen noch lange nicht am Ende", prophezeit Fan Gang, Leiter des Nationalen Instituts für Wirtschaftsforschung. „Um eine moderne Marktwirtschaft aufzubauen, muss China seine Finanzindustrie noch weiter öffnen, Lücken bei der sozialen Absicherung schließen und das Rechtsstaatsprinzip etablieren."
„China sollte dabei auch Lehren aus der globalen Finanzkrise 2008 ziehen und die Marktaufsicht sowie die makroökonomische Kontrolle verstärken, um zu verhindern, dass der Markt aus dem Gleichgewicht gerät", rät Fan.
Das Land dürfe keine Kräfte und Mühen scheuen, die Reformen in einer Reihe von Sektoren mit staatlichem Monopol weiter zu vertiefen, etwa im Bereich Energie und Telekommunikation. Außerdem müsse die Regierung für faire Wettbewerbsbedingungen sorgen, sagt Zhuang.
Schon heute hat Chinas Regierung in diesen Bereichen zahlreiche Anstrengungen unternommen. So wurde zum Beispiel Anfang 2009 beschlossen, die Kraftstoffpreise an Chinas Tankstellen flexibler an die Bedingungen des Marktes anzupassen. Wenn der internationale Rohölpreis für einen Zeitraum von mehr als 22 Arbeitstagen um mehr als 4 Prozent zu- oder abnimmt, werden die Preise an Chinas Zapfsäulen entsprechend justiert. Dieser Vorstoß stellt einen bemerkenswerten Einschnitt dar: Zuvor diktierte die Regierung ein relativ starres Preisschema, in dem nur selten und unregelmäßig Veränderungen vorgenommen wurden.
Ein weiteres Problem, mit dem sich Chinas Regierung konfrontiert sieht, ist der noch immer stark konzentrierte Aktienbesitz. Dieser stellt vor allem ein Hindernis für die Verbesserung der Unternehmensführung dar. 2010 führte die Chinesische Akademie der Sozialwissenschaften eine Studie unter Chinas 100 führenden börsennotierten Unternehmen durch. Die Ergebnisse zeigen, dass der Großteil der Firmen zwar große Fortschritte bei der Offenlegung von Informationen, der Risikokontrolle sowie der Vermögensverwaltung verbuchen konnte. Problematisch allerdings war, dass bei 71 Prozent der Unternehmen die fünf größten Anteilseigner mehr als die Hälfte der gesamten Vermögenswerte des Unternehmens hielten, auch wenn hier im Vergleich zu 2009 (77 Prozent) ein leichter Rückgang zu verzeichnen war.
„Solche Beteiligungsverhältnisse machen es schwierig, die Interessen kleinerer Investoren zu schützen und sie schrecken außerdem potentielle Interessenten für Fusionen oder Übernahmen ab", erklärt Zhang Zhengjun, Forschungsrat des Forschungs- und Entwicklungszentrums des Staatsrates. „Eine mögliche Lösung wäre, die Diversifizierung des Aktienbesitzes bei ehemaligen Staatsbetrieben zu fördern, etwa durch die Einführung strategischer Investoren", so Zhang.
Feng Bing, Vize-Direktor des Chinesischen Unternehmerverbandes, hält den Schutz der geistigem Eigentumsrechte für die derzeit dringlichste Aufgabe, die es für China zu bewältigen gilt. Fortschritte in diesem Bereich stellten einen Eckpfeiler des regulativen Rahmens einer Marktwirtschaft dar und auch einen Katalysator für die Innovationskraft eines Landes, so Feng.
In den letzten Jahrzehnten sind China auf diesem Gebiet bereits bemerkenswerte Fortschritte gelungen, etwa durch eine Reihe von Kampagnen, bei denen hart gegen Fälschungen und Produktpiraterie durchgegriffen wurde. Auch die Unternehmen messen den geistigem Eigentumsrechten einen immer höheren Stellenwert bei.
Laut einem Bericht der Weltorganisation für Geistiges Eigentum rangiert China nach dem Madrider System für die internationale Registrierung von Marken bei internationalen Markenanmeldungen weltweit auf Platz zwei, bei den Patentanmeldungen liegt das Land global an vierter Stelle.
„Die Schutzmechanismen verbessern sich zunehmend, obwohl es natürlich noch immer Schwachstellen gibt", resümiert Feng. Es gebe noch immer eine Diskrepanz zwischen den Rechtsvorschriften und deren tatsächlicher Umsetzung. „Noch immer ist der Preis, den man in China für die Verletzung geistiger Eigentumsrechte zahlen muss, vergleichsweise gering. Deshalb gibt es nur eine geringe Abschreckungswirkung", sagt der Experte. „Außerdem ist das öffentliche Bewusstsein für die Problematik noch immer kaum vorhanden. Hier muss in Zukunft ein Sinneswandel erreicht werden." |