Auf der 6. Plenarsitzung des 17. Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas wurden die Beschlüsse des Zentralkomitees der KP über Reformen im Kulturbereich und die Förderung der sozialistischen Kultur gebilligt. Die Entwicklung des Kulturwesens und die Reform des Systems kultureller Förderung haben mit den Freizeitvorstellungen und den geistigen Ansprüchen der Bevölkerung zu tun. Wie sieht das kulturelle Leben des Volkes aus? Was wird gewünscht, was gilt als verzichtbar?
Wachmann Xiao Yu: Kungfu-Fernsehserien und romantische Telenovelas gefallen mir am besten
Xiao Yu arbeitet als Objektschützer für eine öffentliche Einrichtung und ist erst ein Jahr in Beijing. Über seine kulturellen Interessen sagt er, dass er hauptsächlich fernsieht, selten geht er ins Kino. Außerdem surft er im Internet und spielt Schach. Der 19-Jährige bevorzugt Kungfu- Fernsehserien und romantische Telenovelas. Er kritisiert, dass historische Fernsehdramen es mit der Genauigkeit oft nicht so genau nehmen. So wirkt es ziemlich unrealistisch, wenn man zum Beispiel Strommasten bei einem Schwertkampf aus dem 18. Jahrhundert im Bild sieht. Er hofft auch, dass künftig weniger Werbung ausgestrahlt wird.
Xiao Yu kommt aus Chengde, er stammt vom Land, seine Eltern sind Bauern und haben kein sehr reges kulturelles Leben. „Hoffentlich wird der Zugang zu Kulturveranstaltungen auf dem Lande verbessert", sagt er. „Vor allem ihr Inhalt sollte vielfältiger werden."
Reinigungskraft Frau Han: rote Lieder singen, Yangge tanzen
Frau Han, die im Beijinger Stadtbezirk Mentougou in einem Bürogebäude putzen geht, beklagt sich nicht über mangelnde kulturelle Vielfalt.
Han sagt, dass sie sich abends normalerweise die Fernsehnachrichten und Fernsehserien über das Alltagsleben einfacher Leute ansieht, ab und zu auch eine Kriegsserie. Filme schaut sie sich selten an. Wie Xiao Yu wünscht auch sie sich, dass die Fernsehserien realistischer sein sollten.
Außerdem geht Frau Han „rote Lieder" singen, das heißt, Lieder aus der Kampfzeit der Kommunistischen Partei und der Kulturrevolution. Die Veranstaltung wird vom Nachbarschaftskomitee ihres Wohnviertels organisiert. Sie sagt: „Jeden Abend nehmen zahlreiche Leute aus verschiedenen Altersgruppen daran teil. Nach dem Essen kommen wir um sieben Uhr zusammen. Es gibt einen Dirigenten und eine Kapelle, die sehr schmissige Musik liefert!"
In ihrem Wohnviertel tanzen auch viele Leute, manchmal macht sie mit und tanzt auf der Straße Yangge, einen traditionellen chinesischen Volkstanz, der seit den vierziger Jahren von der Kommunistischen Partei zu Propagandazwecken adaptiert wurde. Außerdem gibt es gelegentlich kostenlose Filmvorführungen und Vorführungen professioneller Akrobaten. Regelmäßig gibt es Vorträge zur Erläuterung neuer gesetzlicher Regelungen und über allgemein interessierende Themen. Han erklärt, sie sei relativ zufrieden mit ihrem kulturellen Leben.
Rentner Lao He: traditionelle Opern sehen, Zeitung lesen, über internationale und nationale Politik diskutieren
Lao He, ein 71-jähriger Rentner, lebt schon lange in Beijing. Vor seiner Pensionierung war er ein hochrangiger Übersetzer. Er führt ein sehr regelmäßiges Leben: Morgens schaut er auf dem Kulturkanal seiner alten Heimatstadt Shanghai Aufführungen der traditionellen Hu- und Yue-Oper. Er sagt: „Viele berühmte Opernstars sind schon 70 oder 80 Jahre alt, ich mag sie von klein auf. Sie stehen noch immer auf der Bühne, darüber freue ich mich sehr!" Nachmittags geht He ins Seniorenzentrum und liest dort verschiedene Zeitungen und diskutiert über aktuelle Ereignisse aus China und der Welt. Abends sieht er auf dem Beijinger Fernsehkanal bevorzugt Serien, die Ereignisse aus den Kriegen des letzten Jahrhunderts dramatisieren: Den Widerstandskrieg gegen die japanische Aggression, den Chinesischen Bürgerkrieg und den Koreakrieg. Am Wochenende geht Lao He in den Beihai-Park im Herzen Beijings und genießt die improvisierten Vorstellungen alter Künstler, die dort kostenlos und zu ihrer und ihres Publikums Freude alte Bühnenzeiten wieder aufleben lassen. He hat großes Interesse für alles, was in der Welt passiert und macht sich seine eigenen Gedanken über die Entwicklung der Kulturindustrie. Die Filmregisseure sollten nicht nur spektakuläre Historienschinken inszenieren, die auf den Massengeschmack zielen, oder verkünstelte Kammerspiele, die zwar auf Filmfestivals Preise einheimsen, aber eher etwas für ein ausländisches Publikum sind. Viele Filme sind zu negativ, die heiteren Seiten des Lebens bleiben in ihnen ausgespart. Es sollten mehr Filme gedreht werden, die in realistischer Weise das Leben der Menschen verschiedener Schichten widerspiegeln.
Für den Normalbürger sind die Kinokarten viel zu teuer: „Ich war schon zehn Jahre lang nicht mehr im Kino! Der Staat soll insgesamt mehr investieren, um das Kulturwesen zu fördern."
Der junge Journalist Qiao Zhenqi: Bücher lesen aus den Bereichen Politik und Soziologie
Qiao Zhenqi ist Redakteur bei einer politischen Zeitschrift. In seiner Freizeit liest er gerne Bücher, die politische und gesellschaftliche Fragen behandeln, aber auch Erlebnisberichte und Biografien. „Am besten gefallen mir Sachbücher und wissenschaftliche Literatur. Zum Beispiel `Die Achtziger Jahre: Ehre und Träume chinesischer Wirtschaftswissenschaftler` von Liu Hong und Ma Yongs `Xinhai – Die Erschütterung Chinas` über die Revolution, die das Kaisertum abschaffte." Reine Unterhaltungsliteratur liest er nicht.
Über den Bestsellermarkt sagt er: „Ich mag gar keine dieser Bücher lesen, die Kraut-und-Rüben-Themen behandeln und heute so populär sind: Wie werde ich schnell reich, wie kann ich vorteilhafte Beziehungen zu meinen Mitmenschen aufbauen. Das ist alles ziemlich oberflächlich und dumm. Ich denke, Bücher sollten zur Bildung beitragen und einen positiven Einfluss auf den Leser ausüben."
Da er selbst im Medienbereich arbeitet, ist er davon überzeugt, dass Medien ihre Eigengesetzlichkeit haben. Aber eben auch ihre konkrete Funktion. Sie sollen der Öffentlichkeit dienen und das tun sie am besten dadurch, dass sie ihre Aufsichts- und Schutzfunktion wahrnehmen: Aufsicht über die Aktivitäten der Politiker, Schutz der Öffentlichkeit vor Machtmissbrauch, Betrug und Ungerechtigkeit. Über die aktuelle Tendenz im chinesischen Journalismus, zur Recherche endlich das Büro zu verlassen und in freier Wildbahn Fakten zu untersuchen und Reportage-Themen zu finden, äußert er sich sehr positiv: „Guter Journalismus heißt hinauszugehen ins Leben, die Augen offen zu halten und die richtigen Fragen zu stellen. Die Journalisten sollen nicht einfach mit simplen Losungen um sich werfen, sondern Interviews sorgfältig führen und ernsthafte Artikel schreiben. Dann ändert sich der Stil von selbst und ihre Arbeit erhält eine sachliche Grundlage." |