17-11-2011
Im Focus
Sieben Milliarden Menschen bewohnen die Erde: Bevölkerungswachstum ungleich verteilt
von Zeng Wenhui

 

 Am 31. Oktober hat die Weltbevölkerung die Zahl von sieben Milliarden erreicht. Ein Kind auf den Philippinen ist der siebtmilliardste Bewohner des blauen Planeten.

Der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Ban Ki-moon, sagte zu diesem Anlass: „Es fällt schwer, sich über den Geburtstag des Kindes zu freuen, denn es ist hineingeboren in eine widersprüchliche Welt. Zwar gibt es reichlich Lebensmittel auf der Erde aber noch immer müssen eine Milliarde Menschen nachts hungrig zu Bett gehen. Viele leben auf großem Fuß, aber noch mehr leben in Armut."

Nach Statistiken des Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen (United Nations Population Fund UNFPA) hat sich die Weltbevölkerung innerhalb eines Jahrhunderts von einer Milliarde auf zwei Milliarden verdoppelt, danach hat sie innerhalb von nur 32 Jahren auf drei Milliarden zugenommen. Seit 1987 wächst die Weltbevölkerung alle 12 Jahre um eine Milliarde.

Nach Berichten der Nachrichtenagentur Xinhua bedeutet das rasche Wachstum der Bevölkerung eine erhöhte Nachfrage nach natürlichen Ressourcen. Das Angebot an Lebensmitteln, Wasserressourcen und Böden steht unter größerem Druck, Folge ist u.a. eine stärkere Umweltbelastung. Das Wachstum der Bevölkerung erfordert auch umfangreichere gesellschaftliche Ressourcen. Bildung, Medizin, Beschäftigung und Altenfürsorge stellen alle Staaten vor große Herausforderungen.

 

Jeder Staat muss eigene Probleme lösen

Zhen Zhenzhen, Forscher am Institut für Bevölkerung und Erforschung des Arbeitsmarkts bei der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften, macht in einem Interview mit der Diyicaijing Ribao deutlich, dass das Bevölkerungswachstum ungleichmäßig verteilt ist. Man müsse die Aufmerksamkeit auf die unterschiedliche demografische Situation in den verschiedenen Weltregionen richten. 

Nach Statistiken der Vereinen Nationen sieht die Fruchtbarkeitsrate je nach Weltgegend ganz verschieden aus. Afrika weist mit 4,64 Geburten pro Frau die höchste Rate auf, Europa mit 1,53 die niedrigste. Berechnungen gehen davon aus, dass ein Wert von 2,1 erforderlich sei, wenn man langfristig die Bevölkerungszahl konstant halten möchte. Die Industriestaaten Europas und Japan stehen vor der Herausforderung einer sinkenden Geburtenrate, einer Überalterung der Bevölkerung und damit einhergehend einem Mangel an Arbeitskräften. Beispielsweise steht in Japan schon seit mehreren Jahren die Bevölkerungspyramide auf dem Kopf: wenig Kinder, viele Alte. In Europa steht das System der sozialen Absicherung unter dem großen Druck wachsender Überalterung. Einige Experten sehen für die Jahre zwischen 2020 und 2050 in Europa ein krisenhaftes Szenario voraus.

 In den meisten Entwicklungsländern heißt die großen Herausforderungen hingegen schnelles Wachstum einer bereits sehr großen Bevölkerung. Ernährung, Schulbildung, Medizin und Arbeit drohen zu Mangelwaren zu werden oder sind es bereits. In der Landwirtschaft Afrikas fehlt es vor allem an Bewässerungssystemen und an Schutz vor Dürre und Hochwasser. Vor dem Hintergrund schlechter Ernten in Nord- und Westafrika erkennen immer mehr Menschen, dass Familienplanung unverzichtbar ist.

Gu Baochang, Professor beim Forschungszentrum für Bevölkerung und Entwicklung an der Volksuniversität, erklärt das weitere Wachstum der Weltbevölkerung für unvermeidbar. Anstatt sich über die schiere Zahl zu sorgen, hält er es für vernünftiger, die Altersstruktur und die Geschlechterverteilung zu analysieren und so früh wie möglich eine geeignete Bevölkerungspolitik zu ergreifen. Er sieht die Weltbevölkerung in einer neuen Entwicklungsphase. Die Fruchtbarkeitsrate sei durchaus seit längerer Zeit rückläufig. Laut Statistiken der Vereinten Nationen sei sie von 4,45 im Jahr 1970 auf aktuelle  2,45 gefallen. Dieser Trend gilt weltweit. Nicht nur in den Staaten mit niedriger Geburtenrate, sondern auch in den Staaten Afrikas und Arabiens. Die Fruchtbarkeitsrate in den meisten Ländern Europas und Ostasiens bewegt sich bereits unterhalb des Wertes von 2,1 Geburten pro Frau.

Neben einer sinkenden Geburtenrate sind eine rasche Überalterung und eine beschleunigte Urbanisierung sowie eine größere Bevölkerungsverschiebung durch weltweite Migration festzustellen.

 

Chinas Familienplanung erfolgreich

Laut Mitteilung der Staatlichen Kommission für Bevölkerung und Familienplanung sind in China hat nach Einführung der Familienplanung 400 Millionen Menschen weniger geboren worden, so dass die Geburtsstunde des siebtmilliardsten Menschen fünf Jahre später geschlagen hat.

Der Anteil der Chinesen an der Weltbevölkerung ist von 22 Prozent Anfang der 80er Jahre auf 19 Prozent im Jahr 2010 gesunken. Das Land habe seine Bevölkerungsentwicklung innerhalb von nur dreißig Jahren verbessert. Andere entwickelte Länder hätten für diesen Prozess hundert Jahre gebraucht.

Li Bin, Direktor der Staatlichen Kommission für Bevölkerung und Familienplanung Chinas, sagt: „Ohne Familienplanung würde die Bevölkerungszahl jetzt bereits über 1,7 Milliarden liegen und die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung dadurch vor noch größeren Schwierigkeiten stehen."

Dank der Ein-Kind-Politik sei die Geburtenrate in China zurückgegangen. Dadurch liege das Bevölkerungswachstum Chinas unter dem weltweiten Durchschnitt. Dies habe bewirkt, dass durch die geringere Zahl von Heranwachsenden Druck von dem Bildungssektor, dem Wohnungsbau und dem Arbeitsmarkt genommen wurde. Soziale Stabilität und Wirtschaftsentwicklung hätten davon enorm profitiert, so Li Bin weiter.

Außerdem sei das durchschnittliche Nettoeinkommen der ländlichen Bevölkerung und das verfügbare Einkommen der Stadtbewohner pro Kopf entsprechend gestiegen. Die Zahl der in Armut lebenden Leute sei erheblich gesunken. In Sachen Armutsbekämpfung werde China ein Vorbild für die Entwicklungsländer.

Nach Li Bin wird die Bevölkerungszahl noch eine Schlüsselrolle für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung in China spielen. Nach den Daten der 6. Volkszählung im Jahr 2010 betrug die Bevölkerungszahl auf dem Festland in China 1, 34 Milliarden. Bis 2020 werde die Gesamtzahl 1,45 Milliarden erreichen. Außerdem, beklagt Li Bin, sei die "Bevölkerungsqualität" insgesamt nicht hoch. Er gebraucht einen Ausdruck, der sich unter Chinas Familienplanern ungebrochener Popularität erfreut, in der westlichen Welt-- abgesehen von den Vereinigten Staaten und Japan --  aber zunehmend kritisch gesehen wird, weil er den Geruch naiven „Social Engineerings" und einer Auslese nach eugenischen Gesichtspunkenten  trägt. Pläne zur „Verbesserung der Bevölkerungsqualität" haben in den 1920er und 1930er Jahren zunächst in Schweden und den USA Eingang in Regierungspolitik und Gesetzgebung gefunden, bevor sie sich im nationalsozialistischen Deutschland zum Massenmord an so genanntem "unwerten Leben" und devianten Außenseitern steigerte.

Der Ton, den Li anschlägt, bewegt sich entlang der traditionellen Linien autoritärer Bevölkerungspolitik: Der Anteil der Bevölkerung mit angeborener Missbildung liege bei vier bis sechs Prozent. Die Zahl der behinderten Bevölkerung macht in China 6,34 Prozent aus. Zwischen China und den entwickelten Ländern gibt es einen großen Abstand in der Arbeitsproduktivität. Die Rate der erwerbstätigen Bevölkerung mit Hochschulausbildung beträgt nur 12 Prozent, hochrangige Techniker machen nur 25 Prozent der Gesamtzahl der im technischen Bereich Tätigen aus.

Weil als Folge der Ein-Kind-Politik bevorzugt weibliche Föten abgetrieben werden, besteht ein Ungleichgewicht in der Proportion der Geschlechter, es herrscht mit 118,06 männlich Lebendgeborene gegenüber 100 weiblich Lebendgeborenen ein Männerüberschuss.

Während des Zeitraums des aktuellen 12. Fünfjahresplans wird die erwerbsfähige Bevölkerung in China den Höchststand erreichen. Vor 2025 wird ihre Gesamtzahl 900 Millionen Menschen betragen. Es bleibt eine schwierige Aufgabe, die Beschäftigung zu fördern. Die Alterung hat sich beschleunigt. Bis 2050 wird die Zahl der Menschen, die über 60 Jahre alt sind, 440 Millionen erreichen, also etwa ein Drittel der gesamten Bevölkerung Chinas umfassen. Außerdem hat sich die traditionelle Rolle der Familie abgeschwächt. Der Umfang einer Familie ist immer kleiner geworden und von 4,41 Personen im Jahr 1982 auf 3,10 im Jahr 2010 gesunken. Die Mitglieder der Familie wohnen zunehmend an verschiedenen Orten. Auf dem Land gibt es 58 Millionen Kinder, deren Eltern als Wanderarbeiter in den Städten tätig sind.

Li Bin erklärt, dass China auch in Zukunft an der Familienplanung festhalten wird und dabei eine Geburtenrate von 1,8 Promille ansteuern will, derzeit liegt die Rate bei 1,54 Promille.

 

Furcht vor „harter Landung" für die Bevölkerung Chinas 

Allerdings erklären einige Experten, dass wegen sinkender Geburtenraten und wachsender Überalterung China aus demografischer Sicht eine „harte Landung" bevorsteht. Nach den in der sechsten Volkszählung erhobenen Daten ist die chinesische Bevölkerung in den letzten zehn Jahren nur um durchschnittlich 0,57 Prozent jährlich gewachsen, 0,5 Prozentpunkte niedriger als die Steigerungsrate zwischen 1990 und 2000. 

Cai Fang, Direktor des Instituts für Bevölkerung und Erforschung des Arbeitsmarkts bei der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften, geht davon aus, dass die demografische Dividende, die China durch die drastische Verlangsamung des Bevölkerungswachstums errungen hat, nach dem Jahr 2013 aufgezehrt sein wird, da ab diesem Zeitpunkt eine wachsende Zahl von Rentnern einer schrumpfenden Zahl von Erwerbstätigen gegenübersteht. Nach einer Prognose der Vereinten Nationen wird der chinesische Altenquotient, also das Verhältnis der Zahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter zur Zahl der Menschen im Rentenalter, von gegenwärtig 38 auf 64 im Jahr 2050 steigen, eine Zweidrittelmehrheit der Bevölkerung also jenseits des erwerbfähigen Alters stehen.

China sei nicht reich, weise aber eine rasante Alterung seiner Bevölkerung auf. Das System der sozialen Absicherung sei nach wie vor unzureichend: „Wenn die Geburtenrate erst einmal im Keller ist, kann sie nicht leicht zum Steigen gebracht werden",  meint Gu Baochang. „China muss langfristig seine Bevölkerungspolitik auf den Prüfstand stellen und so schnell wie möglich einige Anpassungen vornehmen, sonst wird China entscheidende Entwicklungschancen verlieren."