27-10-2011
Im Focus
Kultur von der Leine gelassen
von Ding Wenlei

 

 Bilder einer Ausstellung: Das Jiangsu Province Art Museum ist wie die meisten chinesischen Museen und Gemäldegalerien seit Juni 2010 kostenlos für seine Besucher zugänglich. (XINHUA)

Prioritäten setzen

Das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen überstieg in China im letzten Jahr 4000 US-Dollar (25 511 Yuan, rund 2900 EUR). Das ist ein Hinweis darauf, dass das Land drauf und dran ist, den Kulturbereich in eine Lokomotive für das Wirtschaftswachstum zu verwandeln, meint Zhang Xiaoming von der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften. 

"Die Prioritäten, die die Reform in den nächsten fünf Jahren setzen wird, sind die Ermunterung von Privatanlegern, in die Branche zu investieren, außerdem Fusionen und Übernahmen anzuregen, damit überlebensfähige Betriebsgrößen entstehen können", sagt Zhang.  "Das Ziel der Reform erschöpft sich nicht darin, Unternehmen der Kulturindustrie größer zu machen, sondern sie sollen dazu angeregt werden, Kompetenz aufzubauen und durch Innovation exzellente Produkte hervorzubringen."

Privatunternehmen tragen bereits zu mehr als der Hälfte der Produktion der Kulturindustrie bei, außerdem steuern sie zwei Drittel aller Arbeitsplätze in der Branche bei. Im Verlagswesen sind 90,8 Prozent der 357 000 Unternehmen privat. Das Filmstudio Huayi Brothers ist seit 2009 auf dem ChiNext Board der Börse in Shenzhen gelistet und hat damit einen Meilenstein in der Entwicklung der chinesischen Kulturindustrie gesetzt.

Dem Beispiel von Huayi Brothers folgend haben bis zum Februar dieses Jahres 26 Unternehmen aus dem Kulturbereich den Gang an Börsen des In- und Auslandes gewagt und dabei im letzten Jahr 1,04 Milliarden Yuan akquiriert.

Die Regierung in Beijing und die Lokalregierungen haben Fonds zur Förderung der Kulturindustrie in einem Umfang von 5,2 Milliarden Yuan aufgelegt. Bis zum Februar 2011 sind Investmentfonds gebildet worden, welche in sieben Provinzen und regierungsunmittelbaren Städten Unternehmen der Kulturindustrie mit zusätzlichen zehn Millionen Yuan versorgen können.

Gu Xin, Vorstandschef der China Oriental Performing Arts Group, berichtet, dass die Zahl potenzieller Investoren, mit denen er allein im letzten Jahr Gespräche geführt habe, so groß gewesen ist, wie die Gesamtzahl derjenigen in den vorangegangenen acht Jahren.

"Durch den Kontakt zu den strategischen Anlegern habe ich einen Einblick in den Kapitalmarkt gewonnen und bin mir des Markenwerts von Oriental bewusst geworden", sagt Gu. "Ich bin nicht ausschließlich Geschäftsmann, aber während andere Mitarbeiter von Oriental vor allem stolz auf das Unternehmen sind, sehe ich in ihm eine Goldmine, die darauf wartet, ausgebeutet zu werden!"

Aber es gibt noch immer eine Reihe von Beschränkungen bei Produktion und Vermarktung von Filmen, Rundfunksendungen sowie im Verlags- und Zeitungswesen. Generell gilt, dass Unternehmen, die im Kulturbereich tätig sind, staatlich kontrolliert sein müssen und Privatanleger allenfalls als Minderheitsbeteiligte zugelassen sind. Diese Regelung ist vom Staatsrat im April 2005 beschlossen worden. 

In dem im Jahr 2009 vorgelegten Plan zur Belebung der Kulturindustrie ist ausdrücklich davon die Rede, dass privates und ausländisches Kapital dazu ermuntert werden soll, in diesem Bereich zu investieren, vor allem bei der Umwandlung von Staatsbetrieben in staatlich gelenkte Aktiengesellschaften.

"Ich denke, es gibt zur zwei Arten von Anbietern im Kulturbereich: gewinnorientierte Unternehmen und gemeinnützige Einrichtungen, die mit Geldern des Staates versorgt werden, um als öffentliche Dienstleister aufzutreten", meint Zhang. „Ist es für Privatanleger möglich, gemeinnützige Kultureinrichtungen zu gründen und zu betreiben, etwa Bibliotheken und Museen?"

 Mit Stand 2010 haben insgesamt 1444 Museen und Gedenkstätten ihre Pforten den Besuchern kostenlos geöffnet. Nahezu 45 000 öffentliche Bibliotheken unterschiedlichen Umfangs sind in Städten, Gemeinden und ländlichen Gebieten gegründet worden.

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