Die Erhöhung der Rentabilität fest im Blick, plant China weitere Reformen im Kulturbereich.
Akrobat schön!Die Jinan Acrobatics Troupe of China bei einer von Werken der Pekingoper inspirierten Aufführung am 4. August 2010 in Jinan, der Hauptstadt der Provinz Shandong XINHUA
Chinesen in Frankfurt: Guo Xiaoyong, Vizepräsident der China International Publishing Group (CIPG), präsentiert am 12. Oktober 2011 in Frankfurt/Main die englische Version von How the CPC Works in China MA NING
Der 100. Film von Kungfu-Star Jackie Chan, 1911, ein Historienschinken, der mit großem Staraufgebot die Xinhai-Revolution des Jahres 1911 nachstellt, die zum Sturz der Herrschaft der Mandschuren über China führte, war in der Urlaubswoche nach dem Nationalfeiertag der Volksrepublik am 1. Oktober ein großer Kassenknüller. Liu Lijuan, den Chef der Changchun Film Group, die an der Produktion des Films beteiligt war, bestärkt den Erfolg in seinen Erwartungen, die er in das Entwicklungspotenzial des mittlerweile 65 Jahre alten Studios setzt.
Im Jahr 2003 war die Changchun Film Group das erste Filmstudio, das den Sprung vom Verwerter öffentlicher Gelder zum gewinnorientierten Unternehmen geschafft hat. Die Rundumerneuerung hat das Studio belebt: 1997 war noch ein Verlust von 30 Millionen Yuan (3,3 Millionen EUR) aufgelaufen, während 2010 ein Nettogewinn von 50,8 Millionen Yuan (6,5 Millionen EUR) eingefahren wurde. "Wir sind mutiger geworden und sehr zuversichtlich, die Herausforderungen der Zukunft meistern zu können", sagt Liu.
Der große Wandel hinsichtlich der Strukturen der nicht nur staatlich gelenkten, sondern auch vom Staat selbst organisierten Kulturindustrie setzte 2003 ein. Ende 2010 hatten mehr als 4 300 Kultureinrichtungen aus dem Verlagswesen und in der Filmindustrie, aber auch aus vielen anderen Bereichen, ihren Umbau vollzogen.
Ein 2011 von der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften (CASS) veröffentlichter Bericht über Chinas Kulturindustrie kommt zu dem Schluss, dass dank dieser Reformen der Wert der hergestellten Produkte zwischen 2008 und 2010 jährlich um 24,2 Prozent gewachsen sei und so deutlich über der Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts liege.
Das Jahr 2010 war ein Meilenstein für die Entwicklung von Chinas Kulturbereich: Der Produktionswert lag bei 1,1 Billionen Yuan (112 Milliarden EUR) und hatte einen Anteil von 2,75 Prozent am Bruttoinlandsprodukt. Es wird davon ausgegangen, dass sein Anteil bis 2015 auf fünf Prozent steigen wird.
Im Zeichen einer wachsenden Diversifizierung und eines merklichen Aufblühens wurde am 15. Oktober die 6. Plenarsitzung des 17. ZK der Kommunistischen Partei Chinas eröffnet. Wichtigster Tagesordnungspunkt war die Erörterung der Frage, wie man die Kulturindustrie dazu bringen kann, ihr volles Wachstumspotenzial zu entfalten.
Die Versammlung war sich darüber einig, dass sich die Kulturindustrie zwar entwickelt, dabei aber nicht Schritt hält mit dem allgemeinen Wirtschaftswachstum und dem Rang Chinas auf der Weltbühne. Die Nachfrage der Massen nach qualitätsvollen Kulturerzeugnissen kann noch immer nicht gedeckt werden.
"Auf der Sitzung haben wir in Sachen Reform des Kulturbereichs eine neue Seite aufgeschlagen. Es gab Vorschläge für Entscheidungen, Pläne und Reformmaßnahmen", sagt Liu Yunshan, Chef der Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit beim Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Chinas.
Die Reform des Kulturbereichs, die im Jahr 2002 gestartet wurde, zielt auf eine Verbesserung der Effizienz und eine Erhöhung der Rentabilität. Dies geschah zum einen durch Gehaltskürzungen und Einführung marktwirtschaftlicher Methoden im Management, und zum anderen durch eine klare Trennung zwischen Bereichen, die gewinnorientiert arbeiten, und Dienstleistungen, die kostenlos zur Verfügung gestellt werden sollen.
Nach dem Erfolgsrezept der chinesischen Wirtschaftsreformen soll die Reform des Kulturbereichs dadurch erfolgen, "dass staatlich alimentierte und geführte Kultureinrichtungen in leistungsfähige Mitbewerber der Marktwirtschaft verwandelt werden, die in Eigenverantwortung ihre wirtschaftliche Zukunft in die Hand nehmen", sagt Zhang Xiaoming, stellvertretender Direktor des Kulturforschungsinstituts der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften.
Ursprünglich las man in der "Reform" lediglich einen Versuch der Zentralregierung, die Belastung loszuwerden, die der Unterhalt unzähliger kultureller Einrichtungen für den Staatshaushalt bedeutet. Erst allmählich wird erkannt, welche Chancen die Reform für die betroffenen Kulturschaffenden bereithält.
So hatte die Zentralregierung erst kürzlich beschlossen, dass die Kunqu-Oper als nicht kommerzielle Kultureinrichtung nach wie vor Anspruch auf Subventionen habe. Aber Ke Jun, der Leiter des Kunqu-Opernhauses der Provinz Jiangsu, erkannte die Vorteile der Reform und lehnte es ab, die Subventionskarte auszuspielen.
Wie bei vielen anderen Theatern vor der Reform ging es auch den Kunqu-Künstlern aus Jiangsu in erster Linie darum, Kulturpreise und Anerkennung zu gewinnen. Das lag nicht nur daran, dass das Publikum, das sich meistens aus Angehörigen der Kultureliten zusammensetzte, einem Schrumpfungsprozess unterlag, sondern auch, weil das Theater nicht angemessen auf Veränderungen des Marktes reagierte. Im Jahre 2005 wurde dem Theater die Reform aufgenötigt, weshalb es sich nach Möglichkeiten umsah, für ein größeres Publikum attraktive Angebote zu schneidern und ins Programm zu nehmen. Sie machten sich an die Produktion einiger gefälliger und populärer Stücke aus dem klassischen Repertoire, die modisch aufgehübscht wurden. Darunter fanden sich sieben Versionen des „Pfirsichblütenfächers" von Kong Shangren (erstmals aufgeführt im Jahre 1699) für Theaterbesucher jeden Alters. "Das Theater brachte letztes Jahr 644 Vorstellungen auf die Bühne, sechsmal mehr als vor der Reform. Wir haben dabei 6,07 Millionen Yuan (683 000 EUR) umgesetzt, zehnmal mehr als vor der Reform. Um den Faktor zehn sind auch die Einkommen der Schauspieler gestiegen", erzählt Ke voller Stolz.
"Wenn wir uns nicht auf die Reform eingelassen hätten", meint Zhu Changyao, Geschäftsführer der Jiangsu Bühnenkunst Gruppe, dem Mutterhaus des Kunqu-Theaters, "wären wir hoffnungslos in einer Sackgasse gelandet."
"Die Gruppe hat letztes Jahr einen Gewinn von 1,25 Millionen Yuan (140 750 EUR) eingefahren. Das hat all unsere Bedenken hinsichtlich der Zukunft vom Tisch gewischt. Jetzt sind wir dabei, die Gruppe in eine Aktiengesellschaft umzuwandeln, und neue strategische Investoren zu interessieren, ganz im Sinne der Markwirtschaft", kehrt Zhu den gewieften Geschäftsmann hervor.
Ende Juni dieses Jahres haben landesweit 590 Theater und Schauspieltruppen die Umwandlung vollzogen, 27,8 Prozent aller vorhandenen Bühnen. Bei Verlagshäusern und Filmstudios sind es sogar 95,9 Prozent beziehungsweise 90,3 Prozent.
2010 war China mit 526 Spielfilmen und Kasseneinnahmen von mehr als 10 Milliarden Yuan (1,13 Milliarden EUR) der Welt drittgrößter Filmproduzent. Chinas Verlage setzten letztes Jahr 1,3 Billionen Yuan (146 Milliarden EUR) um und stehen damit sowohl hinsichtlich der Vielfalt wie auch der Auflagenziffern der Büchern an der Spitze. Außerdem werden nirgends auf der Welt so viele Tageszeitungen verkauft wie in China.
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