Durchbrüche
In seiner Ansprache fasste Hu Jintao die in den letzten neunzig Jahren erzielten Errungenschaften der KPCh als drei weltbewegende Ereignisse zusammen, die das chinesische Volk in die Lage versetzten, die seit dem Opiumkrieg bestehende nationale Schmach zu überwinden und zu einem grundlegenden sozialen Wandel im Lande zu kommen, meint Gao Xinmin, Professorin an der Zentralen Parteischule der KPCh in Beijing. Zunächst „vollendete die KPCh die neudemokratische Revolution, errang die nationale Unabhängigkeit und die Befreiung des Volkes", so Hu. Die von der Kommunistischen Partei Chinas angeführte neudemokratische Revolution fand ihren Gipfelpunkt in der Gründung der Volksrepublik China im Jahre 1949 und beendete so einen 28-jährigen Kampf u.a. gegen die japanische Aggression und das reaktionäre Regime der Kuomintang.
Kurz nach der Gründung der Volksrepublik "vollendete die KPCh die sozialistische Revolution, indem sie die Grundlagen für eine sozialistische Gesellschaft schuf", führte Hu in seiner Ansprache aus. Dies geschah vor allem in verschiedenen Zweigen der Wirtschaft durch die Überführung von Privateigentum in Volkseigentum.
Schließlich führte die KPCh "eine neue große Revolution der Reform und Öffnung durch, in deren Verlauf der Sozialismus chinesischer Prägung geschaffen, aufrechterhalten und entwickelt wurde." Die Politik der Reform und Öffnung wurde in den späten 1970er Jahren initiiert, um Chinas Modernisierungsgeschwindigkeit durch die Befreiung der Marktkräfte und die Öffnung des Landes gegenüber der Welt zu beschleunigen.
Chinas Wirtschaftswunder der letzten Jahrzehnte ist weithin anerkannt. Das Bruttoinlandsprodukt des Landes stieg von 364,5 Milliarden Yuan (56,35 Milliarden US-Dollar) im Jahr 1978 auf 39,8 Billionen Yuan (6,15 Billionen US-Dollar) im Jahr 2010. Das Außenhandelvolumen wuchs von 20,6 Milliarden US-Dollar 1978 auf 2,97 Billionen US-Dollar im Jahr 2010. Waren aus China finden sich heute überall auf der Welt, vom eleganten Luxusgeschäft in New York bis zum quirligen Basar in Islamabad.
Selbst an den Standards der Vereinten Nationen gemessen ist der Aufstieg Chinas meteorartig verlaufen. Einige der UN-Millenniumsentwicklungsziele (MDGs) sind von China bereits vorzeitig erfüllt worden. China ist das erste Entwicklungsland, das das Millenniumsziel Armutsbekämpfung erreicht hat, indem es die Zahl seiner Bewohner, die von weniger als einem US-Dollar pro Tag leben müssen, bereits heute und nicht erst 2015 um die Hälfte reduziert hat. Ebenfalls vorzeitig wurde das Ziel flächendeckender Grundschulerziehung erfüllt. Ende 2009 lag der Anteil der Kinder, die eine Grundschule besuchen, bei 99,4 Prozent
Diese Leistungen erklären, warum die KPCh noch immer an der Macht ist, meint Huang Weiding, Spezialist für das Studium der Parteigeschichte und früherer stellvertretender Chefredakteur beim Verlag Rote Fahne. Die Partei ist stets in der Lage gewesen, die Unterstützung des chinesischen Volkes zu erringen, während sie selbst damit beschäftigt war, die Gesellschaft anzuleiten. Außerdem sei es ihr seit der Machtergreifung im Jahr 1949 gelungen, mit der Zeit zu gehen und stets die fundamentalen Interessen des Volkes zu vertreten.
Während der vergangenen neunzig Jahre habe die Partei großen Wert auf eine Überarbeitung ihrer Theorien gelegt, sagt Xin Xiangyang, Wissenschaftsrat an der Akademie der Sozialwissenschaften. Vor der Einführung des Marxismus in China gab es für das chinesische Volk kein fortschrittliches Theoriesystem, mit dessen Hilfe die Außenwelt hätte analysiert werden können.
Da die Partei den Marxismus in innovativer Weise im Lande anwendet, haben die Chinesen ein klareres Verständnis der Entwicklung Chinas und der ganzen Welt erlangt, sagt Xin. Vor dem Hintergrund dieses Verständnisses hat die Partei eine Politik zum Wohle des Volkes formuliert und umgesetzt.
Die KPCh habe in der Anwendung des Marxismus auf chinesische Verhältnisse zwei bedeutende theoretische Beiträge geleistet, heißt es bei Hu Jintao. Zuerst die Mao-Zedong-Ideen, jene Strategien und Prinzipien zur neudemokratischen und sozialistischen Revolution unter Anleitung der KPCh.
Die andere Leistung auf dem Feld der Theorie sind die Theorien des Sozialismus chinesischer Prägung. Hierunter fallen die Deng-Xiaoping-Theorie, die wichtigen Ideen des "Dreifachen Vertretens" und das wissenschaftliche Entwicklungskonzept. Diese drei Theorien sind seit der Einführung der Reform- und Öffnungspolitik in den späten siebziger Jahren entwickelt worden.
So fordert zum Beispiel das von Staatspräsident Hu Jintao befürwortete wissenschaftliche Entwicklungskonzept eine umfassende, ausgeglichene und nachhaltige Entwicklung. Die Partei nutzt dieses Konzept, um mit seiner Hilfe den negativen Auswirkungen des jahrzehntelangen explosionsartigen Wachstums zu begegnen. Darunter zählen Umweltschäden, Raubbau an Ressourcen und der wachsende Gegensatz zwischen Arm und Reich.
Als Teil ihrer Anstrengungen, eine nachhaltige Entwicklung anzustoßen, hat die KPCh die Lokalregierungen dazu aufgerufen, sich anstatt auf Wachstum um jeden Preis zu kaprizieren, den Schutz der Umwelt und eine Verbesserung des Lebensstandards der Bevölkerung in den Mittelpunkt zu stellen. Der Ausbau und die Verbesserung der sozialen Sicherungssysteme, vor allem der Kranken-, Arbeitslosen- und Rentenversicherung ist eine weitere Angelegenheit von höchster Priorität.
Entwicklung
Ein Großteil der Ansprache Hu Jintaos war der Erläuterung der Position der Partei zu Fragen der Entwicklung der Nation und in diesem Zusammenhang vor allem zur Reform- und Öffnungspolitik gewidmet, sagt Lin Shangli, Vizepräsident der Fudan Universität in Shanghai. In Übereinstimmung mit dieser Politik wird China die wirtschaftliche, soziale, kulturelle und politische Entwicklung umfassend vorantreiben.
„Auf dem Weg voran müssen wir unbeirrt festhalten an der zentralen Aufgabe der Wirtschaftsentwicklung und dabei bereit sein, dem Pfad der Wissenschaft zu folgen", führte Hu aus.
Darüber hinaus werde China die Entwicklung der sozialistischen Demokratie fördern, die sozialistische Kultur entfalten und bereichern und das Wohlergehen des Volkes fördern.
Lin liest aus Hus Worten, dass die KPCh über einen umfassenden Plan zur wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung Chinas verfügt. Dies flöße den Menschen Vertrauen hinsichtlich der Zukunft des Landes ein, sagt Lin.
Zugleich ist sich die KPCh der beängstigenden Herausforderungen bewusst, vor denen China heutzutage steht. Im gesellschaftlichen Transformationsprozess sind mit sozialen Spannungen zu rechnen, während der Prozess der Reform und Öffnung weiter vertieft werden muss.
Der Umgang der Partei mit den Problemen, die sich beim Erreichen der Entwicklungsziele stellen werden, sind für Chinas künftige Entwicklung von ausschlaggebender Bedeutung, meint Lin. In diesem Sinne seien die Anstrengungen zur Entwicklung und Verbesserung der Partei von allergrößter Bedeutung.
Die KPCh stehe in der Regierung des Landes, bei der Durchsetzung der Reform und Öffnung und bei der Entwicklung der Marktwirtschaft sowie bei Fragen des Außenkontaktes vor bedeutenden Herausforderungen, so Hu.
„Und die gesamte Partei ist der wachsenden Gefahr von Inkompetenz, Entfremdung von den Menschen, Korruption, Initiativ- und Kraftlosigkeit ausgesetzt", fügte Hu Jintao hinzu.
Im Bestreben, sich selbst zu verbessern, wird die Partei vor allem auf die Personalentwicklung setzen: Von den Spitzenfunktionären zu Intellektuellen und Erneuerern, was sie als strategischen Vorteil auffasst, stellt Lin fest. Außerdem wird sie weiterhin an einer Optimierung der Institutionen arbeiten, durch die sie Staatsmacht ausübt.
"Unter der Führung der KPCh ist China eine Volksdemokratie geworden, in der das Volk der Herr des Landes ist", sagt Lin Shangli. "Die Macht geht vom Volke aus und das Volk hat diese Macht der KPCh anvertraut, welche der Gesellschaft ihre Führung zur Verfügung stellt. Die Mission der Partei ist es, dem Volke zu dienen, ihm ein glückliches Leben zu bieten und für die Verwirklichung des Wiederauflebens der Nation zu arbeiten."
Da die Menschen die entscheidende Kraft hinter Chinas gesellschaftlicher und nationaler Entwicklung sind, muss die Partei die Menschen an die erste Stelle rücken. Dies geschieht dadurch, dass sie deren Interessen in Stellvertretung wahrnimmt und hochhält.
Die KPCh folgt schon seit langem einem populistischen Kurs, der die Verbundenheit mit den Menschen unterstreicht. Sie muss – davon ist Lin überzeugt – diese Vorgehensweise beibehalten, wenn sie weiterhin als die führende Partei des bevölkerungsreichsten Landes der Erde dienen möchte.
Die Ausübung politischer Macht ist für die führende Partei immer mit Risiken verbunden, z.B. mit dem Risiko der Korruption. Während die Partei ein Antikorruptionssystem geschaffen hat, sind andere Institutionen jenseits des Parteiapparats wie die Wirtschaft, die Führung der Gesellschaft und das demokratische System ebenfalls betroffen. Aber dies sollte keine Entschuldigung für Toleranz gegenüber Korruption sein.
Obwohl die Annahme unrealistisch ist, dass die Partei das Problem in Kürze in den Griff bekommen kann, hob Hus Rede abermals die Entschlossenheit der Partei hervor, die Korruption auf allen Ebenen zu bekämpften, resümiert Lin Shangli.
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