01-04-2011
Im Focus
Beijings „Rückgrat" in neuem Glanz
von Yu Lintao

Historische Aufnahme des Di´anmen

Die Zentralachse teilte das alte Beijing in zwei annähernd gleiche Hälften. In beiden Teilen der Stadt wurden in symmetrischer Anordnung Tore errichtet. Als zentraler Eingang zur Stadt waren solche Tore im Altertum ein wichtiger Bestandteil des städtischen Verteidigungssystems. Obwohl die meisten der Tore später aus Gründen der Verkehrsplanung abgerissen wurden, sind ihre Namen noch in der Bezeichnung vieler Stadtviertel erhalten geblieben, wie etwa in Fuchengmen, Chaoyangmen, Chongwenmen, Xuanwumen, Dongzhimen und Xizhimen.

Die meisten der neun Haupttore entlang der zentralen Achse sind bis heute gut erhalten. Lediglich das Di'anmen sowie das Yongdingmen mussten Mitte der 1950er Jahre Straßenbauprojekten weichen und wurden abgerissen. Das Yongdingmen wurde im Rahmen der Verschönerungsmaßnahmen anlässlich der Olympischen Spiele bereits 2004 rekonstruiert. Nun soll mit dem Di'anmen das letzte fehlende Puzzlestück folgen, um die antike Drachenader in neuem Glanz erstrahlen zu lassen. Etwas südlich von seinem Originalstandort will die Stadtregierung das Tor des Irdischen Friedens nachbilden.

Das Di'anmen wurde erstmals 1420 errichtet und wies in Richtung der Verbotenen Stadt. Es bildete das nördliche Tor der alten Kaiserstadt – einem Bereich, der heute nicht ganz zutreffend der Verbotenen Stadt zugerechnet wird, in Wahrheit aber ein heute nicht mehr mit Häusern bebautes Viertel hoher Palastbeamter im Vorfeld des Kaiserpalastes bezeichnete, zu der das einfache Volk keinen Zutritt hatte. Das Tian'anmen, Tor des Himmlischen Friedens, war der südliche Eingang zu dieser Zone. Dem Namen nach symbolisieren die beiden Tore den Frieden zwischen Himmel und Erde. Anders als die übrigen acht Haupttore bestand das Di'anmen lediglich aus einem Stockwerk.

Früher durchquerte der Kaiser das Di'anmen bei speziellen Zeremonien, um dem Erdgott im Erdtempel im Norden der Stadt seine Ehre zu erweisen. Nach altem Ritual musste der Kaiser hierzu das Di'anmen durchschreiten. Das Tor des Irdischen Friedens wurde außerdem immer dann benutzt, wenn der Kaiser zu einem Feldzug aufbrach.

„Nachforschungen haben ergeben, dass der Originalstandort des Tors an einer Stelle liegt, die heute von einer großen Straßenkreuzung eingenommen wird", erklärt Kong Fanzhi, Direktor des Denkmalamtes der Stadt Beijing. „Damit der Verkehr nicht beeinträchtigt wird, soll das Tor ein wenig südlich von seinem ursprünglichen Standort errichtet werden." Kong war es, der im März diesen Jahres der Regierung den Vorschlag machte, das alte Stadttor neu aufzubauen und die übrigen historischen Sehenswürdigkeiten entlang der Zentralachse zu restaurieren.

„Die Regierung Beijings wird ein Koordinationsteam sowie eine Gruppe von Beratern bilden, die das Projekt der Bewerbung um einen Platz auf der UNESCO-Liste für Weltkulturerbe betreuen sollen", sagt Kong. Innerhalb der nächsten fünf Jahre soll die Bewerbung abgeschlossen sein.

Der Wiederaufbau des Di'anmen ist schon lange im Gespräch, wurde aber mit Rücksicht auf die angespannte Verkehrslage immer wieder aufgeschoben. Auch fürchteten Kritiker des Projekts, dass die benachbarten alten Hutongviertel mit ihren traditionellen Hofhäusern unter dem Bauvorhaben leiden könnten.

Die Rekonstruktion des Di'anmen ist nur eines der Projekte, die die Beijinger Regierung derzeit zum Schutz wichtiger Kulturstätten vorantreibt. Laut Kong sicherte die Stadtregierung zu, in den kommenden fünf Jahren jährlich rund 150 Millionen Yuan (umgerechnet rund 16,2 Millionen Euro) in den Schutz von städtischen Kulturgütern zu investieren.

„Die Restaurierung der Zentralachse ist nur ein erster Schritt, dem weitere Maßnahmen folgen sollen, um auch die weiteren historischen Bauwerke der Stadt langfristig zu erhalten", erklärt Kong. In den nächsten fünf Jahren sollen mehr als 100 wichtige Sehenswürdigkeiten restauriert werden, darunter auch die Große Mauer, der Beijinger Abschnitt des Kaiserkanals sowie der Sommerpalast.

Laut Kong werden möglicherweise noch einige weitere historische Punkte entlang der Nord-Süd-Achse rekonstruiert, um Beijings „Rückgrat" ein Stück seines alten Glanzes zu Zeiten der Qing-Dynastie (1644 bis 1911) zurückzugeben.

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