23-03-2011
Im Focus
Energiekonzept von Deutschland in China in Einklang zu bringen
von Zeng Wenhui

Der Botschafter Dr. Michael Schaefer und Ministerialdirigentin Ursula Borak, Leiterin der Unterabteilung für Europäische und Internationale Energiepolitik, Energieaußenpolitik, Öl und Gas und Energieeffizienz des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie, haben das Energiekonzept der Bundesregierung zusammen vorgestellt.

Seit dem schweren Erdbeben in Japan sorgen die katastrophalen Vorfälle in den dortigen Kernkraftwerken weltweit für Bedenken hinsichtlich der Nutzung von Atomenergie. Bei einem Vortrag über das Energiekonzept der Bundesregierung am 15. März in der deutschen Botschaft in Beijing sagte Dr. Michael Schaefer, der deutsche Botschafter in China, dass in Deutschland die Atomenergie nicht als erneuerbare Energie angesehen werde. Die Bundesregierung werde an der Entscheidung festhalten, letztendlich die Nutzung der Kernkraft einzustellen. Deutschland hat sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, den Ausstoß von Treibhausgasen bis zum Jahr 2050 um mindestens 80 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 zu reduzieren. Die Präsentation des Energiekonzeptes gilt als Auftakt einer rund ein Jahr dauernden Veranstaltungsreihe unter dem Titel:  „Die grüne Botschaft - mit Energie in eine saubere Zukunft".

 

Debatte um Atomenergie nach der Reaktorkatastrophe in Japan

Der Botschafter Dr. Michael Schaefer und Ministerialdirigentin Ursula Borak, Leiterin der Unterabteilung für Europäische und Internationale Energiepolitik, Energieaußenpolitik, Öl, Gas und Energieeffizienz des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie, haben gemeinsam das Energiekonzept der Bundesregierung vorgestellt.

Das deutsche Energiekonzept erfasst den Zeitraum bis zum Jahr 2050 und sei ein umfassendes Konzept, das unter anderem die Bereiche Strom, Wärmegewinnung, und Verkehr einschließt: „Das Energiekonzept ist mit einem konkreten Maßnahmenprogramm einmalig in Europa und in der Welt", so Frau Borak.

Um den Ausstoß von Treibhausgasen bis zum Jahr 2050 um mindestens 80 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren, soll bis 2050 der Anteil erneuerbarer Energien am Endenergieverbrauch 60 Prozent erreichen. Ihr Anteil an der Stromerzeugung soll bis 2050 sogar auf 80 Prozent ansteigen. Der Primärenergieverbrauch soll bis 2020 um 20 Prozent und bis 2050 um 50 Prozent gegenüber 2008 gesenkt werden. Die Sanierungsrate für Gebäude wird von ein Prozent auf zwei Prozent verdoppelt werden. Im Verkehrsbereich soll der Endenergieverbrauch bis 2050 um rund 40 Prozent zurückgehen. Fünf Millionen Elektrofahrzeuge sollen bis 2030 auf die Straßen gebracht werden.

Im Energiemix der Zukunft sollen die erneuerbaren Energien den Hauptanteil übernehmen. Auf diesem Weg werden in einem dynamischen Energiemix die konventionellen Energieträger kontinuierlich durch erneuerbare Energien ersetzt. Die Kernenergie, auf die langfristig verzichtet werden soll, hat eine Brückenfunktion auf dem Weg zu diesem Ziel.

In Deutschland wird Kernenergie nicht als erneuerbare Energie angesehen: „Die katastrophalen Vorfälle in einem japanischen Kernkraftwerk beweisen erneut, welch hohes Risiko die Nutzung der Atomenergie mit sich bringt", sagte Botschafter Schaefer. „Atomenergie ist eine umstrittene Technologie in Deutschland, denn jeder weiß, dass die Risiken unkontrollierbar sind. Bei einer Katastrophe besteht die Gefahr, dass erhebliche Mengen radioaktiven Materials freigesetzt werden." Die Vorgängerregierung hatte bereits vorgehabt, aus der Erzeugung von Kernenergie auszusteigen. Im Energiekonzept, das die gegenwärtige Regierung im Oktober 2010 vorgelegt hatte, war jedoch vorgesehen, die Restlaufzeit der bestehenden Kernkraftwerke um durchschnittlich zwölf Jahre zu verlängern. Der Botschafter meldete Zweifel an, „ob die Laufzeitverlängerung richtig ist. Gegenwärtig wird sie in der deutschen Öffentlichkeit kontrovers diskutiert. China will laut dem gerade angenommenen 12. Fünfjahresplan die Entwicklung von Kernkraft weiter fördern.  Aufgrund der Reaktorkatastrophe in Japan gehe ich allerdings davon aus, dass China noch einmal gründlich über den Ausbau der Kernenergie nachdenken wird."

Kernkraft sei eine Brückentechnologie. Die Bundesregierung werde an der Entscheidung festhalten, letztendlich alle Kernkraftwerke stillzulegen, so Schaefer.

Nach Borak wurde unter dem Eindruck der Atomkatastrophe in Japan von der Regierung bereits ein Moratorium verkündet, wonach die neue Gesetzeslage über eine Verlängerung der Laufzeiten für die Dauer von drei Monaten nicht zur Anwendung kommen solle. Die Bundeskanzlerin hat bereits eine Expertenkommission berufen, um die Sicherheit von Kernkraftwerk in Deutschland erneut einer eingehenden Prüfung zu unterziehen.   

 

Gemeinsames Ziel von China und Deutschland: Grüne Ökonomie

„China wird eine grüne Zukunft haben", so Dr. Michael Schaefer. Eine grüne Ökonomie zu schaffen, sei ein gemeinsames Ziel von Deutschland und China. In seinem Vortrag machte der deutsche Botschafter deutlich, dass die Vereinbarkeit von Energieversorgungssicherheit und Umweltschutz nicht nur für Deutschland, sondern für die gesamte internationale Gemeinschaft eine der größten Herausforderungen der Zukunft sei: "Energie-, Klima- und Umweltpolitik gehören zu den Kernthemen sowohl der deutschen als auch der chinesischen Regierung", so Botschafter Schaefer. "China und Deutschland, China und Europa haben die historische Chance, Vorreiter dieses Prozesses zu sein und der Welt als Vorbild zu dienen."

Im 12. Fünfjahresplan hat China das Ziel der Energiesparung und Reduzierung der Ausstoßmenge von Schadstoffen betont. Erneuerbare Energie wird weiterhin im Interesse einer schnellen Entwicklung gefördert.

Über die deutsch-chinesische Energiezusammenarbeit sagte Frau Borak, dass sowohl Deutschland wie China immer mehr von Energieimport abhängig sind. „Wegen unstabiler Energiepreise steht Energieversorgungssicherheit in beiden Ländern ganz oben auf der Agenda." Eine weitere Gemeinsamkeit beider Länder liegt im großen Anteil, den Kohle an der Stromversorgung hat. Als traditionelle Kohleländer haben Deutschland und China viele Jahre einer erfolgreichen Zusammenarbeit im Bereich Kohlenutzung vorzuweisen. Es gibt eine sehr gut funktionierende bilaterale Kohlearbeitsgruppe, die 17-Mal getagt habe.

„Ich habe verstanden, dass China sich ein sehr ehrgeiziges Ziel in Sachen Erhöhung der Energieeffizienz gesteckt hat. Da trifft es sich gut, dass Energieeffizienzerhöhung auch im deutschen Energiekonzept eine Schlüsselrolle spielt," so Borak. Bei so vielen Gemeinsamkeiten gebe es ein großes Potenzial für den Ausbau der seit vielen Jahren bestehenden Energiezusammenarbeit. Es bestehen günstige Perspektiven für die Energiezusammenarbeit im Bereich von Einspeisung und Übertragung erneuerbarer Energie im Stromnetz, Energiespeicherung und Optimierung der Energieeffizienz in Kohlekraftwerk usw. „Wichtig für eine Zusammenarbeit sind konkrete Projekte, deshalb hoffen wir, dass China in den obengenannten Bereichen gemeinsame Projekte benennt, die wir zusammen angehen können. Ich hoffe auf eine für beide Seiten fruchtbare Kooperation", so Borak.

 

Elektroauto als konkretes deutsch-chinesisches Energieprojekt

Dr. Michael Schaefer, der deutsche Botschafter und das Elektroauto MINI E von BMW

„Die Energiezusammenarbeit von Deutschland und China ist nicht nur immer intensiver geworden, sondern auch immer konkreter", sagte Dr. Michael Schaefer und spielte damit auf ein Elektroauto des Automobilherstellers BMW an, dass der Deutschen Botschaft Peking zur Verfügung steht. Sie ist damit die erste deutsche Auslandsvertretung weltweit, die ein Elektroauto benutzt. Seit dem 23.2.2011 hat die Deutsche Botschaft dieses besondere Fahrzeug in ihrer Dienstwagenflotte. Die deutsche Vertretung in Beijing beteiligt sich damit an einem Projekt von BMW, das für einige Monate fünfzig Elektro-MINIs auf Chinas Straßen bringen wird, um sie unter Alltagsbedingungen zu testen. „Der größte Automarkt weltweit, bietet der neuen Technik natürlich auch das größte Potenzial zur Entfaltung ihrer Vorzüge", so Dr. Schaefer.

Der Botschafter unterstrich die Bedeutung von Elektroautos: „Deutschland und China haben sich beide den Ausbau grüner Technologien zum Ziel gesetzt. Die Bereiche Energie, Umwelt und Klima wollen beide Staaten zum Schwerpunkt ihrer Partnerschaft in den nächsten Jahren machen." Beide Regierungen haben ausdrücklich das Thema E-Mobilität im Gemeinsamen Kommuniqué festgehalten, das Bundeskanzlerin Angela Merkel und der chinesische Ministerpräsident Wen Jiabao letzten Sommer unterzeichnet haben.