Aufführung der Tänze der Miao (Foto von Jin Duoyou)
Hier bist du Mensch, hier darfst du´s sein, hier werden noch die alten Volkslieder gesungen, hier ist die schönste Karstlandschaft der Welt, hier gibt es noch eine intakte Minderheitenkultur: Die Rede ist von Qiandongnan, dem Autonome Bezirk der Miao- und Dong-Nationalität.
Eine relativ gemächliche Wirtschaftsentwicklung, eine gewisse Abgeschiedenheit und eine gut bewahrte Minderheitenkultur sind das Augenfällige an dieser Gegend. Im 11. Fünfjahrplan hat der Bezirk die Investitionen in Tourismus erhöht, die Zahl der Touristen stieg von drei Millionen während des 10. Fünfjahrplan auf 15 Millionen im 11. Fünfjahrplan. Mit der Erhöhung des Lebensstandards der Bevölkerung wächst aber auch die Sorge, ob die unberührte Landschaft und die Lebensweise seiner Bewohner nicht durch Kommerzialisierung zerstört werden wird. Welche Schutzmaßnahmen können ergriffen werden? Der Bezirksvorsteher und Abgeordnete des Nationalen Volkskongresses Li Feiyue spricht im Interview mit der Beijing Rundschau über die Entwicklung des Tourismus in der Region.
Beijing Rundschau: Qiandongnan scheint ein attraktives Reisegebiet zu sein, aber die Tourismusindustrie ist noch kaum entwickelt. Was ist im Rahmen des 11. Fünfjahresplans getan worden, um das touristische Potential der Region zur Geltung zu bringen?
Li Feiyue: Aus historischen Gründen ist die Verkehrsinfrastruktur in Qiandongnan relativ rückständig, es ist schwer für Touristen, nach Qiandongnan zu gelangen. Im 11. Fünfjahresplan hat Qiandongnan tatkräftig die Verkehrswege verbessert. Es sind mehrere Autobahnen in das Gebiet gebaut worden oder stehen kurz vor der Fertigstellung. 2013 wird das Ziel erreicht sein, dass jeder Landkreis ans Autobahnnetz angeschlossen ist. Der Flughafen Liping ist bereits 2005 in Betrieb genommen worden. Der Antrag für den Bau des Huangping-Flughafens in der Stadt Kaili ist auch genehmigt.
Andererseits sind wir uns bewusst, das damit noch kein Zugang in die Dörfer geschaffen ist. Deshalb haben wir rund 1800 Kilometer Landstraße gebaut, damit man von der Autobahn aus bequem in die Dörfer gelangen kann. Mit der Verbesserung der Verkehrsverbindungen nimmt alljährlich die Zahl der Touristen zu, die als Individualreisende mit dem eigenen Auto anreisen.
Auf welche Weise hat der Tourismus die gesamte wirtschaftliche Entwicklung von Qiandongnan gefördert?
Li: Natürlich vielfältig. Erstens hat der Tourismus das Einkommen der Bewohner effektiv erhöht. Die Dörfer, die ihre Minderheitenkultur in den Mittelpunkt stellen, verdienen schon jetzt mehr durch Tourismus als durch Landwirtschaft. So ist zum Beispiel im Dorf Xijiang mit seinen tausend Haushalten der Miao-Nationalität das Jahreseinkommen der Bewohner pro Kopf von 2000 Yuan (218 EUR) auf 4000 Yuan (435 EUR) angestiegen, seitdem man sich dem Tourismus zugewandt hat.
Die Entwicklung von Tourismus fördert natürlich auch die Entwicklung der Hotelindustrie. Vor 2008 konnte man in Qiandongnan noch kein Geld durch Hotellerie verdienen. Danach aber ging es rasant bergauf: Heute liegt die Belegungsrate der Hotels bei neunzig Prozent.
Auch die Entwicklung des Dienstleistungssektors vom Transportwesen über die Telekommunikation bis hin zur Gastronomie wurde vorangetrieben. Im 11. Fünfjahresplan ist der Anteil des tertiären Sektors am Bruttoinlandsprodukt von Qiandongnan am schnellsten gestiegen. Ohne Zweifel hat der Tourismus die Wirtschaft beflügelt.
Welche Ziele werden in Sachen Tourismus im 12. Fünfjahresplan angesteuert?
Li : Im 11. Fünfjahresplan steckte der Tourismus sozusagen noch in den Kinderschuhen, begann sich aber erfreulich zu entwickeln. Für die Zeit des 12. Fünfjahresplans erhoffen wir den Ausbau Qiandongnans zum internationalen Reiseziel im Geschäftsfeld „Unberührte landschaftliche Schönheit".
Wir planen, drei Hauptausflugsgebiete mit Kapazitäten von zehn Millionen Besuchern zu schaffen. Erstens wäre da das Wuyanghe-Ausflugsgebiet mit der Reiseroute Wuyang-Fluss, Yuntai-Gebirge und die alte Stadt von Zhenyuan, zweitens das Naturschutzgebiet rund um das Leigong-Gebirge, drittens das Ausflugsgebiet Liping mit der Kultur der Dong-Nationalität als Hauptattraktion. In diesen drei Gebieten sollen großflächig touristische Infrastrukturen geschaffen werden. Wir wollen den Tourismus in die Dörfer tragen. Unsere Zielvorgabe ist klar: mittelfristig wollen wir die Zahl der Touristen verdoppeln, dann auf 30 und sogar 40 Millionen steigern. Die Einnahmen aus dem Tourismus sollen 40 Milliarden übersteigen.
Mit dem Ausbau des Tourismus wächst auch die Sorge, dass die Kommerzialisierung die ursprüngliche Natur und Kultur der Gegend zerstört. Wie beurteilen Sie diese Befürchtungen?
Li : Der Schutz der Kultur ist von elementarer Bedeutung. Wenn Kultur von Modernisierung und Urbanisierung zerstört wird, sind die Menschen wurzellos. Ich halte Tourismus jedoch für einen geeigneten Träger zum Schutz der Minderheitenkultur. Wenn man behutsam vorgeht, bedeutet Kommerzialisierung nicht unbedingt Zerstörung. Durch Tourismus erlebt die lokale Bevölkerung, dass ihre einheimische Kultur auch von anderen Menschen gewürdigt wird, zugleich erhöht sich ihr Einkommen. Dies fördert den Stolz und das Bewusstsein für den Wert der eigenen Traditionen. Vor dem Aufschwung der Gebiete durch die Tourismusindustrie waren die Jugendlichen praktisch gezwungen, auf der Suche nach Arbeit in die Städte abzuwandern. Dadurch hatte die Minderheitenkultur ihre Zukunft verloren. Jetzt kehrt die Jugend wieder zurück, auch ihr Bewusstsein vom Wert der eigenen Kultur hat sich geschärft.
Von der Regierung bis hinunter zur Bevölkerung sind sich nun alle einig und bemühen sich gemeinsam um eine Bewahrung der einheimischen Kultur. Man ist sich längst bewusst, dass die Minderheitskultur der größte Reichtum der Region ist. Auf dem Gesetzesweg werden wir den Schutz der Kultur sicherstellen. Wir haben nicht nur auf der Provinz- und Kreisebene, sondern auch auf der Bezirksebene Kulturstätten unter den besonderen Schutz der Regierung gestellt. |