Ba Shusong, Vizedirektor des Forschungsinstituts für Finanzwirtschaft am Entwicklungszentrum des Staatsrates:
Seit 2010 hat China die Mindesteinlagen der Banken achtmal, und den Leitzins dreimal erhöht. Auch wurden die Bestimmungen zur Gemeindefinanzierung modifiziert und gezielte Maßnahmen gegen die Überhitzung des Immobilienmarktes ergriffen. Offensichtlich hat sich China von der Konjunkturpolitik verabschiedet, die nach dem Ausbruch der Finanzkrise lanciert worden war. Dieses Vorgehen kann die überhitzte Nachfrage auf dem Binnenmarkt abkühlen und inflationsdämpfend wirken. Zugleich kann eine stabile Versorgung mit Gemüse und Getreide den Inflationsdruck lindern. Nach der Ferienwoche zum Frühlingsfest (2-8 Februar) kam es bereits landesweit zu einer Absenkung der Gemüsepreise, der Preisanstieg bei anderen Lebensmitteln konnte gedrosselt werden. Die Erholung der US-Wirtschaft und die Preisanstiege auf den internationalen Rohstoffmärkten werden weiterhin die Inflation in China verstärken. Der Verbraucherpreisindex wird dennoch nicht außer Kontrolle geraten, weil eine Abschwächung der Binnennachfrage zu erwarten ist.
Steigende Löhne und der Anstieg der Weltgetreidepreise werden die Verbraucherpreise in die Höhe treiben. Aber dies ist nicht nur ein Problem im Jahr 2011, sondern ein langfristiger Trend.
Wenn Folgemaßnahmen geschickt implementiert werden, wird der Verbraucherpreisindex nach seinem Hochstand im Januar und Februar deutlich geringer ausfallen. Es wird damit gerechnet, dass die Zentralbank in diesem Jahr eine ganze Reihe von Maßnahmen ergreifen wird, darunter weitere Erhöhungen des Leitzinses. Aber es ist eher unwahrscheinlich, dass es zu solch drastischen Maßnahmen wie zu Jahresbeginn kommen wird.
Frank Gong, Vizevorstand von J.P. Morgan China, in einem Interview mit dem Wirtschaftsmagazin Caijing:
Seitdem die chinesische Wirtschaft wieder an Fahrt aufgenommen hat, steht die Bekämpfung der Inflation im Mittelpunkt.
Beachtung finden vor allem Teuerungen außerhalb des Nahrungsbereichs, wie Mieterhöhungen aber auch Lohnsteigerungen. Im Bemühen um eine Verbreiterung des Konsums und eine Anhebung der Binnennachfrage wird der Anstieg der Realeinkommen vielleicht sogar über der Wachstumsrate des Bruttoinlandproduktes liegen. Deshalb besteht die Sorge, das Lohnerhöhungen zu mehr Inflation führen.
In den letzten Jahren sind in den Genuss von Lohnerhöhungen jedoch vorwiegend geringqualifizierte Arbeitnehmer gekommen. Eine große Zahl von Berufstätigen in Bürojobs in Industrie und Verwaltung haben nur sehr bescheidene Gehaltserhöhungen zu verzeichnen gehabt.
Daher ist Furcht vor einer Inflation, die von höheren Lebensmittelpreise beflügelt würde, unbegründet. Der negative Einfluss der Witterung auf die Preisentwicklung bei Nahrungsmitteln ist zeitlich begrenzt.
In den letzten Monaten haben steigende Preise auf dem internationalen Markt für Agrarprodukte auch die Inlandspreise in die Höhe getrieben. Aber nicht alle in China angebotenen Lebensmittel stehen in Abhängigkeit von der Preisentwicklung auf den internationalen Märkten. So wird nur ein Prozent des in China konsumierten Getreides aus dem Ausland eingeführt. Was den Getreidepreis auf dem Inlandsmarkt dieses Jahr tatsächlich in die Höhe treiben wird, ist die Dürre in weiten Teilen Nordchinas.
Lebensmittelpreise haben in der Vergangenheit zweimal eine Inflation bei Konsumgütern ausgelöst: zwischen 2003 und 2004, sowie zwischen 2007 und 2008. Aber diese beiden Inflationsrunden hielten nur jeweils ein halbes Jahr an. Es gibt also Anlass für die Vermutung, dass die gegenwärtige Inflation ein vorübergehendes Ereignis bleiben wird und sich der Verbraucherpreisindex dieses Jahr um die vier Prozent herum einpendeln wird. Der VPI kann sogar deutlich unter vier Prozent fallen, wenn in der zweiten Jahreshälfte die Maßnahmen zur Steuerung der Wirtschaft greifen werden.
Zhu Baoliang, Chefvolkswirt des Staatlichen Informationszentrums:
Die Inflation wird im Juni ihren Höhepunkt erreichen und in der zweiten Jahreshälfte absinken. Entsprechende geldpolitische Maßnahmen werden also in der ersten Jahreshälfte auf den Weg gebracht.
Zwei hauptsächliche Faktoren sorgen für Inflationsangst in China: die expansive Geldpolitik der Industriestaaten und die Erhöhung der Löhne und der Bodenpreise. Exzessive Liquidität auf dem Binnenmarkt und schlechtes Wetter sind weitere wichtige Ursachen für die Inflation.
Chinas Wirtschaft wird dieses Jahr um rund zehn Prozent wachsen, der Konsumbereich wird sich stabilisieren, während die Verbraucherpreise nach oben gehen. Lebensmittel- und Rohstoffpreise werden weiterhin ansteigen, aber die Bodenpreise werden keine gravierende Steigerung erfahren.
Der Verzögerungseffekt der äußerst expansiven Geldpolitik der letzten zwei Jahre wird der Inflation auch weiterhin kurzfristig kräftigen Rückenwind zuführen. Die derzeit durchgeführte Reform des Gebührensystems bei Wasser- und Strom trägt ebenfalls zur inflationären Preisentwicklung bei.
Ma Jun, Chefvolkswirt der Deutschen Bank, China, zum Investor Journal:
Im Januar hat sich die Inflation verlangsamt, dennoch erhöhe ich meine Voraussage von 4,4 Prozent auf 5,0 Prozent im Jahresschnitt. Im zweiten Quartal werden wir die Spitze mit sechs Prozent erleben. Meine Schätzung fußt auf fünf Beobachtungen:
1.) Die Realwirtschaft entwickelt sich besser als erwartet, was zu einem Anstieg der Energie- und Rohstoffpreise geführt hat. Das kann auf eine zu lockere Geldpolitik zurückgeführt werden.
Die Geldmenge hat sich im Vergleich zum Vorjahr um 20 Prozent erhöht und damit die Zielvorgabe der Regierung von 17 Prozent übertroffen. Auch mit der für dieses Jahr anvisierten Marke von 16 Prozent ist das Wachstum der Geldmenge zu hoch für eine Volkswirtschaft, die von Inflation bedrängt wird.
2.) Die Kosteninflation bei Rohstoffen wird sich in den kommenden Monaten auch auf dem Konsumentenmarkt auswirken. So sind zum Beispiel die Preise für Baumwolle im letzten Jahr um 86 Prozent in die Höhe geschnellt, weshalb der Preis für Bekleidung in diesem Jahr mit Sicherheit steigen wird.
3.) Nach der Preisentwicklung auf dem Wohnungsmarkt werden in den kommenden sechs bis zwölf Monaten auch die Mieten steigen. Nach Angaben des Statistikamtes sind die im Warenkorb erfassten Wohnkosten im Januar um 6,8 Prozent gestiegen, ein deutlich stärkerer Anstieg als der bei anderen Gütern. Die Mieten sind im Jahresvergleich um 7,1 Prozent gestiegen.
4.) Die gestiegenen Großhandelspreise im Lebensmittelbereich werden sich bald in der Lebensmittelindustrie auswirken. Letztes Jahr konnte eine Rekordgetreideernte eingefahren werden, so dass es zu keinen Versorgungsengpässen kommen wird. Aber eine exzessive Liquidität fördert Spekulationskäufe. Deshalb ist es erforderlich, die überhitzte Wirtschaft abzukühlen und die Geldmenge zu reduzieren.
5.) Die Inflationserwartung kann den Geldfluss beschleunigen und die Inflationsängste schüren. Die Bekämpfung der Inflation ist dieses Jahr der Schlüssel zur Steuerung der Makroökonomie und sie sollte die höchste Priorität vor allen anderen Wirtschaftsthemen genießen, einschließlich der Förderung des Wirtschaftswachstums. |