Ein Imbissbetreiber aus Hangzhou legt sich Ölvorräte an. Quelle: Xinhua
Erguotou ist eine beliebte Schnapsmarke –nicht nur in Beijing. Die sich immer rasanter drehende Preisspirale setzt den Schnapshersteller derzeit allerdings unter ganz gewaltigen Druck.
„Die Kosten für Getreide, Wasser, Strom und Transport sind schon um mehr als zwanzig Prozent gestiegen. Den Verkaufspreis haben wir jedoch nicht erhöht, weshalb unser Gewinn eingebrochen ist", sagt Tian Xiuping, Manager der Vertriebabteilung der Beijing Red Star GmbH, dem Marktführer in Sachen Ergoutou.
Hirse und Weizen sind die Hauptbestandteile für die Herstellung von Erguotou-Schnaps. Statistiken zufolge sind die Großhandelspreise für diese Getreidesorten im Januar 2011 im Vergleich zum gleichen Zeitraum des Vorjahres um 14 bzw.12,8 Prozent gestiegen.
Tian meint, dass sein Unternehmen die Preiserhöhungen nicht an den Verbraucher weiterreichen könne, sondern selbst schlucken müsste. Zu groß sei der Wettbewerbsdruck auf dem chinesischen Schnapsmarkt. Erguotou bewegt sich im unteren und mittleren Preissegment. Eine Erhöhung des Verkaufspreises ist somit fast automatisch mit einer Verringerung des Marktanteils verbunden.
Nicht nur die Beijing Red Star GmbH, sondern auch viele andere Hersteller vermeiden bislang ein Drehen an der Preisschraube. Die Verbraucherpreise für Lebensmittel und Benzin sind kräftig gestiegen, aber die Hersteller von Industriegütern, darunter Elektrogeräte und Kleidung, halten sich noch zurück, denn diese Märkte sind stark umkämpft und die Kundschaft ist sehr preisbewusst – nicht zuletzt durch die Möglichkeit zum Preisvergleich, den das Internet mit einem simplen Mausklick eröffnet. Selbst angesichts steigender Rohstoffpreise können es sich diese Unternehmen nicht erlauben, von sich aus die Einzelhandelspreise zu erhöhen. Die Folge: schrumpfende Unternehmensgewinne.
Laut einem Bericht der Wirtschaftsprüfungsfirma Grant Thornton ist der rasche Preisanstieg für Hersteller und Großhandel eine heikle Herausforderung. 57 Prozent aller Unternehmen haben vor, im Jahr 2011 den Preis ihrer Produkte zu erhöhen.
Allerdings sind nicht alle Unternehmen in gleichem Umfang von der Preisentwicklung betroffen. Nach einem Report der Haitong Securities GmbH ergibt sich für manche Unternehmen die Möglichkeit, Lagerbestände von Produkten, die vor der Inflationsphase hergestellt wurden, nun zu einem höheren Preis zu verkaufen und damit in gewisser Weise den schrumpfenden Gewinnen entgegenzuwirken. So erweisen sich die aktuellen Preiserhöhungen als ein Vorteil für Betriebe mit hohen Lagerbeständen. Leider handelt es sich dabei um eine relativ kleine Anzahl von Unternehmen. Für Betriebe, die in ihrer Produktion von einem breiten Spektrum von Rohstoffen abhängen und eine hohe Durchlaufrate vorweisen, bedeuten steigende Preise zweifellos eine Katastrophe.
Betrachtet man die verschiedenen Branchen im Überblick, lässt sich feststellen, dass es Bereiche gibt, die nicht oder nur wenig von der Inflation betroffen sind. Bei der Stahlproduktion und im Bereich Buntmetalle, im Bergbau und im Anlagenbau macht sich die Inflation kaum bemerkbar. Bei der Lieferung von Rohstoffen bedeutet Inflation keinen Verlust, sondern eine Steigerung des Gewinns. Preiserhöhungen bei Kohle, Rohöl und Erdgas werden meist eins zu eins an die Verbraucher weitergegeben. Betriebe in diesen Bereichen der Volkswirtschaft befinden sich am Ausgangspunkt der industriellen Wertschöpfung und sind somit weitgehend inflationsresistent. Außerdem handelt es sich bei diesen meist um Monopolbetriebe oder Oligopole, bei denen Preisabsprachen üblich sind.
Obwohl die Unternehmen der Lebens- und Genussmittelindustrie die höheren Entstehungskosten auf den Endverbraucher abwälzen können, gelingt es ihnen in der Regel nicht, ihre Gewinnspannen aufrechtzuerhalten.
Der Bericht der Haitong Securities GmbH kommt zu dem Schluss, dass die Unternehmen, die Rohstoffe auf den Markt werfen, von der allgemeinen Preiserhöhung profitieren können, während die Verarbeitungsindustrie generell unter der Preisentwicklung leidet. Für einen Teil der High-Tech-Unternehmen gibt es keine wesentlichen Auswirkungen.
Zeng Zhaoxiong, Generalmanager der COWIN INVESTMENT GmbH, warnt davor, allein auf die Preissteigerungen zu blicken, welche die Unternehmensgewinne schmälerten. Denn es gibt auch die andere Seite der Medaille: Lohn- und Gehaltserhöhungen zur Kompensation der Kaufkraftverluste der Konsumenten. Angesichts der Inflation blicken zwar viele Unternehmen in China weniger optimistisch in die Zukunft, aber langfristig bestehen für sie gute Entwicklungsaussichten.
Der im Januar 2011 von Grant Thornton veröffentlichte Bericht über das Geschäftsklima in China zeigt, dass 69 Prozent der befragten Unternehmen die Gewinnentwicklung mit Zuversicht betrachten. 52 Prozent wollen zusätzlich Arbeitsplätze schaffen.61 Prozent werden voraussichtlich vermehrt in Forschung und Entwicklung investieren und 47 Prozent wollen mehr Geld in die Infrastruktur und die „Hardware" ihrer Unternehmen stecken: Fabrikgebäude erwerben, den Maschinenpark ausbauen und modernisieren.
Schnapsmanager Tian Xiuping hat keine Angst davor, dass die Inflation seinem Unternehmen nachhaltigen Schaden zufügte. Wird die Konsumfreude der Chinesen durch Gehaltserhöhungen beflügelt, steigen auch für die Beijing Red Star GmbH die Erträge aus dem Verkauf von Ergoutou-Schnaps. |