02-06-2010
Im Focus
Elektronikgigant Foxconn im Zwielicht

„Ich bitte in aller Form um Entschuldigung, dass es uns nicht gelungen ist, diese bedauerlichen Vorfälle zu vermeiden. Tragödien dieser Art sind eine harte Prüfung für uns. Unsere Betriebskultur ist noch nicht ausreichend entwickelt", sagt Guo Taiming, auch bekannt als Terry Gou, Chef des taiwanischen Computerproduzenten Foxconn Technology Group (Motherboard Manufacturer), mit belegter Stimme auf einer Pressekonferenz.

Am 26. Mai hat wieder ein Angestellter von Foxconn durch einen Sprung vom Dach eines Hauses auf dem Betriebsgelände seinem Leben ein Ende gesetzt. Das war der zwölfte derartige Fall bei Foxconn in diesem Jahr. Das größte Unternehmen der Fertigungsindustrie mit weltweit 900 000 Mitarbeitern, das als „verlängerte Werkbank" renommierter Elektronikmarken hochwertige Computerkomponenten herstellt und montiert, ließ in der Folge zum ersten Mal Journalisten auf das Werksgelände Longhua in Shenzhen, wo sich die meisten Selbstmorde ereignet hatten. Man wollte das Image der „Teufelsfabrik" loswerden, der Zugang zur Produktion war jedoch unter Hinweis auf den Schutz von Betriebsgeheimnissen verboten.

Am 26. Mai hat der Sprecher des Büros für Angelegenheiten Taiwans beim Staatsrat, Yang Yi, erstmals zu den Selbstmorden bei Foxconn Stellung genommen. Sein Büro  arbeite eng mit der Stadtregierung von Shenzhen und den zuständigen Behörden zusammen, damit effektive und wirkungsvolle Vorbeugemaßnahmen ergriffen, die Folgen der Verzweiflungstaten gemildert und anstehende Probleme gelöst werden könnten. Am 26. Mai trafen sich Experten von beiden Seiten der Taiwanstraße auf dem Werksgelände von Longhua zum „Dritten Bilateralen Forum für Psychologie und Soziologie der Arbeit". Die Verhütung von Selbsttötungen unter der Belegschaft war das Hauptthema des Symposions.

Druck bleibt bestehen

Foxconn hat allein in China 800 000 Angestellte, davon arbeiten 450 000 in Shenzhen. In der Produktionsstätte Longhua sind 250 000 Mitarbeiter tätig. Am Vormittag des 26. Mai tauchte plötzlich Konzernchef Guo Taiming höchstpersönlich in den Werkshallen auf, die Angestellten blickten erstaunt von ihrer Arbeit auf und zückten ihre Handys, um Fotos zu machen.

Alle Arbeiter kennen die „Worte von Guo Taiming" in- und auswendig: „Jenseits des Labors geht es nicht mehr um Hi-Tech, sondern um strengste Fertigungsgenauigkeit."

„Die halbmilitärische Disziplin und die Präzision im Herstellungsprozess führt zwar zu hoher Effizienz, aber der Druck, der dadurch auf die Arbeiter ausgeübt wird, ist erheblich", erklärt ein Schichtführer. An jeder Treppe hängen Losungen, die die Arbeiter anspornen sollen. Der Druck scheint überall zu bestehen. 

Um sechs Uhr abends strömen die Arbeiter aus dem Südtor. Nach dem Abendessen kehren sie in der Regel an ihren Arbeitsplatz zurück um Überstunden zu leisten. „Unser Basislohn liegt nur wenig über dem Mindestlohnstandard in Shenzhen. Um mehr zu verdienen muss man Überstunden machen," sagt ein Arbeiter.  

Die Selbstmorde haben zwar für Aufregung gesorgt, aber vor den Werkstoren versammeln sich nach wie vor jeden Tag Tausende von Stellenbewerbern.

„Im Vergleich zu anderen Fabriken sind die Arbeitbedingungen, das Gehalt und die Sozialleistungen für die Angestellten gar nicht so schlecht", sagt Xiao Li, der von einer anderen Fabrik zu Foxconn gewechselt hat.

Wenn man den Longhua-Technologie-Park von Süden her betritt, sieht man grüne Bäume zu beiden Seiten der vierspurigen Fahrstraße. Werkshallen, Wohnheime und Verwaltungsgebäude stehen nebeneinander. Anders als in anderen Fabriken gibt es hier Post, Bank, Internetcafés, Imbissbuden, einen Buchladen, Schwimmbäder und Fitness-Clubs. Alles Nötige scheint vorhanden. In der Fabrik gibt es nach Angaben eines Foxconn-Angestellten insgesamt drei Gesundheitszentren und fünf Schwimmbäder in Standardgröße, „aber für 250 000 Angestellte sind diese nicht ausreichend."

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