28-08-2009
China in den Augen der Ausländer
Die Geschäfte des Herrn Shen
von Matthias Mersch

 

Die Krise und wie es früher war

Seit Dezember 2008 sind die Aufträge um 50 Prozent zurückgegangen, besonders hart sind die Einbrüche seit März 2009. Wer es sich leisten kann und wessen Branche dafür geeignet ist, versucht in Richtung Hochtechnologie zu gehen. Aber die Herstellung von Gussteilen ist kein high-tech Verfahren und kann es auch nicht werden. So kam es zu umfangreichen Entlassungen in der Firma des Herrn Shen: "Wir haben fünfzig Prozent der Belegschaft abgebaut, früher hatten wir 200 Leute, jetzt nur noch hundert. Auch für unsere Partner in Deutschland ist die Situation schwierig. Die Kunden verlangen im Zeichen der Krise eine Reduzierung der Preise. Wir sitzen in der Tinte, einige Mitbewerber sind schon bankrott gegangen."

Was ist Shens Rezept zur Überwindung der Krise?

"Die Zahl der Arbeitskräfte nicht mehr ausbauen, sich mit einer kleineren Gewinnspanne zufrieden geben. In kleinen Schritten vorwärts gehen, nicht in großen. Und dann zu versuchen, den Kundenstamm zu erweitern. Ich habe jetzt 23 Kunden, ich möchte an mehr Messen in Deutschland teilnehmen, nicht nur an der Hannover Messe, sondern auch an Fachmessen in Düsseldorf und anderen Orten. Vielleicht kann ich zu 40 Kunden langfristige Geschäftsbeziehungen aufbauen."

Mit Deutschland ist Herr Shen seit langem vertraut. Der studierte Chemieingenieur hat fünf Jahre in einem staatlichen Betrieb gearbeitet, der mit dem Chemiefaserunternehmen Zimmer kooperierte, das heute Teil des Lurgi-Konzerns ist. 1978 besuchte Shen in Shanghai sechs Monate lang einen Deutschkurs. Dann folgten acht Jahre in der Abteilung für Außenwirtschaft eines staatlichen Betriebs, der Kugelgewinde herstellte. Das Unternehmen begann ein Joint-Venture mit Neff Gewindetriebe aus Waldenbuch in Baden-Württemberg. Seine Frau arbeitete als Lehrerin an einer Mittelschule in Nanjing, so konnte er leichteren Herzens die Trägheit eines staatlichen Unternehmens überwinden und sich selbständig machen. Mit einer Partnerin, die Materialkunde studiert hatte, gründete er vor zwölf Jahren mit einem Startkapital von 700 Euro eine Firma, die heute die Nanjing Circle Precision Machine Manufacturing Co., Ltd ist.

"Wir haben in einem 16 Quadratmeter großen Büro angefangen. Aber uns war bald klar, dass wir als reine Handelsfirma keine Zukunft hatten. Wir mieteten uns Räumlichkeiten in einer Mittelschule, immerhin 200 Quadratmeter! Wir haben einen Mitarbeiterstamm von 20 Leuten aufgebaut und sind auf ein richtiges Werkgelände mit ca. 3000 Quadratmeter umgezogen. Da mußten wir aber wieder raus, weil die Gebäude wegen des Baus einer Autobahn abgerissen wurde. Vor fünf Jahren hatten wir wieder ein sehr ordentliches Fabrikgelände: 26 000 Quadratmeter, die Werkhalle war 17 000 Quadratmeter groß. Nach Kundenzeichnungen fertigten wir Werkstücke. Das Geschäft lief sehr gut, so dass wir uns vergrößern mussten. Seit zwei Jahren sind wir nun hier, die Investitionen waren umfangreich."

Einen schmalen Streifen neben seinen Fabrikhallen hat Herr Shen für Weinreben reserviert, "Tafeltrauben", wie er betont, nicht zur Herstellung von Wein. Und die Trauben aus Nanjing schmecken gut unter ihrer dicken Haut. Es scheint, als kehrte die Landwirtschaft gewissermaßen auf das Gelände zurück, das nun ein Territorium der Weltwirtschaft geworden ist.

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