16-04-2010 Beijing Rundschau
Atomsicherheitsgipfel: Bedrohung durch Atomterrorismus

Spitzenpolitiker aus mehr als 40 Staaten und Vertreter internationaler Organisationen haben sich am 12. und 13. April zum Nukleargipfel in Washington versammelt. Noch nie zuvor war in einem so weiten internationalen Rahmen über das Thema Nuklearsicherheit und die Bedrohung durch Atomterrorismus diskutiert worden. 

Bedrohung durch Atomterrorismus

Mit einer allgemeinen Erklärung zum Kampf gegen die Verbreitung waffenfähigen Spaltmaterials ist am Dienstagabend das Gipfeltreffen zu Ende gegangen. Zudem wurde ein – allerdings unverbindlicher – Aktionsplan zur Nuklearsicherheit verabschiedet: innerhalb der nächsten vier Jahre soll das auf der Welt verbreitete kernwaffenfähige Material sichergestellt werden, damit es nicht in die Hände von Terroristen fallen kann. Die Teilnehmerstaaten der Konferenz bekunden ihren Willen, die Sicherheit der Lagerung von spaltbarem Material zu militärischer und ziviler Verwendung zu verbessern und sich in dieser Frage international aufeinander abzustimmen. Man betrachte nunmehr die bereits ratifizierte „Convention on the Physical Protection of Nuclear Material" und die „International Convention for the Suppression of Acts of Nuclear Terrorism" als wesentliche Bestandteile eines globalen nuklearen Sicherheitssystems.

Wie aus der Abschlusserklärung hervorgeht, halten die Gipfelteilnehmer den Atomterrorismus für die gegenwärtig größte Bedrohung des Weltfriedens. Verstärkte und effiziente Sicherheitsmaßnahmen seien der beste Weg, um zu verhindern, dass Terroristen und Kriminelle in den Besitz von nuklearem Material gelangten.

Was aber lässt sich unter Atomterrorismus verstehen? Li Bin, Direktor des Forschungsinstitut für Internationale Beziehungen an der Tsinghua Universität setzt zu folgender Erklärung an: „Atomterrorismus wird normalerweise nicht von Staaten ausgeübt, sondern von nichtstaatlichen Akteuren, zum Beispiel Terrorgruppen. Man muss dabei von vier Szenarien ausgehen: erstens Diebstahl von Atomwaffen, zweitens Diebstahl von Material für die Herstellung von Atomwaffen, drittens Diebstahl radioaktiver Stoffe aus denen kernwaffenfähiges Material gewonnen werden kann zur Herstellung „schmutziger Bomben", also Sprengkörper geringen Gewichts, die auch von Laien improvisiert werden können. Viertens der Angriff auf militärische oder zivile Nuklearanlagen mit dem Ziel, durch die Freisetzung von Radioaktivität weiträumige Verwüstung auszulösen."

Schwarzmarkt für Spaltmaterial

Mit der Verbreitung der Atomkraft zur Energiegewinnung ist nicht nur das Risiko der Freisetzung von Radioaktivität bei Reaktorunfällen gestiegen. Spaltbares Material ist heute viel leichter zugänglich als früher. Schätzungen gehen davon aus, dass in 40 Ländern der Welt derzeit neben rund 0,5 Millionen Kilogramm Plutonium etwa 1,58 Millionen Kilogramm hochangereichertes Uran verfügbar sind. Die Nichtregierungsorganisation Fissile Materials Working Group schätzt, dass sich daraus 120 000 Atombomben bauen ließen. Zum Bau einer kleinen Atombombe reichten bereits 25 Kilo hochangereichertes Uran aus. Zwar verfügen die Vereinigten Staaten und Russland über 95 Prozent aller einsatzbereiten Atomwaffen auf der Welt, aber geringe Mengen hochgefährlichen Materials zum Bau von „Mini-Bomben"  sind wiederholt auf dem Schwarzmarkt aufgetaucht. Von 1993 bis 2008 wurden der Internationalen Atomenergiebehörde 421 Verlustmeldungen gemacht, in 15 Fällen waren hochangereichertes Uran oder Plutonium verschwunden. Eine wirkungsvollere Aufsicht scheint also dringend geboten. 

Amerika will sich von Atomwaffen verabschieden

Mit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 begann sich die Einstellung der Amerikaner gegenüber atomarer Bewaffnung zu verändern. Die Anschläge haben den USA deutlich gemacht, dass Atomwaffen keinen Schutz vor Terroranschlägen bieten. Im Gegenteil: verschaffen sich Terroristen Atomwaffen, so wächst ihr Bedrohungspotenzial beträchtlich. Industriegesellschaften sind aufgrund ihrer hochentwickelten Infrastruktur in höchstem Maße anfällig gegenüber asymmetrischer Bedrohung und daher erpressbar. Diese Erkenntnis hat entscheidend zum Wechsel in der amerikanischen Atomstrategie beigetragen.  Noch kein US-Präsident hat so viel Wert auf die Kontrolle spaltbaren Materials gelegt wie Barack Obama. Aber seine Initiative zielt nicht nur auf internationale Terrornetzwerke wie Al-Qaida, sondern auch auf souveräne Staaten wie Nordkorea und den Iran, denen vorgeworfen wird, über atomare Bewaffnung entweder bereits zu verfügen oder diese anzustreben. Auch wenn Nordkorea und der Iran nicht an der Gipfelkonferenz teilgenommen haben, soll durch internationale Geschlossenheit Druck auf diese Staaten ausgeübt werden, ihre Atompläne zu revidieren.

Zwar haben die USA und Russland am 8. April 2010 in Prag ein neues Abkommen unterzeichnet, das den Bestand an nuklearen Sprengköpfen in beiden Ländern in den nächsten sieben Jahren um 30 Prozent absenken soll – von je 2200 auf je 1500 - Skeptiker gehen jedoch davon aus, dass sich in den Arsenalen der beiden Atommächte längst viel weniger Sprengköpfe befindet, tatsächlich also gar keine Abrüstungsanstrengungen unternommen werden müssen. Zudem geht der Trend weg von Interkontinentalraketen hin zu atomaren Gefechtsfeldwaffen, die wieder einmal mehr kein Gegenstand von Abrüstungsverhandlungen gewesen sind. Zu ihnen – den so genannten „taktischen Atomwaffen" – zählen beispielsweise Sprengköpfe für Kurzstreckenraketen, Artilleriemunition und Atomminen. Obwohl Russland und die USA bereits 1997 übereingekommen waren, in nachfolgenden Vereinbarungen auch den Abbau dieser Waffentypen einzubeziehen, ist das bis heute nicht geschehen. Nukleare Gefechtsfeldwaffen sind nicht präzise definiert und unterliegen keinerlei vertraglichen Beschränkungen. Je nach Definition wird ihre Gesamtzahl auf 7 000 bis 20 000 geschätzt. Allein das Vorhandensein derart umfangreicher atomarer Waffenlager macht es wahrscheinlich, dass sich auch Kriminelle in den Besitz von waffenfähigem Kernmaterial bringen können.

Die Initiative zur weltweiten Abrüstung der Atomwaffenarsenale findet nicht überall  Befürworter. Der französische Staatspräsident Nicholas Sarkozy machte in Washington deutlich, dass an einen Abbau des französischen Atomarsenals angesichts der internationalen Lage nicht zu denken sei: „Ich werde nicht auf die Atomwaffe verzichten, die die Sicherheit meines Landes garantiert." Nahezu die gleichen Worte gebrauchte Russlands Generalstabschef Nikolai Makarow, als er kürzlich an anderem Ort zur Zukunft atomarer Gefechtsfeldwaffen angesprochen wurde:  "Wir werden nichtstrategische Nuklearwaffen so lange behalten wie Europa instabil und vollgepackt mit Waffen ist. Sie garantieren unsere Sicherheit." 

 

 
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