01-04-2010 Beijing Rundschau Krieg der Welten: Kontroverse um Renminbi-Wechselkurs von Wu Yanfei
Vor dem chinesischen Neujahrsfest hat US-Präsident Barack Obama erklärt, er werde innerhalb eines Jahres China davon überzeugen, dass es vernünftig sei, den Renminbi aufzuwerten. Dies diene nicht nur der Reduzierung des Außenhandelsdefizits der USA, sondern helfe auch China im Kampf gegen eine Überhitzung seiner Wirtschaft. Obama hat seine Bedenken noch sehr diplomatisch formuliert, die Forderung von 130 Abgeordneten des US-Kongresses hört sich da schon aggressiver an. In einem Brief an US-Finanzminister Timothy Geithner und Handelsminister Gary Locke fordern sie, China auf die Liste der Länder zu setzen, denen Washington die Manipulation des Wechselkurses ihrer Währungen vorwirft. Gleichzeitig rufen sie dazu auf, Anti-Dumping-Zölle auf chinesische Importwaren zu erheben. Gegenüber den wiederholten Klagen der USA über den Wechselkurs des Yuan haben chinesische Spitzenpolitiker Stellung bezogen. Der Präsident der chinesischen Zentralbank, Zhou Xiaochuan, sagte auf der Jahrestagung der Interamerikanischen Entwicklungsbank (IDB) am 22. März in Mexiko, Wechselkurse seien eine sehr komplexe Materie, man könne über sie im Rahmen einer globalen Kooperation diskutieren, aber viel Lärm um eine Aufwertung des Renminbi diene niemandem. Der Handelsminister Chen Deming hat am 21. März gesagt, die Festlegung des Wechselkurses sei eine Frage der Souveränität eines jeden Staates, aber kein Diskussionsthema in bilateralen Gesprächen. Anders als von den USA unterstellt, sei der Renminbi keinesfalls unterbewertet und werde auch nicht manipuliert. Wenn die USA Handelssanktionen gegen China verhängten, dürfe sein Land dies nicht tatenlos geschehen lassen. China sollte die Stabilität des RMB-Wechselkurs in angemessener Weise bewahren. Für große Volkswirtschaften wie China und die USA spielen Schwankungen des Wechselkurses im Außenhandel, bei den Devisenreserven, auf dem Arbeitsmarkt und hinsichtlich des Staatshaushaltes eine bedeutende Rolle. Seit der Reform von 2005 ist der Renminbi gegenüber dem Dollar um 21 Prozent aufgewertet worden. Eine bedeutende Aufwertung des Renminbi gegenüber dem US-Dollar bedeutete nicht nur, dass die Devisenreserven Chinas, die sich derzeit auf über zwei Billionen US-Dollar belaufen, schrumpfen würden, sondern bedrohte auch das Überleben zahlreicher Betriebe der chinesischen Exportindustrie. Vor allem Firmen aus der Textil- und Spielzeugindustrie im Perlfluss-Delta verfolgen mit großer Sorge die Kontroverse um den Wechselkurs des Renminbi. Cai Minqiang, Vorstandsvorsitzender einer großen Textilfirma in Guangdong, die sich auf die Herstellung von Hochzeitskleidern für den Export spezialisiert hat, erklärt, dass vor einigen Jahren die Geschäfte so gut liefen, so dass eine Aufwertung des Renminbi um drei bis fünf Prozent noch akzeptabel war, aber bisher habe sich der Export nach der Wirtschaftskrise noch nicht wieder völlig erholt. Man habe mit einem Rückgang der Nachfrage und steigenden Preisen für Arbeitskraft und Rohmaterial zu kämpfen, weshalb für die Unternehmen selbst eine Aufwertung des Renminbi um nur ein Prozent eine nicht hinnehmbare zusätzliche Belastung darstellen würde. Eine Umfrage hat ergeben, dass die durchschnittliche Gewinnmarge der exportorientierten Textilunternehmen lediglich ein Prozent beträgt. Der US-Ökonom und ehemalige Präsidentenberater Barry Bosworth, Experte für Finanz- und Währungspolitik der konservativen Denkfabrik Brookings Institution, ist der Auffassung, dass eine Aufwertung des Renminbi keinen großen Einfluss auf die Handelsbilanz der USA haben würde. Die Preise chinesischer Exportprodukte seien mehr von den Kosten für Arbeitskraft und Rohstoffe abhängig, die Höhe des Wechselkurses sei kein entscheidender Faktor bei der Kalkulation des Stückpreises. Um eine ausgeglichene Handelsbilanz zu erreichen, sollten China und die USA ihrem Warenaustausch mehr Aufmerksamkeit schenken als der Wechselkursparität. Im bilateralen Handel zwischen China und die USA kann man kaum von einer Konkurrenzsituation sprechen. Die USA exportierten hauptsächlich Hi-Tech-Produkte mit hohen Gewinnspannen, ihre Mitbewerber auf diesem Gebiet seien Japan und Deutschland, nicht China. Deshalb rät Bosworth den USA zu einer besseren Erschließung des chinesischen Marktes, anstatt in der Forderung nach einer Aufwertung der chinesischen Währung die Lösung für das Defizit im Chinahandel zu suchen. Auch China sieht nicht im Wechselkurs das größte Hindernis für eine ausgeglichene Handelsbilanz zwischen den beiden Ländern, sondern in den Exportbeschränkungen, denen zahlreiche amerikanische Hi-Tech Produkte unterliegen. Der schnelle Aufstieg der chinesischen Wirtschaft und die Kontroverse um den Wechselkurs der Landeswährung erinnert stark an die Situation Japans vor 25 Jahren. Ab 1985 erlebte der Yen eine rasche Aufwertung, nachdem das Plaza-Abkommen zwischen Frankreich, Deutschland, Japan, Großbritannien und den USA mit dem erklärten Ziel geschlossen worden war, den US-Dollar abzuwerten. Japanische Ökonomen gehen mehrheitlich davon aus, dass die damalige Aufwertung des Yen erheblich zur wirtschaftlichen Blasenbildung beigetragen habe, die eine zwanzig Jahre andauernde Rezession eingeleitete. Seguchi Kiyoyuki, Wissenschaftler am japanischen Canon Institute for Global Studies, sieht in dem gegenwärtigen Verhältnis zwischen China und den USA deutliche Parallelen zu den Wirtschaftbeziehungen zwischen den USA und Japan Anfang der 1980er Jahre. Mit einer Stärkung der chinesischen Wirtschaftskraft und einer Erhöhung der Binnennachfrage würde die Produktion der chinesischen Industrie nicht Schritt halten können, weshalb die Einfuhren nach China automatisch anwachsen würden. Die Exportrate der chinesischen Industrieproduktion würde sinken, wodurch sich der Außenhandelsüberschuss des Landes verringerte. Seiner Ansicht nach sei eine kräftige Aufwertung des Renminbi daher unnötig. Der japanische Parlamentarier Murakami Seiichiro, der 2001-2002 stellvertretender Finanzminister im ersten Kabinett Koizumi war, hat zum Krieg der Welten um die Höhe des Wechselkurses seine eigene Meinung. Er meint, "die cleveren Chinesen werden nicht wie die Japaner vor zwanzig Jahren in die Wechselkursfalle tappen. Wenn die chinesische Regierung es versteht, die Früchte der wirtschaftlichen Entwicklung jedem einzelnen Bürger zukommen zu lassen, anstatt nur bestimmte Schichten zu bereichern, kann China die Bildung einer Blase vermeiden und stattdessen eine nachhaltige Entwicklung realisieren." Der stellvertretende chinesische Handelsminister Zhong Shan hat am 24. März in Washington erklärt, man solle die Wirtschafts- und Handelsstreitigkeiten zwischen China und den USA angemessen behandeln. Chinas Handelsüberschüsse gegenüber den USA seien auf internationale Arbeitsteilung und Anpassung der Branchenstruktur im Zuge der Globalisierung zurückzuführen. Dies spiegele die Konkurrenzfähigkeit der Industriezweige beider Länder wider. Eine Aufwertung der chinesischen Landeswährung RMB könne dieses Problem aber nicht lösen. Um die aktuelle Situation des Ungleichgewichts im bilateralen Handel zu ändern, seien einseitige Bemühungen Chinas nicht ausreichend. Die USA müssten sich auch darum bemühen. Ein stabiler RMB-Wechselkurs sei nicht nur für China, sondern auch für die USA und die Weltwirtschaft vorteilhaft, so Zhong Shan. Ende Mai wird der stellvertretende Ministerpräsident Wang Qichan und Staatskommissar Dai Bingguo als Sonderbeauftragter des Staatspräsidenten am zweiten Dialog für Strategie und Wirtschaft zwischen China und der USA teilnehmen. Handelsreibereien und RMB-Wechselkurs stehen nach wie vor im Mittelpunkt. Wie immer das Ergebnis auch aussehen mag, man kann die Dinge aus dem Blickwinkel des japanischen Parlamentarier Murakami betrachten: „Finanzpolitik ist wie Krieg, nur die Klugen können gewinnen."
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