04-02-2009 Beijing Rundschau
2009: Chinesischer Büffel wirbt um Europas Stier
-Die Reise Wen Jiabaos im Spiegel der deutschen Presse

Lob für Chinas Wirtschaftspolitik gibt es von Jim O’Neill, dem Chefvolkswirt der Investmentbank Goldman Sachs, in einem Interview mit der „Welt am Sonntag", Peking habe schnell und entschlossen auf die Finanzkrise reagiert. Ansonsten  übt er sich in Optimismus: „Ich glaube weiterhin, dass die stärkste Phase der Rezession bereits hinter uns liegt. Ab Mitte 2009 rechne ich mit einer Erholung. Wichtige Frühindikatoren in den USA zeigen, dass sich die Schrumpfkur der Wirtschaft seit November verlangsamt."

Welt am Sonntag:

„Glauben Sie solchen Indikatoren noch? Viele deutsche Konzerne melden aktuell nie gekannte Auftragseinbrüche. Und das globale Bankensystem ist unterm Strich pleite."

O'Neill:

„Nicht das globale Bankensystem ist pleite, sondern das westliche Bankensystem. Das ist ein großer Unterschied. In China gibt es im Moment keine Bankenkrise."

„China rettet also die Welt?"

O'Neill:

„China wird entscheidend dafür sein, wie schnell die Weltwirtschaft wieder aus der Krise kommt. Sollte auch China in eine Krise geraten, müssen wir uns auf eine längere Wirtschaftskrise einstellen. Deshalb können wir alle froh sein, dass die Chinesen viel entschlossener auf die Krise reagiert haben als beispielsweise die Deutschen."

„Die Chinesen sitzen ja auch auf mehr als einer Billion Dollar an Devisenreserven. Da kann man leicht ein gigantisches Konjunkturprogramm ausrufen."

O'Neill:

„Deutschland hat aber im Gegenzug ein funktionierendes Wirtschaftssystem und immer noch einen sehr glaubwürdigen Staat. Da gibt es noch einen größeren fiskalpolitischen Spielraum."

„Wir sollen also ein Defizit von weit mehr als vier Prozent zum Bruttoinlandsprodukt machen?"

O'Neill:

„Ja, Deutschland muss zum Motor Europas werden. Nicht nur die Amerikaner müssen ihr Leistungsbilanzdefizit verringern, sondern viele europäische Länder. Griechenland, Spanien, Portugal, Belgien: Sie alle leben über den Verhältnissen. Dann müssen per Definition andere Länder ihren Überschuss abbauen. Allen voran Deutschland."

„Wir sollen uns also in die Schuldenfalle konsumieren, wie es die Amerikaner getan haben?"

O'Neill:

„Das ist doch total übertrieben. Deutschland hat in den vergangenen Jahren viel für seine Wettbewerbsfähigkeit getan und seine Stellung als starke Exportnation ausgebaut. Das ging allerdings auf Kosten der anderen europäischen Staaten, weil die Deutschen deutlich mehr in andere Länder exportiert und dazu relativ wenige Waren aus dem Ausland nachgefragt haben. Deutschland hat eine der höchsten Sparquoten der Welt. Das muss sich ändern."

Zu einer ähnlichen Einschätzung kommt der Präsident des Internationalen Währungsfonds Dominique Strauss-Kahn in einem Interview mit der ZEIT: „Deutschland hat eine wichtige Rolle zu spielen. Dies ist eine globale Krise, man kann sie nur gemeinsam lösen. Ich höre aus Deutschland immer wieder, es könne doch nicht angehen, dass Geld ausgegeben werden solle, das anderen Ländern zugutekomme. Dem liegt eine krude Vorstellung der volkswirtschaftlichen Zusammenhänge zugrunde. Wenn man so wie Deutschland vom Export lebt, ist es im ureigenen Interesse, dass sich die Konjunktur bei den Handelspartnern erholt.“ Das Problem der unterbewerteten chinesischen Währung sieht Strauss-Kahn weit weniger dramatisch als der amerikanische Finanzminister: „Natürlich spielt das Thema Wechselkurse eine Rolle. Wir haben wiederholt argumentiert, dass die chinesische Währung unterbewertet ist. Aber das dürfte heute nicht das wichtigste Problem sein. Das Versiegen der Kapitalströme in die Schwellenländer bereitet mir viel größere Sorgen. Ein Beispiel ist Ungarn, ein Land, dessen Wirtschaft auf den Zustrom ausländischen Kapitals angewiesen war. Das hat sich in der Krise als fatal erwiesen.“

Auch die „Financial Times Deutschland“ warnt vor einer Überbewertung des chinesisch-amerikanischen Währungsstreits:

„Die Obama-Regierung droht in Aktionismus zu verfallen. Allerdings haben nicht alle Probleme, die die neue Administration gerade anpackt, die gleiche Dringlichkeit. Ein allzu forsches Vorgehen bei langfristig angelegten Reformen kann sogar schaden. (...)

Auch im Umgang mit den Handelspartnern drohen Schnellschüsse mehr Schaden anzurichten, als zu nutzen. Langfristig müssen die USA sich ernsthaft darum bemühen, ihr Handelsbilanzdefizit spürbar zu reduzieren - und dabei hilft es nicht, wenn China seine Währung künstlich niedrig hält und US-Exporte relativ verteuert und chinesische Importe in die USA billig hält. Es ist deshalb verständlich, wenn Geithner China deutlich zu verstehen gibt, dass sein Land Währungsmanipulationen nicht tolerieren wird.

Als erster Akt einer neuen Regierung gegenüber einer anderen Wirtschaftssupermacht sendet solch eine verbale Attacke aber ein verheerendes Signal aus. Die viel beschworene nötige Koordination in der Bekämpfung der Weltwirtschaftskrise sieht anders aus.“

Die „Süddeutsche Zeitung“ beschreibt die Angst vor einem neuen Protektionismus im Welthandel, wenn die Pläne des amerikanischen Senats umgesetzt würden, die im Konjunkturprogramm eine Bevorzugung amerikanischer Lieferanten nach dem Motto „Buy American“ zu bevorzugen.

Vor diesem Hintergrund mutet die Überschrift in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ geradezu messianisch an: „Wen: Ich kam, um Europa Hoffnung zu geben“. Im Artikel wird hervorgehoben, dass während Wens Aufenthalt neun Abkommen zwischen der EU und China unterschrieben wurden und in China bereits 95 Prozent der Gerichtsverhandlungen wegen Diebstahl geistigen Eigentums zwischen chinesischen Firmen stattfinden.

In einem Kommentar in der FAZ schreibt Christoph Hein: „Auch Kritiker der chinesischen Regierung müssen zugestehen, dass sie in ihren wirtschaftlichen Entscheidungen die Welt selten enttäuscht hat. Statt das Wachstum über Wechselkurssprünge zu stabilisieren, dürfte sich die chinesische Regierung daher zunehmend auf das direkte Ankurbeln der heimischen Nachfrage konzentrieren.“ Das aber, so Bernhard Bartsch im „Kölner Stadtanzeiger“ dürfte nicht immer den Beifall der europäischen und amerikanischen Partner Chinas finden:

„Im Westen beobachten viele Chinas Probleme mit heimlicher Genugtuung. Doch Häme ist fehl am Platz. Die Herausforderung, denen sich der Westen in denen vergangenen Jahren durch Chinas wirtschaftlichen Erfolg ausgesetzt sah, wird durch die Krise eher größer. Und es ist nicht auszuschließen, dass die Volksrepublik gestärkt aus der Krise hervorgehen wird. Wohl keine Regierung der Welt ist so reformerfahren wie die chinesische. Wen Jiabao kommt keineswegs als Bittsteller nach Europa. Für die Bewältigung der Finanzkrise und den Aufbau eines neuen globalen Wirtschaftssystems fordert China Maßnahmen, mit denen sich Europäer und Amerikaner schwer tun werden. Die Krise markiert auch das Ende einer Ära, in der die globalen Spielregeln vom Westen bestimmt wurden. Einen gemeinsamen Ausweg finden heißt eben gemeinsam. Auf die Welt wartet eine Ochsenkur.“

   <   1   2  

 
Kurze Nachrichten


Wirtschaft
Top-Services
Hotel
Routenplaner
Wechselkurs
Rent a car
City Apartments Vermietung
Reise durch China
Schreiben Sie an uns
Aboservice
Wetter
Über Beijing Review | Über Beijing Rundschau | Rss Feeds | Kontakt | Aboservice | Zu Favoriten hinzufügen
Adresse: BEIJING RUNDSCHAU Baiwanzhuanglu 24,
100037 Beijing, Volksrepublik China