13-11-2008 Beijing Rundschau
Barack Obama Superstar: Hoffnungen und Bedenken in Europa
von Matthias Mersch

Barack Obama verdankt seinen Sieg vor allem den jüngeren Wählern, den Minderheiten und den Frauen

Wer der Darling der Europäer ist, hat in den Vereinigten Staaten traditionell einen schlechten Stand. Und tatsächlich sah es lange so aus, als hätte der umjubelte Auftritt des amerikanischen Präsidentschaftskandidaten Barack Obama vor rund 200 000 Menschen am 24. Juli in Berlin seine Chancen für die Wahl am 4. November eher geschmälert als erhöht. Schließlich wollen es sich die Amerikaner nicht nehmen lassen, ihren Präsidenten selbst zu wählen, die übergroße Popularität eines Kandidaten im Ausland macht diesen für den amerikanischen Wähler höchst verdächtig. Dass die Wahl dann oft auf einen Politiker fällt, dessen Performance in Europa bestenfalls Kopfschütteln, schlimmstenfalls aber blankes Entsetzen auslöst,  zeigt nur, wie grundverschieden die politischen und ethischen Kulturen auf beiden Seiten des Atlantiks in Wahrheit sind.

Im Falle der „Obamania" aber war alles anders, eine gar nicht so deutliche Mehrheit der US-Bürger entschied sich für ihn und zwei Drittel der Deutschen würden das Gleiche getan haben, hätten sie an den Wahlen teilnehmen dürfen. Nun herrscht also eine selten gewordene transatlantische Harmonie. Das Geheimnis von Obamas Erfolg lag in der Mobilisierung notorischer Nichtwähler: Minderheiten und Jugendliche. Mit geschätzten 64 Prozent konnte der Urnengang eine für amerikanische Verhältnisse  extrem hohe Wahlbeteiligung verbuchen, wie sie sich zuletzt vor genau hundert Jahren zugetragen hatte.

Fast fünfzig Millionen Amerikaner sind ohne Krankenversicherung, und das ist nur eines der Probleme, für die Obama Lösungen bieten muss. Wer die Wahlspots des Kandidaten in den letzten Monaten verfolgt hat, konnte sich des Staunens darüber nicht erwehren, dass in ihnen eine Sozialpolitik zur Genesung des Landes propagiert wurde, die aus einem angeblich nicht länger zeitgemäßen Europa stammt, dem doch Ende der 90er Jahre New Labour und Agenda 2010 mit vereinten Kräften den Garaus machen wollten.

Für Joschka Fischer, deutscher Außenminister von 1998 bis 2005 und Experte für Imagewandel, ist der Fall in seiner Kolumne in der Wochenschrift ZEIT klar: „Obama verdankt seinen Sieg vor allem den jüngeren Wählern, den Minderheiten und den Frauen. Und gerade die Jugend war es, die sich auch aktiv in seinem Wahlkampf eingesetzt, die unermüdlich Wähler mobilisiert und damit den Sieg ermöglicht hat. Muss dieser Aufbruchstimmung in der jungen Generation jetzt nicht zwangsläufig eine tiefe Enttäuschung folgen? Ich meine nein." Angesichts der Vielzahl der Herausforderungen, denen sich der neue Präsident ausgesetzt sieht, kommen selbst Fischer Zweifel: „Es ist unmöglich, alle diese Themen gleichzeitig anzupacken, insofern werden die richtige Prioritätensetzung und das Timing über Obamas Erfolg oder Misserfolg entscheiden." Neben Glück und Standfestigkeit hält Fischer die persönliche Glaubwürdigkeit für das höchste Gut Obamas  „Jeden Umweg, jeden Kompromiss, ja jeden Fehler wird er durchstehen können, solange er seine Glaubwürdigkeit behält. Und gleich nach der Glaubwürdigkeit rangiert die praktische Durchsetzungsfähigkeit, also liefern zu können, was versprochen wurde."

Fischer sieht in Obama schon jetzt einen großen Präsidenten: „Barack Obama und sein Team wurden in dem endlosen Ringen mit Hillary Clinton und dann im Wahlkampf gegen John McCain auf das Härteste geprüft. Er hat sich zweimal gegen furchterregende Wahlkampfmaschinen erfolgreich durchgesetzt, und dabei hat er all die Tugenden bewiesen, die er braucht, um ein großer Präsident zu werden. Er wird deshalb die Jugend Amerikas, die sich für ihn so massiv eingesetzt hat, nicht enttäuschen, sondern ganz im Gegenteil eine Epoche – ihre Epoche – erfolgreich gestalten."

Ganz anders sieht dies Anette Dowideit in der WELT. Sie titelt: „No, he can´t. Obama kann seine Versprechen nicht zahlen”. Dabei liegt es weniger an Obamas Willen, seinen Worten nun die notwendigen Taten folgen zu lassen, als schlicht an der verheerenden Finanzlage der USA: „Das Land ist in gleich zwei kostspielige Kriege verwickelt, eine steigende Arbeitslosigkeit lässt die Steuereinnahmen der Bundesregierung sinken, und die Staatsverschuldung steht auf dem Rekordstand von 10,5 Billionen Dollar. Im kommenden Jahr dürfte sich das Land, unter anderem wegen des vor Kurzem beschlossenen 700 Milliarden Dollar großen Rettungspakets für die Finanzbranche, mit sagenhaften 1,175 Billionen neu verschulden – ein Defizit, das 8,2 Prozent des gesamten Bruttoinlandsprodukts entspricht. Selbst wenn man konjunkturelle Effekte außen vor lässt: George W. Bush hinterlässt seinem Nachfolger damit noch mehr Staatsschulden, als Bush Senior dies damals beim Amtsantritt Bill Clintons getan hat."

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