17-10-2008 Beijing Rundschau
Die Entwicklung des ländlichen Raumes -  Probleme und Hoffnungen
von Matthias Mersch

Am 12. Oktober ist in Beijing die dritte Sitzung des 17. Zentralkomitees der Kommunistischen Partei zu Ende gegangen. Ein wichtiger Tagesordnungspunkt war die Resolution zur Förderung ländlicher Gebiete. Beabsichtigt ist eine Verdoppelung des gegenwärtigen Durchschnittseinkommens der Bewohner ländlicher Gebiete bis zum Jahr 2020.

Das verfügbare Pro-Kopf-Einkommen der Landbevölkerung lag 2007 bei 4140 Yuan (ca. 450 EUR). Jährlich sei eine Steigerung von 9,5 Prozent zu verzeichnen, dieses Jahr wird eine Verbesserung des Durchschnittseinkommens um mindestens 6 Prozent erwartet.

Das am Ende der Sitzung herausgegebene Kommuniqué spricht von der „anhaltenden Schwäche ländlicher Infrastruktur und der Notwendigkeit ihrer Verbesserung." Zentral für eine Hebung der Lebensverhältnisse auf dem Land sei das Recht der Bodennutzung. Grundsätzlich ist der Staat Eigentümer des Landes, das Bauernfamilien von ihm für die Dauer von dreißig Jahre pachten können. Auch die neue Gesetzgebung hält an diesem Prinzip fest, geht allerdings von längeren Pachtzeiten aus. Den Pächtern soll es zudem erlaubt sein, ihr Nutzungsrecht an Land zu belehnen oder an Unternehmer oder Genossenschaften abzutreten.

Damit wird ein Zustand legalisiert, der vor allem in Chinas Osten längst schon gang und gäbe ist. 

Thomas Heberer und Wolfgang Taubmann haben bereits vor zehn Jahren in ihrer Studie „Chinas ländliche Gesellschaft im Umbruch" festgestellt, dass auf dem Land Staatseigentum nicht mehr in nennenswertem Umfang besteht. Damit nehme die Bedeutung des Staates im ländlichen Raum ab. „Zugleich entsteht ökonomischer Wildwuchs, der sich u.a. im Wiederauftauchen von Wucher, Kinderarbeit und ökonomischer Ausbeutung der Beschäftigten im Privatsektor niederschlägt."

Wirtschaftliche Fragen spielen heute auch im politischen Leben ländlicher Regionen eine immer größere Rolle, was sich am Aufkommen so genannter „Kaderkapitalisten" zeigt, die entgegen weitverbreiteter Meinung durchaus in der Lage sind, eine positive Rolle in ländlichen Gemeinschaften zu spielen.

Menschen, die bleiben wollen

Für kapitalistisches Wirtschaften ist also Raum auf dem Lande, allerdings ist die herstellende Industrie in ländlichen Gebieten kaum mehr konkurrenzfähig gegenüber der ganz anders dimensionierten und ungleich moderneren industriellen Fertigung in den Ballungsräumen. Bleiben also Ackerbau und Viehzucht als Betätigungsfeld der bäuerlichen Unternehmer. Für einen rationellen landwirtschaftlichen Betrieb aber mangelt es meistens an finanziellen Mitteln, nicht zuletzt durch das Fehlen einer angemessenen Infrastruktur des Banken-, Kredit-, und Genossenschaftswesens. Noch immer ist Landwirtschaft in hohem Maße Subsistenzwirtschaft: nur etwa 20 bis 30 Prozent dessen, was ein Bauer erwirtschaftet, wird verkauft, der Rest ist Eigenbedarf. Nach dem Pachtsystem ist der Bauer verpflichtet, einen bestimmten Teil seiner Ernte zu festgelegten Preisen an die staatliche Getreideverwaltung abzugeben. Alles, was er darüber hinaus produziert, darf er auf dem freien Markt verkaufen.

Dieser Anreiz führte zu einer enormen Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion. Nach Angaben der Welternährungsorganisation stieg der Hektarertrag in China von 1975 bis 1985 um 50 Prozent! Dieser Boom der Landwirtschaft bildete das Rückgrat der Reform- und Öffnungspolitik: die Versorgung der städtischen und ländlichen Bevölkerung war sichergestellt, die wirtschaftliche Expansion konnte unbedroht durch Versorgungsengpässe seine lange Erfolgsgeschichte beginnen. Den Bauern, traditionell die Verlierer der chinesischen Geschichte, ging es so gut wie nie zuvor, besonders, wenn sie das Glück hatten, in der Nachbarschaft der großen Städte Ost- und Südchinas zu leben.

Die Euphorie hielt aber nicht an: Überproduktion führte zu einem Preisverfall, gleichzeitig stiegen die Kosten für Kunstdünger und Pflanzenschutzmittel zwischen 1984 und 1996 um durchschnittlich 15 Prozent im Jahr! Eine hohe Besteuerung trat hinzu und führte seit Ende der 90er Jahre zu einer stetigen Verringerung bäuerlicher Realeinkommen. Die Landflucht verstärkte sich.

Als eine Form ländlicher Arbeitsbeschaffung ist der Staatsdienst aufgebläht worden: nicht jeder Funktionär kann dem Druck der Familie standhalten, seinem Cousin doch wenigstens einen kleinen Verwaltungsposten zu verschaffen. So ist im Dorf Qipan in der Provinz Hubei die Zahl der Verwaltungsangestellten von 1991 bis 2001 von 120 auf 340 gestiegen. Durch die erweiterten Selbstverwaltungsrechte der Dörfer muss meistens die Gemeinde selbst für das Gehalt ihrer Angestellten aufkommen.

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