10-07-2008 Beijing Rundschau
Das letzte Kapitel von Bertelsmann
von Ding Wenlei

Zhang Wenlong, ein 26-jähriger Projektmanager in einem IT-Unternehmen in Beijing, erklärt Beijing Rundschau, dass er im Jahr 1998 ein Mitglied des Bertelsmann Buchclub wurde. Damals besuchte er noch die Mittelschule in seiner ländlichen Heimat, „denn außer an Lehrbüchern kam man kaum an Bücher ran." Aber während seiner Studienzeit in Beijing trat er aus dem Buchclub aus, denn die Universitätsbibliothek bot reichlich Lesestoff: „Bertelsmann konnte mein Bedürfnis nach hochwertigen Büchern nicht länger befriedigen. Außerdem kann ich jetzt Bücher online kaufen oder in die Buchläden in Universitätsnähe gehen, das ist für mich viel praktischer."

Viele Mitglieder waren unzufrieden damit, dass Bertelsmann von ihnen verlangte, alle drei Monate mindestens ein Buch beim Club zu ordern. Wei Yao, Fotograf in Beijing, erinnert sich an das Jahr 1998, als er, damals 16 Jahre alt, seine Mitgliedschaft bei Bertelsmann beendete. Er hatte es abgelehnt, zwei Bücher zu bezahlen, die ihm von Bertelsmann automatisch zugeschickt worden waren, weil er innerhalb von 90 Tagen kein Buch gekauft hatte. Er hatte kein interessantes Buch im Katalog gefunden, deshalb verweigerte er die Zahlung. Wei Yao war keine Einzelfall: nach zahlreichen Beschwerden seiner Mitglieder hob Bertelsmann im Jahr 2006 die Bezugspflicht auf, aber in der Zwischenzeit waren schon viele „Bertelsmänner" zu Dangdang und Joyo gewechselt, den Hauptkonkurrenten von Bertelsmann im Online-Geschäft.

„Der Online-Kauf ist schnell, einfach und preiswert", sagt Wei, „Wenn man auf der Suche nach einem Buch ist, erweist sich die Suchfunktion des Online-Katalogs natürlich als viel schneller als das Wälzen von Katalogen. Ein dünner Katalog kann auch nicht konkurrieren mit der ruhigen und gelehrten Atmosphäre, die in einem Buchladen herrscht."

Angriff aus dem Netz

Das Online-Geschäft von Bertelsmann machten 2002 etwa 20 Prozent der Einnahmen von Direct Group von China aus, 80 Prozent stammten hingegen aus dem traditionellen Buchclubgeschäft, so Huang. Die Preise der Bücher aus dem Onlin-Shop waren jedoch nicht konkurrenzfähig, und die Kosten für den Unterhalt der Webseite schmälerten den Gewinn.

Manche Mitglieder wählten Bücher im Katalog von Bertelsmann aus und kauften sie dann bei Dangdang und Joyo (später von Amazon aufgekauft), denn Bertelsmann stellte seinen Kunden hohe Gebühren für Versand und Porto in Rechnung.

„Bertelsmann ist schon seit acht Jahren keine Konkurrenz mehr für uns", sagt Li Guoqing, Präsident von Dangdang. „Mit steigenden Druck- und Versandkosten hast du keine Chancen auf dem Markt, wenn dein Bücherangebot nicht von allerbester Qualität ist."

„In einem Katalog kann es immer nur eine begrenzte Auswahl an Titeln geben. Online hingegen sind die `Regalmeter` unbegrenzt", meint Li, "das ist der Grund, warum wir im großen Maßstab Bücher absetzen können, Bertelsmann aber nicht."

Im Dezember 2003 erwarb Bertelsmann 40 Prozent der Aktien an der Beijinger 21st Century Book Chain und machte ein Joint Venture daraus. Mit den rund 20 Buchläden der Kette wollte Bertelsmann den Vorstoß in den Einzelhandel wagen. Während die Mitglieder des Buchclubs nach einer höheren Qualität des Angebots verlangten, musste Bertelsmann nun auch noch dafür sorgen, dass die Kunden in den Buchläden aus einem umfassenden Sortiment auswählen konnten. Der Konzern entschied sich für eine Bevorzugung der Läden, wodurch das Angebot im Buchclub erneut Einschränkungen erfuhr.

„Der größte Fehler liegt meines Erachtens darin, dass Bertelsmann keine Geschäftsführung gebildet hat, die über ausreichende Marktkenntnisse verfügt hätte", sagt Huang Yuhai. „Obwohl 99 Prozent der Belegschaft Chinesen sind, kam der CEO immer aus dem Ausland. Man legte auch bei der Suche nach chinesischem Personal zu großen Wert auf Auslandserfahrung und Management-Kenntnisse, während man verabsäumte, das Buchclubgeschäft mehr an die lokalen Gegebenheiten anzupassen", so Huang weiter.

Nach einem Bericht von China Business Weekly denkt Bertelsmann darüber nach, das Callcenter und seine Kundendatei in eine Webseite einfließen zu lassen, die Bildungsangebote unterbreiten soll. Der Buchvertrieb soll mit Bertelsmanns Arvato Group fusionieren, um großen Unternehmen in China logistische Unterstützung anzubieten.

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