19-02-2008 Beijing Rundschau
Yasukuni: Im Blickkontakt mit der Geschichte
von Chen Ran

Die Dreharbeiten waren sehr anstrengend. Weil dies der erste Film ist, der sich mit diesem umstrittenen Thema beschäftigt, sind Li und sein Team, dem auch zwei Japaner angehörten, auf erhebliche Widerstände gestoßen.

"Wir wurden tätlich angegriffen. Rechtsradikale beschimpften uns, wollten uns die Kamera entreißen und die Videobänder zerstören", sagt Li. Aus unerfindlichen Gründen haben sich sogar einige Leute des linken Spektrums geweigert, sich vor laufender Kamera zu äußern." Einer der denkwürdigsten Vorfälle hat sich am 60. Jahrestag des Kriegsendes am 15. August 1945 ereignet. Li filmte Japaner dabei, wie sie auf dem Gelände des Schreins zwei Studenten verprügelten, die sie für Chinesen hielten.

"Ich hätte nie geglaubt, dass es zu solchen Übergriffen mitten im Schreinbezirk kommen könnte. Ich versteckte mich hinter der Kamera und war zu nervös um die Schärfe zu justieren. Ich habe inständig darauf gehofft, dass sie nicht herausbekommen, dass ich der einzige Chinese vor Ort bin. Sie haben die Demonstranten, die alle aus Japan kamen, blutig geschlagen." Ebenfalls an die Grenzen seiner Vorstellungskraft ging die Dauer der Dreharbeiten: alles in allem zehn Jahre! Anfangs arbeitete Li allein, ohne jegliche Unterstützung, nicht zuletzt wegen der Brisanz des Themas. Während der in finanzieller Hinsicht schwärzesten Phase konnte er nicht einmal mehr die Miete für seine Wohnung aufbringen. Vor etwa zwei Jahren fand sich die Beijing Zhongkun Group dazu bereit zur Unterstützung des Projekts drei Millionen Yuan (etwa 300 000 EUR) zur Verfügung zu stellen. Als der Film nahezu fertig war, erhielt Li sogar noch Fördergelder von einer japanischen Kulturstiftung. Li war sehr erleichtert als ihm die Stiftungsleitung erklärte, dass sie sich trotz der öffentlichen Kontroverse, die der Film erregt hat, nicht aus der Förderung zurückziehen werde. Die harte Arbeit hat sich schließlich ausgezahlt. Bei seiner Premiere auf dem Internationalen Filmfestival von Pusan fand Yasukuni eine begeisterte Aufnahme. Das Fachblatt Hollywood Reporter bezeichnete den Film als ein "eindrückliches Zeugnis des komplexen Verhältnisses Japans zu seiner kriegerischen Vergangenheit”, das leidenschaftliche Reaktionen des Publikums hervorgerufen habe. Endgültig ins Rampenlicht sind Li und seine Arbeit nun durch die Einladungen zur diesjährigen Ausgabe des Sundance Film Festival and zur 58. Berlinale getreten.

Li ist gerade vom Sundance Festival im US-Bundesstaat Utah zurückgekehrt, dem weltweit wichtigsten Festival für unabhängige Filmproduktionen.

"Ich bin glücklich darüber, dass ein amerikanisches Publikum sehr gründlich über Altlasten eines Krieges nachdenkt und über die Gründe, warum Yasukuni noch immer sehr komplexe Fragen in Asien aufwirft", sagt Li. "Das Thema geht nicht nur Asien an, sondern die ganze Welt." Die Menschen fragten sich heute, was Frieden sei und wie man Geschichte betrachten könne.

„Ich bin sehr zuversichtlich, dass der Film auch in Europa eine günstige Aufnahme finden wird. Die Berlinale legte schon immer großen Wert auf den Einfluss, den Geschichte auf unsere Wahrnehmung der Wirklichkeit und damit auf unsere Gegenwart und Zukunft ausübt.” Dieses Jahr präsentiert das Festival eine acht Filme umfassende Retrospektive, die sich mit dem Auswirkungen des Vietnamkrieges auf den amerikanischen Film beschäftigt. "Der Festival-Direktor der Berlinale, Dieter Kosslick, der den Film in Pusan gesehen hat, hält Yasukuni für einen kraftvollen Film, der geeignet ist, Denkanstöße zum Thema Krieg zu liefern. Zufälligerweise spiegelt unser Film einen Programmschwerpunkt der Berlinale wider. Man hat den Eindruck, dass Japan weit hinter Deutschland zurückgefallen ist im Umgang mit seiner Kriegsvergangenheit. Ich bin sicher, dass Europäer – vor allem Deutsche – durch Yasukuni dazu angeregt werden, über die eigene kriegerische Vergangenheit nachzudenken. Es ist nicht leicht, ein Urteil zu fällen, deshalb habe ich mich bemüht zu zeigen, dass zu Menschen und ihren Geschichten eine Vielzahl unterschiedlicher Betrachtungsweise möglich sind." Der Film wird ab 12. April in Japan gezeigt. Der Termin der chinesischen Erstaufführung steht noch nicht fest. "Nach der Vorpremiere für die Medien in Japan konnte man Kommentare jeder Art hören, positive wie negative. Das ist ein ganz normaler Vorgang. Ich habe nicht die Absicht, die Japaner darüber zu belehren, wie sie ihre Geschichte beurteilen sollen. Aber ich hoffe schon, dass sich die Zuschauer einer kritischen Selbstbetrachtung unterziehen. "Die Heldenverehrung am Yasukuni-Schrein ist ein großes Hindernis für eine Verbesserung der Beziehungen Japans zu seinen asiatischen Nachbarn. Vielleicht kann der Film eine wichtige Rolle spielen für eine Annäherung Japans, Chinas und Südkoreas in dieser Frage. Ich hoffe, dass der Film gleichzeitig mit dem Start in Japan auch in China und Südkorea herauskommen wird. Es wäre sehr interessant, die unterschiedlichen Reaktionen in den einzelnen Ländern miteinander zu vergleichen."

Biographische Notiz

Li Ying wurde 1963 geboren. Seit 1984 produzierte er Dokumentarfilme für Chinas staatliche Fernsehanstalt CCTV. 1989 Umzug nach Japan. 1993 Mitbegründer der TV- und Filmproduktionsfirma Dragon Films Inc. Sein erster Film, 2H, ist 1998 entstanden und wurde im Folgejahr auf der Berlinale und im Jahr 2000 auf dem Hong Kong Film Festival ausgezeichnet. Weitere Filme: Flying and Flying (2000); Dream Cuisine (2002), Mona Lisa (2005) und Yasukuni (2007).

 

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