19-02-2008 Beijing Rundschau Yasukuni: Im Blickkontakt mit der Geschichte von Chen Ran
Der chinesische Dokumentarfilmer Li Ying lebt seit fast zwanzig Jahren in Japan. Letztes Jahr hat sein Film „Yasukuni" für Aufsehen gesorgt: auf zahlreichen Filmfestivals wie Pusan in Südkorea und Sundance in den USA hat er die Kritiker begeistert und eine Reihe von Auszeichnungen erhalten. Die Europa-Premiere des Films findet im Rahmen der 58. Internationalen Filmfestspiele in Berlin vom 7. bis zum 17. Februar statt. „Ich möchte mit diesem Film einen Blick auf die Geschichte werfen und die Menschen dazu anregen, die in Japan lange verdrängte Kriegszeit deutlicher wahrzunehmen", sagt Li im Interview mit der Beijing Review. Der Yasukuni-Schrein wurde 1869 zum Gedenken an die japanischen Kriegsgefallenen errichtet, „Yasukuni" bedeutet „friedvolles Land". Der Ort steht im Mittelpunkt eines heftigen Meinungsstreit, denn seit 1978 zählen unter die 2,5 Millionen dort verehrten Seelen der Toten auch diejenigen von vierzehn Männer, die als Hauptkriegsverbrecher von alliierten Gerichten verurteilt worden waren. Etliche japanische Ministerpräsidenten haben den Schrein besucht und dadurch die Situation verschärft. Weithin wird der Schrein wahrgenommen als Symbol japanischen Militarismus und Ultranationalismus und viele sehen in derartigen Gesten einen erschreckenden Mangel der politischen Führung an einem kritischen Umgang mit der Geschichte des Landes. Der nach zehnjähriger Arbeit 2007 fertiggestellte Film zeigt unvoreingenommen was sich in der näheren und weiteren Umgebung des Schreins abspielt. Im Mittelpunkt des Films steht zunächst der 90 Jahre alte Kariya Naoji, der letzte überlebende Waffenschmied aus jener Zeit, der bei der Herstellung von 8 100 Schwertern mitgewirkt hat. Diese Yasukunitō (Yasukuni-Schwerter) genannten Stahlklingen sind auf dem Gelände des Schreins hergestellt und bis 1945 an Fronttruppen geliefert worden. Der Film zeichnet die Geschichte dieser Waffen nach und zeigt, wozu die Schwerter verwendet wurden: sie kamen beim Massaker von Nanjing ebenso zum Einsatz wie bei einem makaberen Wettbewerb zweier Offiziere um die höchste Zahl an Enthauptungen. Die Offiziere wurden später zum Tode verurteilt und hingerichtet. Die am Schrein Betenden glauben, dass in den Schwertklingen die Seelen der im Schrein verehrten Toten wohnen. Von dieser Prämisse ausgehend verzweigt sich der Film zu einer vielschichtigen Darstellung des Themas, indem er hauptsächlich japanische Stimmen zu Wort kommen lässt. "Die Schwerter und deren Geschichte sind ein sehr wichtiger Machtfaktor in der japanischen Gesellschaft”, sagt Li. "Es ist sehr schwierig, die Emotionen zu verstehen, die der Schrein hervorruft, wenn man noch nicht dort gewesen ist." Im Film sehen wir immer wieder Kariya, wie er 2006 an seiner letzten Schwertklinge arbeitet. Beim Zuschauer kommt Respekt auf für die hingebungsvolle Ausschließlichkeit mit der er sein Handwerk betreibt. Durch den Verzicht des Films auf einen gesprochenen Kommentar, erhalten wir einen unmittelbaren Eindruck von den unverblümten Meinungsäußerungen von Leuten aus dem rechten und linken politischen Lager. Der Film behandelt auch die umstrittenen alljährlichen Besuche des Schreins durch den ehemaligen Ministerpräsidenten Koizumi und die Zusammenarbeit zwischen Koreanern, Angehörigen der autochtonen Bevölkerung Taiwans und Okinawas und einem buddhistischen Mönch. Sie haben gemeinsam eine Petition mit der Forderung eingereicht, die Namen ihrer Vorfahren aus dem Register des Schreins zu tilgen. Der 45-jährige Li hat früher für das staatliche chinesische Fernsehen als Dokumentarfilmregisseur gearbeitet. 1989 ging er nach Japan und hat dort die Firma Dragon Films mitbegründet, die seit 1993 Fernsehprogramme und Filme produziert. "Zum 60. Jahrestags des Nanjing-Massakers habe ich 1997 im Rahmen eines Seminars einen japanischen Dokumentarfilm über das Massaker gesehen. Bei der Szene in der japanische Soldaten die Nationalflagge über der eroberten Stadt hissen, haben die Zuschauer applaudiert, was ich absolut schockierend fand”, erinnert sich Li. Dieser Vorfall regte ihn dazu an, einen Dokumentarfilm über den Yasukuni-Schrein zu drehen. Für ihn ist der Schrein eine „Art Altlast des Krieges". "Verschiedene Länder bewahren verschiedenartige Erinnerungen. Ich habe mich mit der Frage auseinandergesetzt, wie historische Ereignisse erinnert werden. Ich wollte die Gründe ermitteln für die erheblichen Unterschiede in der Geschichtsbetrachtung”, sagt Li.
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