27-11-2007 Beijing Rundschau
Ein Gespräch über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft: 20 Jahre Partnerschaft Bayern – Shandong
von Matthias Mersch

 

Beijing Rundschau: Gibt es bereits eine Bewegung in die andere Richtung, also Shandonger Firmen, die nach Bayern nicht nur Produkte verkaufen wollen, sondern dort auch investieren möchten?

Dr. Christian Geltinger: Es gibt dabei in der Regel zwei Formen einer Investition: eine Beteiligung an einer Firma beziehungsweise deren Übernahme, oder der Aufbau von Stützpunkten durch Repräsentanzen oder Niederlassungen. In den letzten sechs Jahren hat unser Büro beide Wege unterstützend begleitet. In der Vergangenheit sind chinesische Firmen weniger durch Direktinvestitionen als durch Firmenbeteiligungen nach Deutschland oder Bayern gekommen, aber zurzeit betreuen wir zwei Projekte namhafter Firmen, die beide sehr vielversprechend sind. Wir stellen dabei Informationen zur Verfügung und vermitteln professionelle Hilfe, die zu einer Firmengründung erforderlich sind, bis hin zu Kontakten zu Wirtschaftsprüfern, Steuernberatern und Rechtsanwälten. In so einem Fall stellen wir Listen seriöser Dienstleister mit Chinakompetenz zur Verfügung, aus denen sich das Unternehmen seine Partner aussuchen kann. Wir helfen aber auch bei Problemen mit den Ausländerbehörden und bei der Vermittlung von Büroflächen. Unser Büro ist dabei die Brücke zum Standortmarketing „Invest in Bavaria" in München. Das ist die zentrale Anlaufstelle für internationale Investoren, die auch einen chinesischen Investor an die Hand nehmen und lotsen kann. Unser Serviceangebot ist also recht umfassend.

 

Beijing Rundschau: Sind solche Übernahmen durch chinesische Unternehmen langfristig erfolgreich gewesen?

Dr. Christian Geltinger: Bei den ersten Einkäufen durch chinesische Unternehmer hat es große Schwierigkeiten gegeben. Übernahmen scheiterten daran, das die Firmen, in die investiert wurden, insolvent waren und es der neuen Unternehmensführung nicht gelungen ist, ein tragfähiges Konzept für die Betriebe auf die Beine zu stellen. Oft war das neue Management auch schlicht überfordert. Die Unterschiede in der Unternehmenskultur beider Länder sind allgemein unterschätzt worden. Hier wurden Fehler begangen - von beiden Seiten. Aber es hat ein Lernprozess stattgefunden. In letzter Zeit konnten bei Übernahmen bayerischer Unternehmen durch chinesische Investoren beachtliche Erfolge erzielt werden. Die Dinge funktionieren nun sehr gut. Eine Erfolgsgeschichte ist zum Beispiel die Übernahme der Waldrich Coburg durch die Beijing Machine Tool No. 1. Das 1920 gegründete oberfränkische Maschinenbauunternehmen wurde 2005 von dem Beijinger Staatsbetrieb gekauft. Die Belegschaft ist zum größten Teil übernommen worden und wird gegenwärtig vergrößert, weil die Auftragslage sehr gut ist. Der Standort Coburg ist heute langfristig gesichert.

 

Beijing Rundschau: In welchem Zusammenhang steht die Partnerschaft Shandong – Bayern mit dem Netzwerk „Power Regions of the World"?

Dr. Christian Geltinger: Die „Power Regions of the World" sind ein Verbund zu dem sich wirtschaftliche Hochleistungszentren der Welt zusammengeschlossen haben: derzeit sind dies neben Bayern Shandong, Québec, Oberösterreich, São Paulo, Kalifornien, die Provinz Westkap in Südafrika und Karnataka mit seiner Hauptstadt Bangalore in Indien. Bayern hat durch seine langjährigen Kontakte mit Shandong dabei geholfen, diese Region in das Netzwerk einzubeziehen. Es gibt eine Reihe von Kooperationsprogrammen und alljährliche Treffen auf Ebene der Ministerpräsidenten. Beim diesjährigen Treffen in Linz ging es um die Fragen Jugend und Bildung, vor allem aber auch um erneuerbare Energien und Energieeffizienz. Es wurden dabei Austauschprogramme und gemeinsame Forschungsprojekte verabredet. Shandong ist mittlerweile vollkommen in das Netzwerk integriert. Dadurch besteht heute ein besonders intensiver Kontakt zwischen Shandong und Québec. 2008 wird in Jinan und Qingdao im Vorfeld der olympischen Sommerspiele das Treffen der Ministerpräsidenten und Gouverneure stattfinden.

 

Beijing Rundschau: Nimmt Qingdao teil am Projekt „China – Deutschland. Gemeinsam in Bewegung", eine PR-Kampagne der Bundesregierung und der deutschen Industrie, die bis 2010 mit einem aufwändigen Programm vor allem in Städten der chinesischen Provinz zu sehen sein wird?

Dr. Christian Geltinger: Qingdao hatte sich um eine Teilnahme beworben. Es ging dabei vor allem um den Aufbau der „Deutschlandpromenade", ein Parcours aus Pavillons in denen vor allem die deutsche Wirtschaft Innovationen präsentiert und China dazu einlädt, gemeinsam die Herausforderungen der Zukunft vor allem auf dem Gebiet des Umweltschutzes und der Energiesicherung anzunehmen. Wie es momentan aussieht, wird die „Deutschlandpromenade" auf dem Weg zur Expo 2010 nach Shanghai leider keine Station in Qingdao machen.

 

Beijing Rundschau: Qingdao als Boomtown und Austragungsort der olympischen Segelwettbewerbe. Wird es nach den Olympischen Spielen 2008 eine Kater-stimmung geben, oder geht die Aufwärtsentwicklung der Stadt unbeeindruckt weiter?

Dr. Christian Geltinger: Alle Zeichen deuten auf einen anhaltenden Boom hin. Von der rasanten Zunahme des Handels nahezu aller Länder mit China profitieren in erster Linie die bestehenden Handels- und Logistikzentren. Da ist gerade Qingdao bestens positioniert. Der neue Fünfjahresplan zur Stadtentwicklung sieht sogar wieder den Bau einer U-Bahn vor. Der Ausbau des Flughafens und der umliegenden attraktiven Industriegebiete wird weiter vorangehen. Die Stadt verzeichnet ein stetiges Wachstum und sie widmet sich verstärkt den Themen Innovation und Energieeffizienz. Leider resultieren daraus auch negative Folgen wie eine enorme Verteuerung des Wohnraums. Allerdings versucht die Stadt diesen Trend durch den Bau von Wohnungen für Bezieher mittlerer und geringer Einkommen abzumildern. Ich sehe die weitere Entwicklung von Stadt und Region sehr optimistisch.

 

Beijing Rundschau: Bayern hat einen neuen Ministerpräsidenten, Dr. Günter Beckstein. In seiner ersten Regierungserklärung vom 15. November spricht er sich für eine „starke und dynamische Wirtschaft" aus und entwirft das Programm „Zukunft Bayern 2020". China kommt darin aber nicht vor. Sind unter Herrn Beckstein starke Impulse für die chinesisch-bayerischen Beziehungen zu erwarten?

Dr. Christian Geltinger: Noch vor seinem Amtsantritt als neuer Ministerpräsident hat er erste Meilensteine gesetzt, als er in diesem Jahr an der Eröffnung der Vertretung der Messe Nürnberg in Shanghai teilnahm. Neben dem German Centre Shanghai unter Leitung der Bayern LB und der Niederlassung der Messe München beziehungsweise der Beteiligung am Shanghai New International Expo Centre (SNIEC) ist damit eines der wichtigsten Wirtschaftszentren Chinas noch enger mit Bayern verbunden. Im August 2008 wird Dr. Beckstein dann erneut China zur erwähnten Regierungschefkonferenz in Shandong bereisen. Ich bin davon überzeugt, dass auch der neue Ministerpräsident, und im übrigen auch die neue Wirtschaftsministerin Emilia Müller beziehungsweise Staatssekretär Markus Sackmann, die große Stärke Bayerns, in China Gesicht und Präsenz kontinuierlich über lange Jahre gezeigt zu haben, nahtlos fortführen werden.

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