13-11-2007 Beijing Rundschau "China ist ein Wunschposten für mich..." Von Matthias Mersch und Xu Bei
Dr. Michael Schaefer ist erst seit wenigen Wochen neuer Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in China. Zum Auftakt der „Deutschlandpromenade“ im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Deutschland und China – Gemeinsam in Bewegung“ haben Reporter der Beijing Rundschau in Nanjing ein Gespräch mit ihm geführt.
Beijing Rundschau: Welche Vorstellungen von China hatten Sie vor Ihrem Amtsantritt in Beijing? Hatten Sie schon zuvor beruflich mit China zu tun?
Dr. Michael Schaefer: Bevor ich nach China gekommen bin, war ich neun Jahre in Berlin im Auswärtigen Amt als politischer Direktor tätig. Der politische Direktor kümmert sich um alle schwierigen außenpolitische Probleme und Konflikte. Ich habe 10 bis 12 Jahre im Bereich der Vereinten Nationen gearbeitet. Aber meine einzige berufliche Asienerfahrung war bislang meine Stelle als stellvertretender Botschafter in Singapur gewesen. Ich kann ganz offen sagen, dass China ein Wunschposten für mich gewesen ist. Durch die Bearbeitung sicherheitspolitischer Fragen war ich an vielen direkten Verhandlungen mit der chinesischen Regierung beteiligt. Die Bedeutung des Landes ist gar nicht zu überschätzen. Die alte Kultur, die Traditionen, die Philosophie Chinas unterscheiden sich sehr von ihren europäischen Entsprechungen, weisen aber auch viele Berührungspunkte mit ihnen auf.
Beijing Rundschau: Sind Sie zum ersten Mal in Nanjing? Was ist Ihr Eindruck von der Stadt?
Dr. Michael Schaefer: Trotz meiner erst kurzen Anwesenheit in China bin ich doch schon zum zweiten Mal in Nanjing. Vier Tage nach meinem Amtsantritt habe ich Bundeskanzlerin Angela Merkel auf ihrem Staatsbesuch in China auch nach Nanjing begleitet, wo sie am 26. August die Veranstaltungsreihe „Deutschland und China – Gemeinsam in Bewegung" eröffnet hat. Das geschah mit der wunderschönen Aufführung des Balletts „Romeo und Julia", eine Koproduktion deutscher Künstler mit dem hiesigen Ensemble. Die Tänzer beider Na-tionen, die gemeinsam auf der Bühne standen, haben den Geist dieses Programm deutlich gemacht: auf der einen Seite geht es uns darum, Deutschland darzustellen in seiner ganzen Vielfalt, als ein modernes Land, ein Land, das sich in Europa in den letzten fünfzig Jahren zu einer sehr kreativen, innovativen Gesellschaft entwickelt hat, die sehr zukunftsgerichtet ist. Ein Land, das viele Ideen einbringen kann für die Lösung von schwierigen gesellschaftlichen Problemen, ein Land mit einer sehr dynamischen Wirtschaft, mit einer vielfältigen Kultur. All das wollen wir möglichst vielen chinesischen Bürgerinnen und Bürgern mitteilen, und wir wollen sie teilhaben lassen an dieser Entwicklung. Auf der anderen Seite geht es uns darum, gemeinsam mit China Antworten auf die Fragen der Zukunft zu finden. Hier in Nanjing und auf den weiteren Stationen der „Deutschlandpromenade".
Beijing Rundschau: Was sind Ihre Erwartungen an die Veranstaltungsreihe „Deutschland und China – Gemeinsam in Bewegung" und warum haben Sie Nanjing zur ersten Station der „Deutschlandpromenade" gemacht?
Dr. Michael Schaefer: Deutschland und Nanjing sind ja keine Fremden mehr füreinander, dasselbe gilt für Deutschland und Jiangsu. Es gibt eine enge Zusammenarbeit mit den Universitäten von Nanjing. Über tausend deutsche Firmen haben in der Provinz Jiangsu investiert. Nanjing ist aber auch wegen seiner Geschichte von besonderer Bedeutung. Daher war es uns wichtig, den Auftakt für diese dreijährige Veranstaltungsreihe in dieser Stadt zu ge-ben. Die vielfältigen Begegnungen von Experten, Schülern und Studenten haben in den letzten Jahren zugenommen. Aber das sind natürlich immer nur punktuelle Begegnungen. Wir möchten mit einer solchen Initiative auch die breitere Bevölkerung ansprechen, die normalen Bürgerinnen und Bürger. Deshalb die Idee, nicht nur ein Symposium als geschlossene Veran-staltung an der Universität abzuhalten, sondern sich auf die Straße zu stellen, sozusagen an die Haustür der normalen Menschen, um ihnen etwas zu erzählen von Deutschland und auch davon, wie wir Probleme lösen, vor denen sie hier in China genauso stehen wie wir in Deutschland. Deshalb möchten wir mit dieser Veranstaltungsreihe nicht nur nach Beijing oder Shanghai gehen, sondern auch in die Provinz und dort in die großen Wachstums- und Ballungszentren.
Beijing Rundschau: Welche Schwerpunkte setzt die Veranstaltungsreihe?
Dr. Michael Schaefer: Das Motto der Shanghaier Expo 2010 ist: Better City, Better Life. Unsere Veranstaltungsreihe, deren letzte Station im Jahr 2010 Shanghai sein wird, soll dazu beitragen in den drei Jahren bis zur Weltausstellung mit jungen chinesischen Bürgerinnen und Bürgern wichtige Themen zu diskutieren, die in Beziehung stehen zum Motto der Weltausstellung. „Deutschland und China – Gemeinsam in Bewegung" wird sich deshalb auch nicht nur auf Präsentationen beschränken. Wir wollen keine Messe veranstalten, sondern wir wollen viele interaktive Foren schaffen in denen die Menschen Probleme diskutieren können. Die Ausstellung „Stadtvisionen" hier in Nanjing beispielsweise ist das Ergebnis eines mehrwöchigen Workshops von chinesischen und deutschen Architekten, Stadtplanern und Archi-tekturstudenten. Ein typisches Forum wie wir es uns auch weiterhin als Produkt unserer Ver-anstaltungsserie vorstellen. Wichtig ist uns das Aufzeigen von Bereichen, in denen wir glauben, dass Deutschland und China zusammenarbeiten können. Hier geht es vor allem um Zukunftsfragen. Wir wollen die Phantasie gerade der jungen Leute wecken und ihr Interesse, mit jungen Deutschen zusammenzukommen, um Antworten auf gemeinsame Fragen zu finden. Ein zentrales Thema dieser Reihe sind deshalb Fragen der Urbanisierung. Die Probleme, die sich großen Städten und Ballungszentren künftig stellen und die Suche nach gemeinsamen Lösungen.
Beijing Rundschau: Wie würden Sie den Stand der deutsch-chinesischen Beziehungen beschreiben? Wie lassen sich die Beziehungen ausbauen?
Dr. Michael Schaefer: Ich bin überzeugt davon, das die wirtschaftliche Dynamik Chinas und seine kulturelle Vielfalt das Land in den nächsten Jahren zu einem wichtigen Spieler in der Welt machen. Als Bundesregierung geht es uns darum, viele Bereiche zu identifizieren, in denen wir gemeinsam dazu beitragen können, die enormen Fragen und Probleme, die gerade auch im globalen Maßstab vor uns liegen, miteinander zu lösen. Die Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern stehen seit 35 Jahren auf einem breiten und soliden Fundament. Nun geht es um die gemeinsame Lösung der Zukunftsfragen. Wenn man aus Europa kommt mit seiner sehr schwierigen Geschichte, die in den letzten 150 Jahren vor allem eine Geschichte der Kriege und Konflikte gewesen war, ist die Erfahrung einer solchen historischen Entwicklung prägend für das Bewusstsein, dass heute weder ein Land noch eine Staatengruppe in der Lage ist, alleine die anstehenden Probleme zu lösen. Ein Beispiel: einerseits müssen wir Energiesicherung für weiter wachsende Wirtschaften garantieren, aber auf der anderen Seite besteht die Notwendigkeit, unsere natürliche Umwelt, insbesondere auch das Klima auf dieser Erde zu schützen. Diesen Widerspruch zu einem auflösbaren Widerspruch zu machen, Wachstum abzukoppeln vom Energieverbrauch, das ist die Herausforderung. Hierzu brauchen wir internationale Zusammenarbeit. China und Deutschland als führende Mächte in ihrer jeweiligen Region haben eine große Chance, sehr aktiv beizutragen zur Lösung solcher Probleme.
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